Freisinger Lukasbild in Venedig:Hoffnung der Hoffnungslosen

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Die Silberretabel aus dem Jahr 1629 mit der von Engeln getragenen Freisinger Lukasikone. Der Evangelist Lukas soll der Legende nach das Freisinger Lukasbild gemalt haben - nun bekommt die wertvolle byzantinische Marienikone eine Ausstellung in Venedig. (Foto: dpa)

Eine Ikone aus Freisings Domschatz geht auf Reisen nach Venedig und steht dort im Mittelpunkt der prächtigen Gastausstellung des Diözesanmuseums "Die letzten Tage von Byzanz". Aus Bayern reisen zur Eröffnung Kardinal Marx und ganze Scharen Interessierter an.

Von Susanne Hermanski

Es sind bewegte Zeiten. Für die skandalerschütterte katholische Kirche, für das politwirre Italien, für die Freunde des Europäischen Gedankens, für muslimische Mitbürger hierzulande. Und für Venedig, das gerade wieder einmal im Aqua Alta versinkt. Hochwasser allerorten, Oberkante Unterlippe. Wenn es da eine Ikone gibt, die den Namen "Die Hoffnung der Hoffnungslosen" trägt, wird sie überall gebraucht, wenn man so will. Die Heimat des altehrwürdigen Marienbildes, das diesen Namen trägt, ist seit mehr als 600 Jahren in Freising, wo es nach abenteuerlicher Reise gelandet war. In der vergangenen Woche ist es umgezogen, direkt an den Markusplatz, um für drei Monate im Zentrum der Ausstellung "Die letzten Tage von Byzanz" zu stehen. Die ist ein Gemeinschaftsprojekt des Diözesanmuseums Freising mit der sagenhaften Biblioteca Nazionale Marciana im Museo Correr. Jahrelang haben Christoph Kürzeder, der Leiter des Diözesanmuseums und sein Team daran gearbeitet.

Im Correr erzählt die Ikone nun nebst anderen Kostbarkeiten aus Paris, Mailand und Venedig ihre eigene, mehr als tausend Jahre alte Geschichte. Im Gepäck eines der letzten Byzantinischen Kaiser, Manuel II., war sie schon einmal in die Serenissima gelangt. Er, der beinahe Hoffnungslose, der von Krieg und allerlei Nöten Verfolgte, hatte sie zusammen mit einer Reihe anderer wertvoller Geschenke von Konstantinopel nach Europa gebracht. Manuel II. wollte mit ihrer Hilfe den Westen für eine militärische Allianz gegen die drohende Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen gewinnen. Ein Himmelfahrtskommando, auf das sich die Höfe Italiens, Frankreichs und Englands nicht einlassen mochten. Die endgültige Eroberung von Byzanz durch die Osmanen im Jahr 1453 war damit besiegelt.

Unter den Deckengemälden der Marciana nimmt sich die Byzanz-Ausstellung als Gesamtkunstwerk aus.

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Im Zentrum steht das Freisinger Lukasbild. Die Marienikone misst wenige Zentimeter, doch Mitte des 17. Jahrhunderts erhielt sie einen mit Email-verzierten Rahmen und die himmlischen Heerscharen eines Altars.

Christoph Kürzeder zeigt, wo's lang geht, er ist der Direktor des Diözesanmuseums Freising.

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Sein Team und er haben die Schau seit Jahren vorbereitet.

Weil mehr Münchner und Freisinger Kunstinteressierte zur Eröffnung kamen, als die Räume fassen konnten, musste Kardinal Marx die Ausstellung nach seinem Festgottesdienst im Markusdom eröffen.

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Wer die Marienikone am Eröffnungstag sehen wollte und wie Kardinal Marx aus dem Markusdom kam, musste durchs Wasser waten. Fotos: Georg Seitz (3), Christian Schmid, Marco Cassiano, Sieveking Verlag

Das "Lukasbild", wie die Ikone auch genannt wird, ist nicht nur eines der bedeutendsten Kultbilder im Schatz der Erzdiözese München und Freising. Weil Papst Benedikt XVI. 2006 in seiner heiß umstrittenen "Regensburger Rede" den Dialog von Manuel II. mit einem persischen Gelehrten über den Zusammenhang von Religion und Vernunft zitierte, gelangte der glücklose Kaiser erneut zu Weltruhm. Kein Wunder also, dass Kardinal Reinhard Marx anreiste, um die Ausstellung in Venedig persönlich zu eröffnen. Und er kam nicht allein. Die Vernissage wurde zum bayerischen Gesellschaftsereignis, weil nicht nur begeisterte Kunsthistoriker, Geistliche und Kollegen Kürzeders wie Holger Kempkens, Leiter des Diözesanmuseums Bamberg, anreisten. Auch dtv-Verlegerin Claudia Baumhöver, das Architektenehepaar Emanuela und Walter Achatz (leiteten Renovierungen und Neubauten von Gärtnerplatztheater und Kammerspielen) und die Chefin des Digital-Kongresses DLD, Steffi Czerny waren gekommen. Das Team des Diözesanmuseums (immer noch wegen Sanierung geschlossen) hatte ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Führungen und Konzerten organisiert. Es erstreckte sich über drei Tage, und erfuhr derart begeisterten Zuspruch, dass die kleine Mannschaft um Kürzeder beinahe überrollt worden wäre von ihrem eigenen Erfolg. Statt mit dem ursprünglich geplanten einen Bus fuhr man schließlich mit dreien; privat reisten fast nochmal so viele Besucher aus Bayern an.

Kardinal Marx eröffnete "Die letzten Tage von Byzanz" deshalb schließlich spontan im Markusdom statt in den zu engen Räumen des gegenübergelegenen Museums. Er betonte die aktuellen Bezüge, die sich an die Geschichte der Ikone knüpfen lassen. Nachzulesen sind seine Ausführungen auch im Vorwort, das er zu deren schönem Katalog verfasst hat: "Politisches, wirtschaftliches und persönliches Machtstreben, verbunden mit Krieg, Gewalt und religiösen sowie kulturellen Konflikten, sind keinesfalls Geschichte, sondern von ungebrochener Aktualität", schreibt er da. Er empfiehlt einen Blick auf dieses entscheidende Kapitel der Weltgeschichte. "Denn im Freisinger Lukasbild vereinigen sich politisches Kalkül und persönliche Religiosität einer exponierten Herrscherpersönlichkeit. Dabei tritt unweigerlich auch das Dilemma der Beziehung von Politik und Religion zu Tage, wobei Bilder immer wieder eine entscheidende Rolle gespielt haben und bis heute spielen."

Auf dem Freisinger Domberg, wohin die Ikone im März zurückkehren wird, erlebte sie nach ihrer Reise von Venedig und durch die Hände allerlei verwandtschaftlich verbundener Adelshäuser und Kleriker, eine ganz andere Geschichte. Und die ist weniger politisch: Um den Menschen in Bayern die Fremdartigkeit der ostkirchlichen Ikone besser zu erklären, erzählte man ihnen eine Legende: der Evangelist Lukas habe das Bild eigenhändig gemalt. Über Jahrhunderte wandten sie sich also an diese Maria, die Hoffnung der Hoffnungslosen. Auch heute wäre mancher froh, wenigstens sie wüsste, was zu tun ist.

© SZ vom 01.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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