Allerheiligen in Zeiten von Corona:"Das gemeinsame Trauern fällt leider weg"

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Pfarrvikar Christian Stumpf ist geschäftsführender Dekan und Pfarrvikar in St. Jakob. (Foto: Privat)

Der Freisinger Pater Christian Stumpf erklärt die Pandemie-bedingten Einschränkungen für die Gläubigen in diesem Jahr.

Interview von Sara Livadas, Freising

Das christliche Fest Allerheiligen steht kurz bevor. Doch wie kann ein solcher Feiertag überhaupt während einer Pandemie begangen werden? Pater Christian Stumpf, geschäftsführender Dekan und Pfarrvikar der Pfarrei St. Jakob, geht im Gespräch mit der SZ auf die Aufgabe und die Möglichkeiten der Kirche während der Corona-Krise ein.

SZ: Welche Bedeutung haben die Feiertage Allerheiligen und Allerseelen für die Christen?

Christian Stumpf: Allerheiligen und Allerseelen sind eigentlich zwei unterschiedliche Feste. Allerheiligen ist, wie der Name schon sagt, das Fest aller Heiligen. Also ein Tag für alle, die heilig gelebt haben und denen die Kirche die "Auszeichnung" der Heiligkeit zugesprochen hat. Das sind Menschen, die vorbildhafterweise dazu beigetragen haben, dass die Welt ein Stückchen besser geworden ist. Und es gibt sicherlich viele heilige Christen oder andere vorbildlich lebende Menschen, die wir gar nicht unbedingt namentlich kennen. Viele von uns kennen nur die "Großen", wie den Heiligen Nikolaus oder den Heiligen Martin. Letzterer ist ja sehr bekannt wegen der Laternenumzüge und seiner Mantelteilung. Ein typisch christliches Zeichen, sich für andere einzusetzen, den Mantel zu teilen, auch wenn das für einen selbst mal von Nachteil sein kann.

Wenn man an Allerheiligen der Heiligen gedenkt, warum sucht man dann die Gräber der Verstorbenen auf?

Die Feste Allerheiligen und Allerseelen haben unterschiedliche Inhalte und wurden eigentlich in der Kirchengeschichte oft getrennt gefeiert. Aber im Laufe der Geschichte hat man dann diese zwei Tage zusammengebracht, vielleicht auch aus ganz praktischen Gründen: Allerheiligen ist als christliches Hochfest ein Feiertag und daher auch innerhalb der Arbeitswoche normalerweise frei. Dieses Jahr fällt Allerheiligen ja ohnehin auf einen Sonntag. Allerseelen hingegen ist eigentlich kein hoher Feiertag, sondern ein Werktag. Man hat daher die beiden Feste zusammengelegt, damit alle Zeit haben, auf die Gräber zu gehen, zu trauern und ihrer Verstorbenen zu gedenken.

Viele Kirchen im Landkreis halten die Gräbersegnungen dieses Jahr geheim oder sagen Corona-bedingt die Gottesdienste ab. Wie handhaben Sie das in Ihrer Pfarrei - und wie sehr trifft dieser Umstand die Gläubigen?

In diesem Jahr ist es so, dass wir Prozessionen bei kleineren Kirchen mit gut begehbaren Friedhöfen, auf denen die Laufrichtungen leicht einhaltbar und klar sind, durchführen. Bei großen Friedhöfen, bei denen das nicht der Fall ist, mussten wir diese leider absagen. Die Gräber werden trotzdem von einem Priester oder Diakon gesegnet, aber eben nicht in einer gemeinsamen gottesdienstlichen Feier. Das ist schon für viele ein großer Verlust. Natürlich darf trotzdem jeder sein persönliches Grab besuchen, es geht einfach hauptsächlich darum, die Besuche zeitlich besser zu verteilen und größere Ansammlungen an Menschen zu vermeiden. Was dadurch leider wegfällt, ist das gemeinsame Trauern und Erinnern. Gerade durch den Austausch denkt man gemeinsam an den Verstorbenen und ist in seiner Trauer nicht allein gelassen. Das macht ja Kirche gerade aus: Sorgen und Freuden zu teilen. Wir haben jetzt auch online die Gebetstexte zur Verfügung gestellt und legen sie in der Kirche aus, damit man wenigstens die Möglichkeit hat, selbst am Grab ein Gebet oder einen Segenswunsch zu sprechen.

Gottesdienste dürfen trotz Corona immer noch stattfinden. Wie sehen Sie die Möglichkeiten und die Aufgabe der Kirche während der Pandemie?

Unsere Gottesdienste halten sich an die Vorgaben von Land und Gesundheitsämtern. Sicherheitsabstand, Maskenpflicht und feste Laufwege - darauf achten wir. Denn wir wollen die Menschen, die zu uns kommen, schützen. Wir haben Ordnungsdienste eingeteilt, die darauf achten, wie viele Leute in die Kirche hineindürfen, damit die Hygienemaßnahmen eingehalten werden können. Aber dadurch sind wir natürlich auch stark eingeschränkt. Die Kirche in Zeiten von Corona sehe ich als Chance, auch in schweren Zeiten ein Ort zu sein, an dem man zusammenstehen darf und im Gebet miteinander verbunden ist. Unsere Aufgabe ist es, den Leuten einfach zur Seite zu stehen und Hoffnung zu geben. Da ist es manchmal auch schwierig, dass wir gerade die älteren Leute aus Rücksicht nicht besuchen dürfen. Es ist immer ein Abwägen zwischen Nähe und Distanz. Auf der einen Seite möchte man die Leute schützen, auf der anderen sagt man ja auch, die Nähe hat etwas Heilsames. Es leidet nicht nur der Körper, sondern oft auch die Seele an Einsamkeit. Das Gebet soll Verbindung schaffen auch mit denen daheim.

© SZ vom 31.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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