Gericht in Freising:Der Versuchung erlegen

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"Gelegenheit macht eben Diebe": Der Mitarbeiter einer Echinger Sicherheitsfirma unterschlägt 79.000 Euro - und zeigt vor Gericht Reue.

Peter Becker

Es muss schon viel passieren, damit ein Atheist zum Beichten geht. So wie der 31-Jährige, der nun wegen Unterschlagung vor dem Freisinger Amtsgericht stand. Bis vor einem Jahr war er noch als Sicherheitskraft bei einer Firma in Eching beschäftigt. Dann fand er in einem Geldtransporter einen liegengebliebenen Behälter und behielt ihn. Darin befanden sich, wie sich später herausstellte, 79.000 Euro.

Der 31-Jährige kann sich bis heute nicht erklären, warum er der Versuchung nicht widerstand. "Gelegenheit macht eben Diebe", interpretierte die Staatsanwältin die Tat. Richter Jakob Wanderer sah es ähnlich. Er schätzte den Angeklagten nicht als abgebrühten Profi ein. Es habe sich um "einen zufälligen Griff" gehandelt, sagte er. Die Strafe für den 31-Jährigen beträgt neun Monate und ist zur Bewährung ausgesetzt. Bis zu jenem verhängnisvollen Tag führte der ehemalige Zeitsoldat ein vorbildliches Leben.

Er hatte sich für einen Einsatz in Afghanistan gemeldet, doch weil seine Wiedereingliederung ins Zivilleben bevorstand, wurde daraus nichts: Weil der Panzerführer eine schwere Operation über sich ergehen lassen musste, war sein Antrag auf Übernahme als Berufssoldat gescheitert. Bei seinem Abschied aus der Bundeswehr wurde er für seine vorbildlichen Dienste ausgezeichnet. Der Soldat fing nun bei einer Sicherheitsfirma in Eching an. Zu seinen Aufgaben gehörte es, zusammen mit einem Kollegen die Tageseinnahmen von Unternehmen einzusammeln.

Unter anderem auch am Flughafen, wo ein Geschäft aus der Touristikbranche einen im Fachjargon "Safetybag" genannten Behälter mit Bargeld übergab. Der 31-Jährige war an diesem Tag Fahrer. Sein Kollege reichte ihm nach Ende der Tour die Behälter aus dem Transporter. "Ich habe sie in einen Rollwagen geschlichtet und diesen dann in den Schleusentrakt gefahren", erzählte der Mann vor Gericht. Anschließend habe er das Auto auf einen Parkplatz gefahren und im Inneren die Kisten sortiert, in denen die Geldbehälter transportiert werden. Dabei habe er das Safetybag des Touristik-Unternehmens mit den 79.000 Euro gefunden.

"Ich hab es einfach eingesteckt", sagt er. Einen Grund, etwa eine drückende Schuldenlast, hatte er nicht. 5800 Euro gab der Mann sofort aus. "Für Sportgeräte", sagte er. An denen habe er sich auspowern wollen, um mit seinem schlechten Gewissen klarzukommen. Ihm sei klar gewesen, dass der Schwindel irgendwann auffliegen würde. Einen Monat später war es dann soweit: Die Geschäftsleitung konfrontierte ihn mit dem Vorwurf, er habe das Geld unterschlagen. "Erleichtert", sagt der Angeklagte, habe er sofort alles gestanden. Den Schaden machte er "zu 110 Prozent" wieder gut, wie Richter Wanderer in seiner Urteilsverkündung sagte.

Der Mann borgte sich Geld von seiner Oma, um die volle Summe zurückzahlen zu können. Außerdem beglich er den Zinsverlust des Unternehmens und zahlte die Kosten, die seiner Firma durch einen Ermittler entstanden waren. Sein Arbeitgeber verzichtete ob der vorbildlichen Kooperation sogar auf eine Strafanzeige.

Ein Jahr Freiheitsstrafe zur Bewährung verlangte die Staatsanwältin, weil "79000 Euro kein Pappenstiel" sind. Richter Wanderer verhängt neun Monate, weil der 31-Jährige dem Staat zuvor acht Jahre lang vorbildlich als Soldat gedient habe. Schwerer als das Urteil wiegt für den Mann freilich der einstweilige Bruch mit der Familie. "Der Vater ist von mir als seinem ältesten Sohn und Soldaten schwer enttäuscht", erzählt er seine Situation.

Auch seine Schwester und viele Freunde hätten sich von ihm abgewandt. Und weil er sich sein Verhalten bis heute nicht erklären kann, sucht der 31-Jährige nun kirchlichen und psychologischen Beistand.

© SZ vom 01.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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