Freisinger Jobcenter:"Auf dem richtigen Weg"

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Chef Bernhard Reiml weist anonym geäußerte Kritik zurück

Von Thilo Schröder, Freising

Das Freisinger Jobcenter verhängt sehr wenige Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger. Leiter Bernhard Reiml hatte im Gespräch mit der Freisinger SZ unter anderem die engmaschige Betreuung der Arbeitslosen als Grund dafür genannt. Ein "Mitarbeiter von einem Jobcenter" zeigte sich nun in einem anonymen Leserbrief entrüstet ob der Aussagen des Behördenchefs.

"In Freising werden keinerlei Kündigungen geprüft, ob ein Sperrzeittatbestand vorliegt", heißt es in dem Schreiben. "Dieser wird nicht einmal bei Kunden verhängt, die zum Beispiel wegen unentschuldigtem Fernbleiben, gehäuftem Zuspätkommen in die Arbeit, Beleidigungen ... gekündigt werden." Und weiter: "Bei den anderen fristlosen Kündigungen erfolgt ebenfalls keinerlei Prüfung (...). Die Vermittler glauben alles aus der Sicht des Leistungsempfängers." Mit diesen Aussagen konfrontiert, sagt Reiml: "Das wäre mir neu, dass wir das nicht prüfen." Die Mitarbeiter des Jobcenters fragten bei einer Kündigung beim jeweiligen Arbeitgeber nach, was der Grund für die Entlassung sei.

Ein weiterer Kritikpunkt: die Häufigkeit der Vermittlungsgespräche - laut Reiml im Schnitt 14-tägig. Der Schreiber des Leserbriefs dazu: Es gebe nur wenige Arbeitsvermittlungsgespräche, viele fänden zudem telefonisch statt und dauerten nur wenige Minuten. Er habe das selbst so erlebt. "Da wird dann nur gefragt: ,Wie geht es Ihnen? Passt alles noch in Ihrem 450-Euro-Job? Alles Gute.' Das war dann das ganze Gespräch." Der Schreiber kritisiert: "Termine finden höchstens zweimonatlich bis halbjährlich statt und es gibt auch genügend, die über ein Jahr hinweg vom Vermittler (...) nichts hören."

Reiml verweist auf unterschiedliche Betreuungsszenarien. "Zum Beispiel bei Krankheiten, die es unmöglich machen zu arbeiten", bei denen es keinen Sinn ergebe, laufend Gespräche zu führen. "Es gibt aber auch Kunden, die sind wöchentlich da", sagt er. Und ja, Telefongespräche gebe es bei der Vermittlung ebenso.

Der Leserbriefschreiber wirft dem Freisinger Jobcenter vor, sich generell nicht genug zu kümmern. "Freisings Motto: Zahlen macht Frieden", schreibt er. "Ja nur keine Unannehmlichkeiten und wenig Arbeit", sprich: Das Jobcenter zahle lieber langfristig Leistungen, als sich der Arbeitslosen tatsächlich anzunehmen. Reiml dementiert: "Das kann ich überhaupt nicht bestätigen." Erst jüngst habe eine Mitarbeiterin einen Kunden in eine Betreuungsanlage begleitet. "Das ist deutlich zeitintensiver, als eine Sanktion zu verhängen", sagt er. "Und finanziell sinnvoller, um das Ziel gesellschaftlicher Teilhabe zu erreichen." Häufigere Sanktionen würden dazu nicht beitragen, obgleich er die Möglichkeit, Sanktionen zu verhängen, grundsätzlich befürworte.

Natürlich gebe es in Freising Extremfälle von Langzeitarbeitslosigkeit, sagt Reiml. "Wir haben Kunden, die sind seit zehn Jahren im Leistungsbezug", räumt er ein. "Wir bauen die langsam ab." Viele seien zwar arbeitsfähig, fänden aber aus verschiedenen Gründen keine Arbeit, etwa weil ihre Berufe aus dem sich wandelnden Arbeitsmarkt wegbrechen. Davon abgesehen liege die Sanktionsquote im Nachbarlandkreis Erding auf einem ähnlich niedrigen Level: zwischen 1,5 und zwei Prozent, in Dachau und Ebersberg "ein bisserl höher". Er betrachte das aktuelle Vorgehen seiner Behörde "für uns in der Region als den richtigen Weg", sagt Bernhard Reiml. Man vermittele "weit über ein Drittel" der Kunden in den ersten Arbeitsmarkt - "und das ist ein guter Wert".

© SZ vom 27.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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