Gelungene Premiere:Kein Entkommen in Hinterkaifeck

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Anna Barbara Grassl und Karlheinz Kirchmann. (Foto: lukasbarth.com)

Sechs Morde und kein Täter: Der Freisinger Theatergruppe "Werkstück" gelingt eine fesselnde Inszenierung von Reinfried Keilichs Theaterstück "Hinterkaifeck".

Von Katharina Aurich, Freising

Die Bauersfamilie Gruber lebte in Hinterkaifeck, einem Einödhof im Amtsbezirk Schrobenhausen, der längst abgerissen ist. Alle Mitglieder der fünfköpfigen Familie und die Magd wurden 1922 erschlagen. Von wem, ist bis heute nicht geklärt. Die Schuldfrage ist in dem beklemmenden Theaterstück, das der im vergangenen Jahr verstorbene Reinfried Keilich geschrieben hat, jedoch gar nicht so wichtig. Es ist vielmehr ein fesselnder Einblick in zerstörerische Familienstrukturen. Regisseurin Barbara Berger nutzte die Enge der kleinen Bühne unter dem Dach des Freisinger VHS-Gebäudes. Die Intensität, mit der die Schauspieler der Gruppe "Werkstück" ihre Figuren verkörperten, nahm die Zuschauer gefangen. So wie es auch kein Entkommen für die Familie Gruber gab, deren letzte Tage Keilich beschrieben hat.

Fast hatte man den Eindruck, mit am Küchentisch zu sitzen, wenn Altbauer Andreas Gruber (Karl-Heinz Kirchmann), den Raum betrat und ihn mit seiner kräftigen Gestalt ausfüllte. Er hatte den Hof zwar schon an seine Tochter Viktoria (Anna-Barbara Grassl) übergeben, tyrannisierte aber dennoch seine Familie und missbrauchte regelmäßig mit Wissen seiner Frau, der Altbäuerin Cäzilie Gruber (Irene Trübenbacher-Breibeck), seine Tochter.

Wurde er wieder aggressiv, begannen die Frauen reflexhaft zu beten. Verhärtet waren dann ihre die Gesichter, starr ihr Ausdruck. Die Dialoge sind auf Bayerisch verfasst, was die Eindringlichkeit der Figuren noch verstärkte, aber man musste genau hinhören, um jede Feinheit zu verstehen. Zwischen den Szenen lasen Corinna Struck und Carola Rosemarie Böhme auf Hochdeutsch aus Zeitungsartikeln, die sich nach den Morden mit der Tragödie in Hinterkaifeck befassten. Die Familie hatte schon einige Tage vor dem Mord bemerkt, dass jemand um das Haus schlich. Für die Frauen konnte das nur der Teufel sein, für den Altbauern ein Einbrecher, dem er mit seiner Spitzhacke zu Leibe rücken wollte. Ein Lichtblick im freudlosen, von der Arbeit bestimmten Alltag der Grubers war der fröhliche Nachbarsknecht Michael Plöckl (Simon Gobmeier), der gerne mal vorbeischaute, auf seiner Mundharmonika spielte und es sowohl auf die Hofbesitzerin, deren Mann nicht mehr aus dem Krieg heimgekommen war, als auch auf deren Tochter abgesehen hatte. Nur knapp entrann er den Schlägen des Altbauern. Denn wer nichts hatte, kam als Mann für eine Bäuerin nicht in Frage. Die große weite Welt drang mit dem Postboten Josef Mayer (Robert Leutner) in die enge Küche. Er verkündete, dass der Altbauer und seine Tochter zum Pfarrer vorgeladen werden. Offensichtlich hatte doch jemand das eiserne Schweigen gebrochen und vom Inzest berichtet.

Für die fünf Mitglieder der Familie Gruber und für die Magd Maria Baumgartner (Julia Schembera) gab es kein Entrinnen. Alle wurden erschlagen. Einer nach dem anderen ging am Abend des 31. März zu den Kühen, die man aus dem Off hörte. Jeder wollte nachsehen, warum die Tiere so unruhig waren. Ein kurzer Schrei und das nächste Familienmitglied verschwand.

Weitere Vorstellungen: Donnerstag, 19., Freitag, 20., und Samstag 21. Oktober, sowie Donnerstag, 26., Freitag, 27., Samstag, 28., und Montag, 30. Oktober, jeweils um 20 Uhr. Karten: 0 81 61/49 070.

© SZ vom 17.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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