Führungswechsel:Hilfe in allen Notlagen

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Viel Leid, aber auch viel Anteilnahme an den Schicksalen von Menschen hat Rosemarie Obermeier in den vergangenen drei Jahrzehnten als Leiterin der Nachbarschaftshilfe mitbekommen. (Foto: Marco Einfeldt)

Nach drei Jahrzehnten an der Spitze gibt Rosemarie Obermeier den Vorsitz der Zollinger Nachbarschaftshilfe ab, die sie selbst gegründet hat. Viele Schicksale sind ihr in der ganzen Zeit begegnet

Von Katharina Aurich, Zolling

Tragische Unglücksfälle in Zolling haben einst den Ausschlag für die Gründung der Nachbarschaftshilfe (NBH) gegeben. Zum Beispiel das Schicksal von vier Kindern, deren Eltern tödlich verunglückt waren. Ihnen habe geholfen werden müssen, erinnert sich Rosemarie Obermeier, die damals die Nachbarschaftshilfe ins Leben gerufen hatte. Nach drei Jahrzehnten an der Spitze hat die 69-Jährige die Leitung nun an Manuela Flor abgegeben.

Die Anforderungen an die Frauen der NBH hätten sich in den vergangenen 30 Jahren laufend verändert, sagt Rosemarie Obermeier. Anfangs hätten sie Kurse in häuslicher Pflege absolviert und dann Familien bei der Pflege von bettlägerigen Angehörigen unterstützt. Der damalige Landrat Ludwig Schrittenloher habe den Frauen noch ausgemusterte Kittel aus dem Krankenhaus besorgt, damit sie passend gekleidet an die Krankenbetten hätten treten können. Als vier Kinder dann ihre Eltern bei einem Autounfall verloren hatten, sorgte Rosemarie Obermeier dafür, dass sie zu Hause bleiben konnten. Nach einem Brand in Oberappersdorf hätten die Mitglieder der Nachbarschaftshilfe den Überlebenden das Notwendigste ins Krankenhaus gebracht, erinnert sie sich. Oftmals seien ihr diese Schicksale sehr an die Nieren gegangen, erzählt sie.

Vorbild für die Gründung der NBH Zolling im Jahr 1985 als Ableger der Katholischen Frauengemeinschaft sei die Nachbarschaftshilfe in Allershausen gewesen, die sich um die Opfer von Autobahnunfällen gekümmert habe, erklärt Rosemarie Obermeier. Auch als Spätaussiedler aus Osteuropa nach Thalham gekommen seien, seien die Frauen der Nachbarschaftshilfe zur Stelle gewesen und hätten ihnen Kochplatten besorgt, damit sich die Neuankömmlinge selbst versorgen konnten.

"Wir haben uns immer den Gegebenheiten angepasst," sagt Rosemarie Obermeier. Daher seien die Ziele und Aufgaben in der Satzung der NBH, die sich vor einem Jahr von der Katholischen Frauengemeinschaft getrennt habe und nun ein eigener Verein sei, allgemein gehalten. Höhepunkt seien einige Jahre lang die Benefizmodenschauen gewesen, um Spenden zu sammeln.

Die Mitglieder der NBH gründeten 1991 die Kleiderkammer im Zollinger Pfarrheim, wo sich jeder mit günstiger Kleidung versorgen kann. Die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen haben jetzt, nachdem 150 Flüchtlinge in Zolling leben und das Angebot nutzen, alle Hände voll zu tun. Vor vier Jahren begann Rosemarie Obermeier zudem, Sprachkurse für türkische Frauen in Zolling zu organisieren, denn "Integration funktioniert nur, wenn man die Sprache beherrscht". Es sei ihr immer wieder aufgefallen, dass türkische Frauen bei Arztbesuchen oft ihre Männer zum Übersetzen dabei gehabt hätten. Aber von zehn Kursteilnehmerinnen seien bald nur noch zwei erschienen. Der Stoff sei ihnen zu schwer, hätten diese Frauen ihr Fernbleiben begründet. Daher begann Rosemarie Obermeier, sich auf deren Kinder zu konzentrieren und organisierte in der Zollinger Schule Deutschunterricht.

Die Bereitschaft der Zollinger Bürger, dabei zu helfen, sei überwältigend gewesen, erinnert sich Rosemarie Obermeier. Niemand, den sie angesprochen habe, habe abgelehnt. So entstand auch das "Projekt Sprachpaten" an der Zollinger Schule, das inzwischen zwei Räume in der Bibliothek mit Büchern, Spielen und PCs bezogen hat. Natürlich werden dort die geflüchteten Kinder, die in Zolling in der Asylunterkunft leben, unterstützt. Deshalb werden dringend weitere Sprachpaten gesucht, die ein oder zwei Stunden in der Woche ein Kind unterrichten. Das Sprachpaten-Projekt habe noch einen weiteren positiven Effekt, so Rosemarie Obermeier, denn dadurch seien jüngere Frauen zur Nachbarschaftshilfe gekommen.

Die Leitung des Vereins hat jetzt Manuela Flor übernommen, Zweite Vorsitzende ist Bettina Götz, Schriftführerin Regina Albert und Kassier Renate Schwabe. Rosemarie Obermeier hat nun mehr Zeit für ihre vier Enkel. Außerdem freue sich darauf, ihrem Mann Franz bei der Pflege seiner Bienenvölker zu helfen. "Pfingsten werden wir gemeinsam die Schwärme einsammeln", erzählt sie.

© SZ vom 03.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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