Harmonisches Miteinander:Lebensschule in der "Senta"

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Neufahrner Fünftklässler sind regelmäßig in der Senioren-Tagesstätte zu Gast - davon profitieren Alt und Jung

Von Birgit Grundner, Neufahrn

Das mit der Rente würde die zwei Buben dann schon noch genauer interessieren. "Voll wenig" soll es ja sein, hat einer der beiden mal gehört. Und bei der Gelegenheit: Was kostet es die Leute eigentlich, wenn sie einen Tag lang die Senioren-Tagesstätte Senta besuchen wollen? Dass sich die Fünftklässler der Jo-Mihaly-Mittelschule über solche Fragen den Kopf zerbrechen, hat mit einem besonderen "Schulfach" zu tun: Jeden Montagnachmittag kommt ein Dutzend Kinder einer Ganztagsklasse in die Senta der Sozialstation, um sich mit den Besuchern zu unterhalten und zu spielen. Besonders beliebt: "Mensch ärgere dich nicht."

Wer gewinnt, ist am Ende nicht so wichtig, wie eine Seniorin schmunzelnd versichert: "Hauptsache, wir ärgern uns nicht." Ein bisschen Wettbewerb darf freilich schon sein: Bei den Puzzles geht es durchaus darum, wer am schnellsten fertig ist. Allerdings geben die Kinder der Konkurrenz schon auch Tipps. "Ich würde mit den Ecken anfangen, und wenn Sie mit einem Teil gar nicht weiterkommen, dann legen Sie es weg und probieren erst mal ein anderes", rät ein Mädchen - und versucht dann schnell, die verlorene Zeit wieder aufzuholen. Mit Erfolg: "Das war ja jetzt für mich eine große Blamage", findet ihre Spielpartnerin und lacht.

Seit mittlerweile sieben Jahren gibt es an der Neufahrner Mittelschule das Projekt, das bei den Kindern ausgesprochen beliebt ist, wie Lehrerin Petra Maier-Hundhammer erzählt. Viele hätten keine Großeltern in der Nähe, so die Pädagogin, und in der Senta könnten sie nun trotzdem mit alten Menschen ins Gespräch kommen und auch lernen, wie man sich ihnen gegenüber verhält.

Damit der Einstieg leichter ist, wird das zunächst mit Rollenspielen in der Schule geübt: Hände schütteln, sich vorstellen, sich nach Haustieren oder der Schule früher erkundigen - alles wird "trainiert". Senta-Leiter Martin Ehrhardt gibt dann noch ein paar wichtige Regeln vor: nicht laufen, nicht schreien und gleich Bescheid geben, wenn man mit einer Situation nicht umgehen kann - wenn zum Beispiel einer der Senioren vom Stuhl rutscht und deshalb Hilfe braucht.

Auch die Einrichtung profitiere von dem Projekt, betont er: Viele der Besucher hätten keine Enkel oder diese lebten weit weg. Der Besuch der Mittelschüler biete da zumindest ein wenig Ersatz und "es kommt Leben rein". Viele der Senioren in der Senta leiden an Demenz. Eine Frau etwa vergesse inzwischen eigentlich alles, erzählt Ehrhardt, aber wenn der Besuch der Kinder näher rückt, wisse sie das genau und freue sich sehr. Beim Spielen und Ratschen wurden auch schon richtige Freundschaften geschlossen. Ein Mädchen zum Beispiel hatte familiäre Probleme, erzählt Petra Maier-Hundhammer, in der Senta habe es sich einer Seniorin anvertraut, "und die hat ihr dann echt helfen können".

Auch Gegenbesuche von Senioren in der Schule wurden in der Vergangenheit schon organisiert. Da gab es dann zum Beispiel einen kleinen Wettbewerb im Kopfrechnen, berichtet Petra Maier-Hundhammer: "Da waren die Schüler ganz perplex, wie gut die alten Leute waren und sind ganz ehrgeizig geworden." Und die Senioren wunderten sich, wie "Unterricht heute" läuft - eben nicht mehr so streng und autoritär wie früher. Die Kinder wiederum sind manchmal ganz erstaunt, wenn sie hören, dass die Senioren als junge Leute genauso wie die Jugend heute zum Tanzen gegangen sind oder Feste gefeiert haben.

Gut eine Schulstunde lang dauern die Treffen in der Senta. Die meisten Senioren und Schüler setzen sich im großen Aufenthaltsraum zusammen In einem kleineren Raum ein paar Türen weiter gibt es außerdem eine "feste Herrenrunde" mit einem Besucher, der einen Liegesessel braucht und seine Beine hochlegen muss. "Das sind meine Ersatzenkel", sagt er lächelnd und deutet auf seine beiden Gäste. Zwischen sich haben sie ein Spielbrett aufgebaut. Ins Gespräch gekommen waren sie einst über den Anstecker einer Autofirma am Hut des Mannes. "Da hab ich ihn einfach darauf angesprochen", erinnert sich einer der beiden Buben. Wie es aussieht, war es der Anfang einer wunderbaren Freundschaft.

© SZ vom 18.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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