Historische Schlepper:Reif fürs Museum

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In den Lagerhallen von Helmut Härtl in Großeisenbach stehen mehrere Schlüter-Traktoren. Auch andere Geräte der stillgelegten Fabrik konnte er retten. Der ehemalige Landwirt findet: Das gehört endlich ausgestellt

Von Peter Becker, Fahrenzhausen

Für den ehemaligen Landwirt Helmut Härtl aus Großeisenbach, das zu Fahrenzhausen gehört, kommt es einer Sünde gleich, was mit der ehemaligen Schlüterfabrik geschehen ist. Dort wo einst Traktoren von Weltruf entstanden sind, steht jetzt ein Einkaufszentrum. Das einzige, was es von anderen beliebigen unterscheidet, die sich an Stadträndern breit machen, sind die beiden Türme, die im Südwesten Freisings emporragen. Härtl hätte eine weitaus bessere Idee gehabt, was aus einem Teil des Gebäudekomplexes der Schlüterfabrik hätte werden können. "Ein Museum oder ein Industriedenkmal", hätte sein Vorschlag gelautet.

Der 69-jährige Härtl könnte da so manches Ausstellungsstück beisteuern. 20 Schlüter-Traktoren hat er in seinen Lagerhallen stehen. Historische Schlepper, die bei Fans Begehrlichkeiten wecken und die Augen zum Leuchten bringen. Dazu kommen ungezählte Bücher, Werbebroschüren, Plakate und Werbetafeln. Härtl hebt eine in die Höhe und sagt, dass diese unter Fans heutzutage etwa 4000 Euro wert sei.

Seine Sammelleidenschaft hat Anfang der Achtzigerjahre angefangen. Ein Pflichttermin waren für ihn die jährlichen Ausstellungen der Schlüterfabrik gewesen. Dort waren stets Großbauern und Grundbesitzer anwesend, die ihre Traktoren vorführten. Fürst von Wallerstein etwa oder die Familie von Thurn & Taxis. Ein Teil dieser Maschinen befindet sich nun in seiner Sammlung. Wie etwa ein Super 2000 V, den Schlüter damals als stärksten Traktor in Europa präsentiert hat.

Helmut Härtl beherbergt auf seinem Grundstück in Großeisenbach eine umfangreiche Sammlung alter Zugmaschinen, Reklameschilder und Werkzeug. (Foto: Marco Einfeldt)

Die Traktorenfabrik vor den Toren Freisings war Anfang der Neunzigerjahre in finanzielle Schieflage geraten. 1978 hatte Anton Schlüter noch den damals größten Traktor Europas, einen 500 PS starken Schlepper, vorgestellt. Der damalige jugoslawische Staatschef Josip Broz Tito zeigte großes Interesse daran. Von ihm kam ein Auftrag, der nie umgesetzt wurde. Tito starb 1980, Jugoslawien zerfiel in den folgenden Jahren in viele einzelne neue Staaten.

Dazu kam, dass Schlüter zu teuer produzierte. Er hatte die fortschreitende Automatisierung und Modernisierung verpasst. 1991 untersuchte die Umweltschutzbehörde das Freisinger Fabrikgelände und forderte eine neue Kanalisation sowie die Beseitigung von Altlasten. Schlüter konnte dies nicht mehr bewältigen. "1993 war das Ende der Produktion in Freising beschlossene Sache", heißt es in dem Buch von Bauer, Lüttmann, Tietgens "Schlüter Schlepper Prospekte 1936 - 1993".

Enkel Leon sitzt auf dem Schlüter Super 2000 V. (Foto: Marco Einfeldt)

"Schlüter hatte selbst mit dem Gedanken gespielt, ein Museum zu bauen", sagt Härtl. Dazu ist es nie gekommen. Er musste einen Teil seiner Sammlung verkaufen, zum Teil an alte Schlüterkunden. Inzwischen sind alle Schlepper in Sammlerhänden. Sie sind schier unbezahlbar. "Das, was die früher in D-Mark gekostet haben, kosten sie jetzt in Euro", schildert Härtl.

Wobei der Sammler, der so einen Schlepper besitzt, ihn wahrscheinlich nicht um alles in der Welt hergeben würde. "Da kannst du noch so viel Geld haben", beteuert der ehemalige Landwirt. Er hat sich von Jugend an für die Zugmaschinen interessiert, schon von Berufs wegen. Als er selbst zum Sammler wurde, waren die Schlüterschlepper noch zu niedrigeren Preisen zu haben. Härtl weiß, dass der Geldadel hinter den historischen Fahrzeugen her ist wie der Teufel hinter der armen Seele. Diese Sammler würden eine halbe Million Euro in die Hand nehmen, um solch einen Traktor zu erwerben. Doch ihnen bleibt nichts anderes übrig, als die Originalfahrzeuge nachbauen zu lassen. Was natürlich ebenfalls seinen Preis hat.

Was Härtl besonders schmerzt, sind die hundert Jahre alten Maschinen, die damals bei der Auflösung der Traktorenfabrik verloren gegangen sind. "Man hätte in Freising ein Museum machen können", bedauert er. Die Maschinen, die in der Gießerei herumstanden, seien alles Originale gewesen. Härtl hatte das Glück, damals mit einem Schrotthändler durch die Schlüterhallen gehen zu können. Manches gute Stück hat er gerettet. So steht zum Beispiel ein alter Federhammer in einer seiner Hallen. Diese Hammerform gehörte zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu den technischen Neuerungen im stahlverarbeitenden Gewerbe.

Ein Bierabfüllautomat. (Foto: Marco Einfeldt)

Wer sich auf dem Hof von Härtl umsieht, entdeckt manch andere Rarität. Ein Faun-Lastwagen aus dem Jahr 1938, dessen einst roter Anstrich längst verblichen ist, steht im Hof. Dieser Fahrzeugtyp wurde einst von der Wehrmacht zu Paradezwecken und zum Panzertransport benutzt und musste nach dem Zweiten Weltkrieg in ein ziviles Nutzfahrzeug umgebaut werden. "Bis in die Achtzigerjahre hinein ist der noch gelaufen", erläutert Härtel. Dann sei der Fahrer gestorben. Seitdem steht der Wagen still.

Nicht weit weg davon steht eine Hanomag-Zugmaschine aus dem Jahr 1936. Sie ist mit einem Sechszylindermotor mit damals beachtlichen 100 PS ausgestattet. Der Typ SS 100 Gigant wurde nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Systems unter dem Namen ST 100 weitergebaut. Ein weiteres Fahrzeug dieses Typs wird gerade mühevoll restauriert. Die Fahrerkabine ist abgebaut. Auf Härtls Hof ist das möglich, denn er beherbergt eine Reparaturwerkstatt. Werkzeug, das für solche Arbeiten benötigt wird, ist vorhanden. Weitere Prunkstücke sind ein MAN-Traktor, der vor dem Zweiten Weltkrieg vor allem in Ostpreußen zum Einsatz kam, sowie ein ungarischer Bulldog aus dem Jahr 1927. Erworben hat sie Härtl über die grüne Grenze hinweg.

Es ist schade, dass diese historischen Zugmaschinen alle in Lagerhallen stehen, wo sie nicht bewundert werden können. Härtl hat bei der Gemeinde schon mal nachgefragt, ob man sie nicht in einem eigenen Museum ausstellen könnte. Doch damit ist er nach eigenem Bekunden auf wenig Gegenliebe gestoßen.

© SZ vom 11.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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