Freisinger Wohnungsmarkt:Einfach nur hoffnungslos

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1102 Sozialwohnungen hat die Stadt Freising derzeit. Dazu gehören auch diese an der Rotkreuzstraße. Doch das reicht einfach nicht. (Foto: Marco Einfeldt)

Die Mieten steigen weiter, Geringverdiener haben auf dem Freisinger Wohnungsmarkt kaum eine Chance und es gibt immer mehr Zwangsräumungen. Der jährliche Vergabebericht des städtischen Sozialamts hat Züge eines Trauerspiels.

Von Kerstin Vogel, Freising

Die Mieten sind noch weiter gestiegen, Empfänger von Sozialleistungen haben kaum mehr eine Chance auf dem freien Wohnungsmarkt. Die Zahl der Zwangsräumungen ist ebenfalls weiterhin steigend - und die Stadt hat 2015 nur noch 28 Bewerbern vom freien Wohnungsmarkt eine geförderte Wohnung zuweisen können (2014: 50). 27 Haushalte mussten in Notunterkünften untergebracht werden. Das ist - knapp zusammengefasst - die Aussage des alljährlichen Vergabeberichts, den das Sozialamt am Dienstag im Finanzausschuss vorgelegt hat.

Was hinter den nüchternen Zahlen steckt, ließ Amtsleiter Robert Zellner nicht unerwähnt: "Viele Wohnungsuchende sind verzweifelt, weil sie keine Wohnung in Freising finden, und fühlen sich benachteiligt", heißt es in seinem Bericht. Aufgrund der sich verschärfenden Situation auf dem Wohnungsmarkt sei zudem "eine erhöhte Aggression der Wohnungssuchenden bei der Vorsprache feststellbar". Die Vergabestelle könne den Betroffenen nur raten, ihre Suche auf Bereiche zu erweitern, in denen es für sie bezahlbaren Wohnraum gebe, schilderte Zellner, nicht ohne die Problematik anzufügen: Diese Bereiche seien meist weit von Freising entfernt. Vielfach sei das mit dem Verlust von Arbeitsplatz und sozialem Umfeld verbunden.

Konkret kann die Stadt Freising derzeit über einen Bestand von 1102 Wohnungen verfügen. Zwischen 1. November 2014 und 30. November 2015 wurden insgesamt 123 Zuweisungen derartiger Wohnungen im Sozialamt registriert. In 75 Fällen wurden dabei jedoch Wohnungen getauscht, außerdem wurde 20 Bewohnern von Notunterkünften eine geförderte Wohnung zugewiesen, so dass für Bewerber vom freien Markt am Ende 28 Wohnungen blieben.

Die Gesamtzahl der Bewerber belief sich zum 1. Dezember 2015 auf 168. Das sind zwar weniger als vor einem Jahr, als man noch 274 Namen auf der Liste stehen hatte. Über den tatsächlichen Bedarf sagen diese Zahlen jedoch nichts aus, weil die Stadt nur noch Wohnungsanträge für einen Tausch angenommen hat - oder wenn eine Zwangsräumung nicht abzuwenden war. Der Finanzausschuss hatte bereits im Februar 2014 entschieden, nur noch bayernweit gültige Wohnberechtigungsscheine auszustellen, weil in den nächsten fünf bis sieben Jahren ohnehin für niemanden die Chance auf eine Sozialwohnung bestehen würde - so lang sind die Wartelisten.

Dabei gehört die Stadt Freising zu den wenigen Kommunen im Landkreis, die überhaupt noch in den sozialen Wohnungsbau investieren. So wurden in den vergangenen fünf Jahren mehr als 20 Millionen Euro aufgebracht, um vorhandene Wohnungen zu sanieren und neue zu bauen. Trotzdem gibt es Problemfälle wie etwa die Wohnungen an der Oberen Pfalzgrafstraße, auf die Eva Bönig (Grüne) am Dienstag hinwies: Hier sollte eigentlich niemand mehr wohnen, weil die Wohnungen nicht mehr den gesundheitlichen Standards entsprächen, sagte sie. Tatsächlich werde an der Oberen Pfalzgrafstraße nicht mehr neu vermietet, wenn jemand ausziehe, sagte Zellner. Man könne die übrigen Wohnungen jedoch nicht räumen, weil man den Mietern keinen Ersatz anbieten könne.

Linken-Stadtrat Eckhardt Kaiser erklärte, man habe "nicht zu wenig Wohnraum, sondern zu wenig bezahlbaren Wohnraum" und erneuerte die Forderung nach einem Mietspiegel für Freising - offenbar in Unkenntnis der Tatsache, dass der Finanzausschuss die Einführung dieses Instruments erst Ende November mit 7:6 Stimmen abgelehnt hat.

Einigkeit herrschte am Dienstag, dass die Stadt Freising das Problem nicht alleine wird lösen können. Es sei "ein Riesenproblem", dass der Landkreis beim sozialen Wohnungsbau nicht vorankomme, sagte beispielsweise Heidi Kammler (SPD), während Hans Hölzl seine Verärgerung über den Münchner Flughafen mit seinen Expansionsplänen zum Ausdruck brachte. Wenn jetzt unter anderem auch die IHK so dringend für die dritte Startbahn werbe, empörte er sich, "dann sollen die auch mal sagen, wo die Menschen zu den 20 000 neuen Arbeitsplätzen wohnen sollen". Statistiken zufolge würden sieben Prozent der Beschäftigten am Flughafen in Freising wohnen wollen: "Aber damit werden wir hübsch alleine gelassen." Die Ankündigung der Flughafengesellschaft, 600 Mitarbeiterwohnungen bauen zu wollen, beeindruckt die Stadträte dabei auch nicht all zu sehr. Rosi Eberhard (Grüne): "Das ist angesichts der Zahlen ein Witz."

© SZ vom 17.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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