Hilfe für Menschen in Notlagen:Bedrückende Enge

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Der vierjährige David wird immer auf Hilfe angewiesen sein, die Mutter kann deshalb nicht arbeiten. Bisher lebt die Familie in einer Ein-Zimmer-Wohnung, eine bezahlbare Alternative hat sie noch nicht gefunden

Von Gudrun Regelein, Neufahrn

Der kleine David ist ein aufgeweckter, neugieriger Bub. Aber der Vierjährige wird niemals ein normales Leben führen können - er wird sich nie altersgemäß entwickeln. David kam als Frühchen zur Welt, gerade einmal gut 1000 Gramm wog er bei seiner Geburt. Dass mit ihm etwas nicht stimmte, sagten die Ärzte den Eltern schon bald: David hat einen zu kleinen Kopf, eine spastische Körperbehinderung und leidet unter Epilepsie.

Ein halbes Jahr lang musste David nach der Geburt in der Klinik bleiben, bis ihn seine Mutter endlich mit nach Hause nehmen durfte. Seitdem bestimmen Arztbesuche, Therapien und Behandlungen das Leben der Familie. "Es ist ziemlich hart", sagt die Mutter, eine zierliche Frau. Es laufe nicht besonders gut, sie müsse um vieles kämpfen. Die Therapien würden zwar bezahlt, aber es habe lange gedauert, bis die Krankenkasse den speziellen Buggy oder die Schienen und die Spezialschuhe für David, mit denen der Vierjährige endlich das Laufen lernen soll, genehmigte. Selber kann sich die Familie das nicht leisten. Noch kann die Mutter nicht wieder arbeiten gehen, zu sehr braucht David sie. Am frühen Mittag muss sie ihn vom Kindergarten abholen, länger als ein paar Stunden kann er dort noch nicht bleiben.

David besucht seit drei Monaten den Integrationskindergarten Zauberwald, dort hat er einen heilpädagogischen Platz. Er fühle sich sehr wohl in der Gruppe, habe sich in den vergangenen Monaten gut entwickelt, erzählt Christine Labedzki von der Frühförderung der Lebenshilfe. Sie kennt die Familie gut, betreut sie, seit David ein halbes Jahr alt war. Und sie weiß von deren Nöten und Sorgen.

Die finanzielle Situation sei sehr angespannt. Am meisten aber belaste die Familie, dass sie in einer viel zu kleinen Wohnung leben muss - zu dritt in einer Ein-Zimmer-Wohnung. Privatsphäre gebe es dort keine, die Enge bedrücke sie enorm. "Eine größere Wohnung wäre für uns sehr wichtig", sagt auch Davids Mutter. Sie suchten seit langem nach einer Alternative, konnten bislang aber keine bezahlbare Wohnung finden. Die Frage, ob auch sie einen persönlichen Wunsch habe, beantwortet Davids Mutter sofort: "Ja, dass er aus einem Glas trinken lernt und ich ihn nicht mehr wickeln muss." Wie es weitergehen wird, wisse sie nicht, sagt sie. "Ich mache mir große Sorgen um David und seine Zukunft."

Auf Eltern mit Frühchen kommen manchmal Belastungen seelischer und finanzieller Art zu, wenn die Kinder spezielle Behandlungen brauchen. (Foto: Haas)

Dass Eltern von behinderten Kindern immer wieder mit ihrem Schicksal haderten, sei normal, sagt Christine Labedzki. "Natürlich fragt man sich, weshalb gerade mein Kind anders ist." Wichtig sei es, in dieser Situation noch intensiver mit einer Familie zu arbeiten, viele Gespräche zu führen - "denn es ist wichtig, dass die Eltern das hinkriegen." Ein behindertes Kind zu haben, bedeute eine besondere Herausforderung. Nicht nur, da Eltern Tag und Nacht viel Zeit und Aufmerksamkeit investieren müssen. Die Entwicklungsstörungen, die fehlende Selbständigkeit des Kindes beunruhigten: "Man macht sich immer große Sorgen", sagt Labedzki. Und diese Sorge ende nie, denn Eltern wissen, dass das Kind nicht wirklich in das Leben entlassen werden kann, immer Unterstützung brauchen wird.

Zwar fänden betroffene Familien große Unterstützung bei den Gesprächen, in den heilpädagogischen Stätten und bei der Frühförderung. Oft aber sei deren Finanzierung nicht ausreichend, kritisiert Labedzki. Kinder mit einem heilpädagogischen Platz bekämen beispielsweise nur mehr die Hälfte der Frühförderstunden vom Bezirk bezahlt - und diese 25 Stunden im Jahr seien zu wenig. "Das ist auch für uns schwierig: Man hat ein gutes Vertrauensverhältnis aufgebaut - und dann sind die 25 Stunden aufgebraucht." Oft mache sie mehr, als bezahlt werde, gerade dann, wenn sie eine Familie sehr lange betreut habe.

Zunehmend sei auch die Frühförderung der Lebenshilfe auf Spenden angewiesen, berichtet Labedzki. Das Therapiematerial sei beispielsweise sehr teuer. Immer häufiger fänden die Stunden nicht mehr in der Frühförderstelle, sondern in den Einrichtungen statt. Denn meistens müssten beide Elternteile arbeiten, um sich das teure Leben im Landkreis leisten zu können. Das aber bedeute, dass die Therapeuten viel unterwegs seien und die Lebenshilfe immer mehr Dienstautos anschaffen müsse.

© SZ vom 28.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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