Hallbergmoos:Als Vorhut nach Pakistan

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Hilfe aus Hallbergmoos: Die Hilfsorganisation "Navis" will ein dreiköpfiges Team nach Pakistan entsenden, um Einsatzmöglichkeiten bei der Flutkatastrophe zu prüfen.

Caroline Ischinger

Den Rucksack hat sich Stephan Zobel locker über die linke Schulter gehängt, der Anflug eines Lächelns liegt auf seinen Lippen. Fast könnte man meinen, der Feuerwehrmann sei auf dem Weg in den Urlaub, würde er nicht ein blaues T-Shirt mit der Aufschrift "Navis, Germany" tragen. Die Hallbergmooser Hilfsorganisation hat Dienstagabend entschieden, ein dreiköpfiges "Fact Finding Team" nach Pakistan zu entsenden, um Einsatzmöglichkeiten bei der Flutkatastrophe zu prüfen.

Sie sollen prüfen, welche Einsatzmöglichkeiten es für "Navis, Germany" in Pakistan gibt: Walter Unger (von links), Stephan Zobel und Gerhard Schlenk. (Foto: Marco Einfeldt)

Erst wenige Minuten vor Ablauf der Check-In Zeit erscheinen die beiden Einsatzkräfte der Flughafenfeuerwehr, Stephan Zobel und Walter Unger, sowie Gerhard Schlenk, Arzt aus Hofkirchen, am Schalter der Fluggesellschaft Etihad. Das Unternehmen hat den Großteil der Kosten für den Flug über Dubai nach Islamabad übernommen. Vor dem Gate werden letzte Telefonate geführt, Kontaktlisten abgeglichen, Abschiedsworte gesprochen. "Ich habe nicht lange überlegt, ob ich mitfliegen soll", sagt Zobel.

Es sei ja für ihn nicht das erste Mal: Auch nach dem Tsunami 2004 und dem Erdbeben in Haiti im Januar dieses Jahres war der Goldacher bereits im Einsatz. Sein Ziel: "Ich möchte, dass wir bis Montag den Kollegen eine vernünftige Rückmeldung geben können, was sie packen sollen."

Läuft alles nach Plan, sind die drei Männer auf dem Weg nach Pakistan nämlich lediglich eine Art Vorhut. Innerhalb von fünf Tagen sollen sie der Einsatzzentrale von Navis bei der Münchner Flughafenfeuerwehr melden, welches Personal und Material im Krisengebiet benötigt wird und die nötigen Vorbereitungen treffen. "Daraufhin wird gleich ein Hilfsteam in Marsch gesetzt", kündigt Wolfgang Wagner, Vorsitzender von Navis, an - und zwar voraussichtlich am kommenden Montag. Diese erste richtige Einsatztruppe soll dann aus maximal zwölf Logistikern, Technikern und Medizinern bestehen und zunächst für zwei Wochen in Pakistan bleiben. Im Vordergrund steht Unterstützung im Bereich der Trinkwasserversorgung - Südchemie spendet eine Aufbereitungsanlage - und der medizinischen Versorgung.

Der Einsatzort werde "vermutlich an der südostlichen Grenze von Pakistan zu Indien liegen", sagt Wagner. Denn dort, so habe es von anderen Hilfsorganisationen geheißen, sei "überhaupt noch niemand". Die endgültige Entscheidung stehe jedoch noch aus und werde in Absprache mit der Deutschen Botschaft in Islamabad getroffen. Dort werden die Hilfsorganisationen aus Deutschland akkreditiert; für Navis wird außerdem noch ein Dolmetscher sowie ein Fahrer organisiert. Auch eine einheimische Hilfsorganisation muss als Kooperationspartner gefunden werden, auch hier laufen bereits Gespräche.

Seit drei Wochen - nach Beginn der schweren Flutkatastophe, die mittlerweile 20 Millionen Pakistaner betrifft, - wurde innerhalb des Vorstands von Navis über einen Einsatz debattiert. "Die Sicherheit unserer Leute hat oberste Priorität", betont Wagner. Deshalb kämen auch manche Einsatzorte innerhalb Pakistans nicht in Frage. Ein mulmiges Gefühl habe er aber nicht. Die Organisation gehe "ein kalkulierbares Risiko" ein, und schicke "die Besten, die wir haben" mit viel Erfahrung in das Katastrophengebiet.

Unbekannt seien lediglich die "kulturellen Begebenheiten" in Pakistan. Per Satellitentelefon können die drei Männer in den nächsten Tagen rund um die Uhr mit dem Lagezentrum in Kontakt treten. Erneut besteht hier eine enge Kooperation mit der Flughafenfeuerwehr: Navis wurde nach dem Tsunami 2004 gegründet; damals waren Feuerwehrmänner vor Ort. Dieses Engagement habe man "nicht verpuffen lassen" wollen, erklärt Wagner, und deshalb einen Verein gegründet.

Es sei schwer, "die einzelnen Katastrophen miteinander zu vergleichen", sagt Schlenk. Der Mediziner aus Hofkirchen war ebenfalls nach dem Tsunami, sowie in Haiti und im Libanon im Einsatz. Im Gepäck habe er hausärztliche Grundversorgung für das Einsatzteam, aber nicht für Patienten, denn ihre Aufgabe sei es zunächst, die Lage zu erkunden. Er erwarte in Pakistan "einfach Chaos". Auch Walter Unger aus Kirchheim steigt, wie er sagt, "mit gemischten Gefühlen" ins Flugzeug. Man reise ins "Ungewisse". Doch er fühle sich gut gewappnet, versichert der 44-Jährige.

"Seid nicht leichtsinnig", mahnt Wagner kurz vor Abflug und überreicht dem Team noch ein Geschenk. Im Gegensatz zu früheren Einsätzen verzichtet er auf einen christlichen Glücksbringer. Stattdessen begleitet die Männer nach Islamabad ein kleiner Stein mit einem Drachen, der "alles Böse abwenden soll".

© SZ vom 20.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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