Heimat- und Geschichtsverein:"Den Finger in die Wunde legen"

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Einen Krippenweg hat der Heimat- und Geschichtsverein Neufahrn auch in diesem Jahr aufgebaut, Vorsitzender Ernest Lang hat dabei natürlich mitgeholfen, hier die Krippe beim Bahnwirt. (Foto: Marco Einfeldt)

Ernest Lang ist Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsvereins Neufahrn, der 2012 aus Protest gegen den geplanten Verkauf des Mesnerhauses entstanden ist. Doch der Verein will sich nicht auf dieses eine Projekt reduzieren lassen

Interview von Alexandra Vettori, Neufahrn

Ernest Lang war jahrelang beim Bayerischen Rundfunk für die Bayernberichterstattung und Großereignisse zuständig. Ehrungen bekam er nicht nur für seine Arbeit, er ist seit Jahrzehnten auch ehrenamtlich engagiert. So war er 47 Jahre aktives Mitglied der Neufahrner Feuerwehr und arbeitet seit mehr als 30 Jahren in der katholischen Kirche mit.

SZ: 2012 waren Sie maßgeblich an der Gründung des Heimat- und Geschichtsvereins Neufahrn beteiligt und sind noch heute Vorsitzender. Was war die Motivation?

Ernest Lang: Mich hat damals geärgert, dass die Gemeinde das denkmalgeschützte Mesnerhaus verkaufen wollte und ich habe mit meiner Position im Ort viel Zuspruch bekommen. Ohne dass ich mir je vorstellen konnte, dass ich mal einen Verein gründen würde, war ich plötzlich Vorsitzender. Wir wollten immer etwas mit der Gemeinde machen, nicht gegen sie. 2014 war dann Kommunalwahl. Bis dahin hatten wir so viel Aufmerksamkeit für das Thema Mesnerhaus, dass keiner der Bürgermeisterkandidaten für den Verkauf war. Heute hat der Verein über 100 Mitglieder.

War der Verein auch ein Versuch, einer schnell wachsenden Gemeinde wie Neufahrn ihre Wurzeln zu erhalten?

Das identitätsstiftende Merkmal ist natürlich enthalten. Neufahrn hat das Image der rasch gewachsenen, industriellen Vorstadtgemeinde. Aber Neufahrn hat eine lange Geschichte und war durchgehend besiedelt von 800 vor Christus bis heute. Kelten, Römer, Bajuwaren, die waren alle hier, bis zu den Flüchtlingen nach dem Zweiten Weltkrieg und den Flüchtlingen, die jetzt mit dem Syrien-Konflikt gekommen sind. Schon bei der Gründung des Vereins wollten wir uns nicht auf das Projekt Mesnerhaus einengen lassen. Der Verein hat in seiner Satzung bewusst eine Bandbreite von Betätigungsfeldern festgelegt. Das geht bei der Denkmalpflege los, weiter über Heimatforschung, Landschaftsschutz, bis hin zur baulichen Gestaltung der Gemeinde. Wir wollen kein Konkurrenz-Gemeinderat sein, erlauben uns aber schon, den Finger in die Wunde zu legen. Zum Thema Heimat gehört auch, dass wir einen eigenen Arbeitskreis für den gerade aufgebauten Krippenweg haben. Auch das Adventsmusizieren und ein offenes Wirtshaussingen im Februar gehören dazu.

Anlass für einen Diskussionsabend zur Baukultur war, dass das Neufahrner Bauamt den Abriss des alten Pfarrhofs genehmigt hat. Was hat den Verein da gestört?

Da haben wir das Gefühl gehabt, dass in Neufahrn etwas schief läuft. Dass nur noch Abstandsflächen, Stellplätze und die Einhaltung formaler Vorgaben maßgeblich für die Genehmigung von Bauprojekten sind. Das ist für uns keine Ortsentwicklung. Gott sei Dank hat der Gemeinderat das erkannt und steuert inzwischen dagegen. Also auch hier der Versuch, Anstoß von außen zu geben. Bewusst nichts gemacht haben wir beim Thema Alte Halle. Sie hatte in den 1920er bis 1950er Jahren eine große Bedeutung für Tanz- und Theaterveranstaltungen, war aber auch Veranstaltungsort für NSDAP-Kreiskundgebungen und später für Gewerkschaftsfeiern. Aber sie ist baulich so marode, das wir uns nicht für den Erhalt eingesetzt haben.

