Ehrenamt:Eine Frage der Wertschätzung

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Auch beim Orkantief Sabine 2020 waren die freiwilligen Helfer von Feuerwehr und THW im Einsatz. Hier ersetzen sie in Freising die heruntergewehten Ziegel auf einem Kirchendach. (Foto: Marco Einfeldt)

In Aschaffenburg werden die Feuerwehrler künftig von ihrem Engagement durch eine Zusatzrente profitieren. In Freising und Erding sind die Meinungen dazu sehr unterschiedlich, konkrete Pläne gibt es bisher keine.

Von Gudrun Regelein, Erding/Freising

Die Stadt Aschaffenburg ist bayernweit die erste Kommune, die eine Feuerwehrrente einführen wird. Für die Feuerwehrler wird ein Altersversorgungsvertrag abgeschlossen. Das Rentenmodell soll einen nachhaltigen und innovativen Ansatz der Ehrenamts-Förderung darstellen - und einen monetären Anreiz für ein langfristiges Engagement bieten. In Erding und Freising sind die Meinungen dazu unterschiedlich.

Thüringen führte die Feuerwehrrente bereits 2009 landesweit ein. Der bayerische Landesfeuerwehrverband würde sich das auch wünschen, Ziel ist für ihn eine möglichst flächendeckende, einheitliche und bayernweite Einführung. Erdings Kreisbrandrat Willi Vogl dagegen hält nichts von einer Feuerwehrrente nach dem Gießkannenprinzip. Die Feuerwehren hätten sehr unterschiedliche Größen, sagt er. Die Zahl der Einsätze und der Stundenaufwand differierten stark. Generell jedem eine Rente zu geben, sei unsinnig. "Das muss man sich immer individuell anschauen", sagt Vogl. In einigen Gemeinden im Landkreis Erding gebe es zudem bereits "Zuckerl", um die Aktiven bei der Stange zu halten. Die Stadt Erding beispielsweise hat einen Anerkennungsfonds gegründet. "Frage ist, wie sich das in der Zukunft gestalten kann", sagt Vogl. "Das wird angesichts der knappen Kassen eher mau werden." Den Kommunen gehe zunehmend das Geld aus.

Bis zu 50 000 Einsatzstunden

Pläne, eine Feuerwehrrente einzuführen, existierten in der Stadt Erding aktuell keine, sagt Pressesprecher Christian Wanninger. "Stattdessen hat der Erdinger Stadtrat einen sogenannten Anerkennungsfonds geschaffen, durch den den drei Feuerwehren im Stadtgebiet jährlich Geld zur eigenen Verwendung zur Verfügung gestellt wird." Die Stadt verstehe den Fonds als Zeichen der Anerkennung und des Dankes für den unermüdlichen Einsatz der ehrenamtlichen Feuerwehrler. "Durch sie ist ständige Hilfe in Notfällen gewährleistet", betont Wanninger.

Kreisbrandrat Vogl betreut insgesamt 68 Feuerwehren, die 3600 Feuerwehrmänner und -frauen leisten zwischen 45 000 und 50 000 Einsatzstunden im Jahr. Noch gebe es keine Nachwuchsprobleme, im Gegenteil, berichtet Vogl. Ob das künftig aber so bleiben wird, wisse er natürlich nicht. Falls nicht mehr genügend Ehrenamtliche gefunden werden, müsse über Anreize nachgedacht werden. "Das könnten Rentenpunkte oder aber auch Zusatzversicherungen sein." Falls es aber irgendwann tatsächlich keine Freiwilligen Feuerwehren mehr geben sollte, könnten Pflichtfeuerwehren gebildet werden: Bürgerinnen und Bürger zwischen 18 und 65 Jahren würden dann zwangsverpflichtet.

