Freisinger Trendladen für Fahrradfreaks:Radkultur aus Leidenschaft

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2020 war für Michael Freidank ein regelrechtes Boomjahr. Der Inhaber des Geschäfts "Velosoph" hat es teilweise gar nicht mehr geschafft, der Nachfrage nach Fahrrädern und Zubehör hinterher zukommen

Von Gudrun Regelein, Freising

Michael Freidank ruft vom Flughafen München aus an. Dort arbeitet der 40-Jährige als Fluglotse in der Luftraumüberwachung - in Teilzeit. Sein zweites Standbein ist der "Velosoph" in Freising. Ein trendiger Laden, in dem "Radkultur aus Leidenschaft" gelebt wird, und den er gemeinsam mit seiner Frau Julia führt.

Seit gut acht Wochen hat der Laden im zweiten Lockdown wieder zu, Räder oder Fahrradbekleidung werden hier momentan nicht verkauft. Aber beklagen mag sich Freidank dennoch nicht. "Die Fahrradsaison ist im Winter eh immer ruhiger als in den anderen Jahreszeiten", sagt er. "Außerdem dürfen wir ja noch den Werkstattbetrieb aufrecht erhalten. Richtig langweilig ist es uns nicht wirklich." Außerdem gebe es schon jetzt viele Interessierte, die sich wegen eines neuen Rades für die kommende Saison informieren und beraten lassen - momentan Online oder per E-Mail. Im Sommer nämlich ist es wegen der explodierenden Nachfrage zu Lieferengpässen und extrem langen Wartezeiten für ein neues Rad gekommen, das ist unter den Fahrradfreaks bekannt. "Von Flaute kann ich also nicht sprechen", sagt Freidank.

Er war aber auch kreativ, hat sich Alternativen ausgedacht, um auch während des Lockdowns noch Umsatz zu machen, wenn auch nur einen geringen. So bot er schon im Frühjahr einen Lieferdienst an und transportierte Ware mit dem Lastenrad. Das allerdings sei nicht besonders gut gelaufen, viele Läden hätten nämlich einen eigenen Lieferservice gehabt, berichtet Freidank. Seit einigen Tagen nun bringt er Interessierten wieder eine Probierkiste mit Fahrradbekleidung nach Hause und stellt sie dort vor der Tür ab. Die Kleidung können seine Kunden dann in aller Ruhe anprobieren, die nicht gekaufte holt Freidank wieder ab. Riesige Gewinne erziele man dabei zwar nicht, sagt er. Aber Eigeninitiative werde immer belohnt. "Wir bleiben sichtbar, bleiben den Leuten im Kopf - und bestenfalls nicht mehr austauschbar zu sein, ist wichtig."

Überhaupt, die Kunden. Das sind in den meisten Fällen Bekannte, die Freidank von den gemeinsamen Radtouren oder dem gemeinsamen Kaffeetrinken kennt. Denn im "Velosoph" geht es nicht nur um edle Räder, hochwertige Bekleidung und andere Bikeaccessoires - sondern es gibt dort auch eine Kaffeeecke. Die wollte Freidank unbedingt, ihm ging es nie nur um das Verkaufen, er wollte einen Treffpunkt für Radler aufbauen und eine Anlaufstelle sein, erklärt er. "Das Zusammenkommen, der Austausch gehört einfach dazu. Wir sind eine Community", betont Freidank. Der gebürtige Berliner fährt selbst seit vielen Jahren Rad. Sein Bruder ist ein begeisterter Radfahrer, so entdeckte auch er diesen Sport, der für ihn inzwischen zu seinem Alltag gehört.

Eigentlich war sein Plan, sich ganz auf den "Velosoph" zu fokussieren und seinen Job am Flughafen aufzugeben. Nach diesem Jahr aber ist er "richtig froh", das nicht getan zu haben. "Das nimmt sehr viel Druck von mir. Zu wissen, dass jeden Monat zuverlässig Geld auf meinem Konto einbezahlt wird." So kann er sich die momentane wirtschaftliche Entwicklung etwas entspannter ansehen als jemand, der davon vollständig abhängig ist. Nach wie vor könne er sich zwar vorstellen, seine Arbeitszeit als Fluglotse noch mehr zu reduzieren, um mehr Zeit für den "Velosoph" zu haben - aber nicht zu hundert Prozent. "Wenn es okay ist, an einem Tag mal nichts zu verkaufen, dann nimmt das enorm Druck", sagt er.

Corona hat viel kaputt gemacht, viele Existenzen sind bedroht - aber Michael Freidank gehört nicht dazu. Im Gegenteil: "2020 war für uns ein hervorragendes Jahr." Teilweise habe er es nicht mehr geschafft, die Nachfrage nach Rädern zu erfüllen. "Wir waren auf diesen Ansturm nicht vorbereitet", sagt er. Auch 2021, wenn sich hoffentlich wieder alles normalisiert hat, erwartet er sich eine anhaltende Nachfrage - alleine schon, da der lokale und regionale Tourismus boomen werde, meint Freidank. Dazu komme die positive Mobilitätsentwicklung hin zum Rad, Lastenräder beispielsweise seien im Trend. Das Radfahren in der Freizeit wurde in diesem Jahr wiederentdeckt, "es boomt." Die Versorgung mit Rädern und Ersatzteilen werde eher das Problem sein, fürchtet Freidank. "Man kann halt nicht eben mal in Taiwan bei einem Produzenten anrufen und sagen, mach noch mal. Die Produktion für 2021 ist schon durch." Die Großhändler wären zwar versorgt, die kleinen Radläden, so wie der "Velosoph", seien bei der Belieferung die Verlierer. Im Corona-Jahr hat sich etwas Grundlegendes verändert, sagt Freidank. "Inzwischen geht es nicht mehr darum, einen Kunden für ein Fahrrad zu finden, sondern darum, ein Fahrrad für den Kunden zu finden."

© SZ vom 31.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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