Haben Sie einen Rat, wie der Spagat zwischen Siedlungsdruck und Identifikations- und Freiräumen für Einheimische aussehen könnte?

Der Siedlungsdruck ist unbestreitbar da. Es ist nicht schön, dass ein junger Mensch, der in Neufahrn aufgewachsen ist und nichts erbt, keine Chance auf Wohnungseigentum hat. Aber das ist ein kompliziertes Thema. Im Moment setzt die Gemeinde auf Billigstunterkünfte, das ist auch wichtig. Aber wo immer es die Möglichkeit gibt, preisdämpfend zu wirken, muss sie das nutzen. Beim Pfarrhof hat das Bauamt, ohne den Gemeinderat einzuschalten, schon im Vorfeld signalisiert, dass eine maximale Baudichte genehmigungsfähig ist. Das hat den Quadratmeterpreis auf über 1400 Euro getrieben. Entsprechend teuer werden Wohnungen und Mieten sein. Aber ich beneide die Gemeinderäte und die Verwaltung nicht, dass sie mit diesem Spannungsfeld zurechtkommen müssen.

Zurück zum Mesnerhaus, da zieht es sich ja immer noch. Wie ist der aktuelle Stand?

Es ist ein furchtbar mühsamer Abstimmungsprozess. 2014 fiel der Grundsatzbeschluss zur Sanierung, jetzt wird seit mindestens drei Jahren geplant. Seit September liegt der Eingabeplan beim Landratsamt. Die Baugenehmigung ist noch nicht da, weil Brandschutz und Stellplatzfrage geprüft werden. Geplant ist ein behindertengerechter Aufzug auf der Ostseite und der Erhalt der Bausubstanz der alten Leonhardskapelle, aus der das Mesnerhaus entstanden ist. Unterkommen soll im Erdgeschoss die heimatkundliche Sammlung vom Ritter Sepp, also alte Schriften und Fotos aus Neufahrn, ein Teil des Uralt-Gemeinde-Archivs und Zeugnisse des Flughafen-Widerstands. Im ersten Stock wird ein multifunktionaler Veranstaltungssaal geschaffen. Wichtig ist, dass die Baugenehmigung bald kommt, möglichst noch vor Weihnachten, weil dringend ausgeschrieben werden muss. Was jetzt im Winter nicht bei den Firmen eingeht, wird im Frühjahr nicht gemacht. Die teilen sich jetzt die Arbeiten für das Jahr ein. Aber noch habe ich die leise Hoffnung, dass das Mesnerhaus zur Kommunalwahl 2020 fertig wird.

Es geistert immer wieder die Idee eines gemeinsamen Heimatmuseums der drei Südgemeinden Neufahrn, Eching und Hallbergmoos herum. Wie finden Sie das?

Da fehlt mir die Fantasie. In Eching gibt es ein gut funktionierendes Heimatmuseum, die brauchen kein gemeinsames. Es bestehen aber gute Kontakte zu den Heimatpflegern der Nachbargemeinden. Auch der gemeinsame Archivar von Neufahrn und Hallbergmoos ist ein gutes Signal. Hier wird die neue Archivarin jetzt erst einmal mit der Sichtung und systematischen Digitalisierung gut zu tun haben. Wichtiger als ein gemeinsames Heimatmuseum ist zum Beispiel die Zusammenarbeit mit den Schulen. So unterstützen wir in diesem Schuljahr ein P-Seminar am Oskar-Maria-Graf-Gymnasium über die Kelten in Neufahrn, eine spannende Angelegenheit.

© SZ vom 03.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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