Keine Neiddebatte

"Die Entscheidung der Stadt Aschaffenburg war richtig - und wichtig", sagt Florian Wöhrl, Pressesprecher der Freiwilligen Feuerwehr Freising. Es sei schließlich im Interesse der Kommunen, die Ehrenamtlichen bei der Stange zu halten. Tatsächlich zählt die Feuerwehr bayernweit derzeit rund 326 000 Aktive, darunter sind 315 000 Ehrenamtliche, die in etwa 7500 Freiwilligen Feuerwehren aktiv sind. Eine Neiddebatte erwartet Wöhrl wegen der Rente, die die Feuerwehrler bekommen sollen, nicht. Denn: Die Feuerwehr sei die einzige kommunale Pflichtaufgabe, die flächendeckend von Ehrenamtlichen erledigt werde. "Das ist der große Unterschied zu anderen ehrenamtlichen Tätigkeiten - wie bei der Tafel."

Ende 2021 zählte die Freiwillige Feuerwehr Freising 343 Mitglieder, davon waren 234 im aktiven Einsatzdienst. Die Aktiven leisteten etwa 20 000 Arbeitsstunden, davon ein Drittel in den 407 Einsätzen. "Noch haben wir keine Nachwuchsprobleme - aber die Fluktuation ist hoch." Der Landkreis Freising sei sehr hochpreisig, viele erfahrene Feuerwehrler ziehen in das Umland. Perspektivisch sei das schwierig. "Auch die Stadt Freising muss sich da in den kommenden Jahren Gedanken machen - am besten mit uns gemeinsam."

Kein Alleingang der Stadt Freising

Die Freiwillige Feuerwehr sei für Freising unverzichtbar, heißt es dazu aus dem Rathaus. "Über die Gefahrenabwehr hinaus, aber auch ausdrücklich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, wie er im Ehrenamt begründet ist und eben dieses Ehrenamt auszeichnet", sagt Pressesprecherin Christl Steinhart. Beim Thema Feuerwehrrente seien keine kommunalen Einzelentscheidungen, sondern bundes-, mindestens aber landesweit einheitliche Lösungen erforderlich, um die ehrenamtlichen Einsatzkräfte im Rahmen eines staatlichen Systems zu unterstützen. In Thüringen wurde eine zusätzliche Altersvorsorge für aktive Angehörige der Freiwilligen Feuerwehren vom Landtag beschlossen. "Ein kommunaler Alleingang verbietet sich nach unserem Verständnis also aufgrund der politischen Zuständigkeit und würde überdies zu einer schwierigen Konkurrenzsituation mit benachbarten Freiwilligen Feuerwehren führen", erklärt Steinhart.

Für Michael Wüst, den Ortsbeauftragten des Technischen Hilfswerks, dagegen ist die Entscheidung der Stadt Aschaffenburg "absolut richtig". "Das war ein hervorragender Schritt. Die Lösung war super." Viele Vereine und Organisationen - wie die Freiwilligen Feuerwehren oder das Technische Hilfswerk - übernehmen eigentlich staatliche Aufgaben. Die Feuerwehrrente sei eine "griffige, werthaltige Anerkennung". Er wolle grundsätzlich kein Geld für das, was er tut, betont Wüst. "Es geht mir um Wertschätzung. Der Charme einer Rente ist, dass dabei kein Geld gegeben wird."

Eine Rente für bestimmte ehrenamtliche Helfer konterkariere für ihn nicht das Ehrenamt. Wer sich intensiv ehrenamtlich engagiere, nehme Nachteile in Kauf, werde beispielsweise die Karriereleiter weniger weit hochkommen. Wüst investiert im Jahr eine vierstellige Stundenzahl in das Ehrenamt, ist damit aber nicht der Einzige. Die etwa 100 Mitglieder im Technischen Hilfswerk Freising leisteten im Jahr etwa 35 000 Arbeitsstunden, das seien pro Nase 44 Arbeitstage, berichtet Wüst. Eine Rentenzusatzleistung für diejenigen, die eigentlich staatliche Aufgaben erfüllen, findet er legitim, der Gleichheitsgrundsatz greife hier nicht. "Es ist etwas anderes, ob jemand ehrenamtlicher Fußballtrainer ist oder auf einem aufgeweichten Damm steht und versucht zu retten, was noch zu retten ist - und dabei manchmal sogar das Leben riskiert." Passieren aber müsse etwas: "In 20 Jahren wird es so, wie es momentan läuft, nicht mehr funktionieren. Es stünde der Politik gut zu Gesicht, dieses Thema zu diskutieren."

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