Freisinger Friedhofskultur:Vorsorgen für die Ewigkeit

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Bestatter und Friedhofsverwalter haben täglich mit dem Tod zu tun. Sie wissen, dass sich viele Menschen schon zu Lebzeiten damit befassen, was mit ihnen nach dem Ableben geschieht.

Von Nadja Tausche, Freising

Der Ahorn streckt seine Äste weit über den Grabsteinen aus. Am Boden sammeln sich gelbe Blätter, so viele, dass man den Kies darunter gar nicht mehr sieht. Ab und zu löst sich ein Blatt von einem Ast und schwebt zu den anderen nach unten. Es ist grau auf dem Friedhof Sankt Georg, schon bald dunkel und leise, nur ein paar Vögel zwitschern und auf der anderen Seite der Friedhofsmauer rauschen Autos vorbei. Besucher sind auf den Wegen und an den Gräbern nur sehr vereinzelt zu sehen an diesem Spätnachmittag. Anders wird das an diesem Freitag sein, zu Allerheiligen, wenn man in der katholischen Kirche der Heiligen gedenkt - und zu Allerseelen am Tag darauf, zum Gedenken an die Verstorbenen. Um diesen Zeitraum herum sind die Friedhöfe voll. Einen Blick hinter die Kulissen geben zwei Menschen, die täglich mit dem Tod zu tun haben.

"Es ist manchen ein Anliegen zu wissen, was passiert, wenn sie sterben", sagt Oliver Wolfhard, er ist Bestatter und Geschäftsführer der Bestattungsfirma Wimmer in Freising. Er sagt: In seinem Job habe er nicht nur mit Angehörigen von Verstorbenen zu tun. "Es kümmern sich mittlerweile viele Menschen zu Lebzeiten um ihr Grab." Fast täglich kämen Menschen, um Formalitäten für die Zeit nach ihrem Tod zu regeln, die Art des Grabes festzulegen, den Friedhof auszuwählen, solche Dinge.

Die Erfahrung hat auch Patrizia Oppenrieder von der Friedhofsverwaltung Sankt Georg gemacht. Kommen die Menschen vor ihrem Tod zu ihr, können sie sich ein Grab aussuchen. Manche wären gerne in der Sonne, andere wünschen sich ein Grab mit Blick auf die Aussegnungshalle. Manche bezahlen auch schon vorab, erzählt Patrizia Oppenrieder. Es kann unangenehm sein, über den eigenen Tod nachzudenken, aber sie hält es für sinnvoll. "Ich rate dazu, zumindest mit den Angehörigen zu reden", sagt sie: Es sei ihr schon häufiger passiert, dass Angehörige nicht wissen, wie ein Verstorbener sich gewünscht hätte, begraben zu werden.

Um ein Grab auf einem Freisinger Friedhof zu erwerben, muss man nicht unbedingt Bürger der Stadt sein. Die allermeisten hätten zwar einen Bezug zu Freising, Vorschrift sei es aber nicht, so Patrizia Oppenrieder. Wichtig sei für die Verwaltung, dass die Frage der Grabpflege geklärt sei. Wer ein Erdgrab auf dem Friedhof Sankt Georg erwirbt, tut das dann erst einmal für 25 Jahre. "Man sagt, nach der Zeit ist der Leichnam verwest", sagt sie - das Gleiche gelte für den Sarg. Beim Urnengrab sind es 15 Jahre, je nach Friedhof variiert dieser Zeitraum.

Wenn das Grab neu ausgehoben wird, sind Bestatter Oliver Wolfhard zufolge im Normalfall zwei Mitarbeiter rund drei Stunden lang beschäftigt. Meist nehme man einen Bagger zu Hilfe, außer der Boden sei extrem lehmig oder die Gräber eng beieinander: Dann müssten auch mal drei oder vier Leute einen halben Tag per Hand schaufeln. Dabei kann es passieren, dass die Bestatter Reste des Sarges finden. Auch Knochenfunde seien durchaus häufig, sagt Wolfhard.

Was Verstorbene mit in den Sarg nehmen dürfen, muss deshalb abbaubar sein. Briefe etwa oder einen Kranz, auch Fotos oder ein Rosenkranz seien in Ordnung. Mit seinem Haustier dürfe man sich nicht bestatten lassen, so Wolfhard. Manchmal komme es auch vor, erzählt Patrizia Oppenrieder, dass jemand sterbe, der keine Angehörigen mehr hat. In dem Fall bezahle das Sozialamt die Bestattung. Eine Bestattungszeremonie gebe es immer, ganz gleich, ob jemand von Seiten des Verstorbenen da sei: Man spreche zusammen ein Gebet.

Auf dem Friedhof Sankt Georg gehören zu den rund 2000 Grabstellen auch Gruften. Untergebracht sind sie bei der Steinwand, die den Friedhof in der Mitte durchtrennt. Eine Gruft neben der anderen ist in den Boden eingelassen, mit gelben Säulen dazwischen, die Namen der Verstorbenen sind auf Steintafeln eingraviert. Im Unterschied zu den anderen Gräbern bestehen die Särge darin aus Zink: In denen verwesen Leichname wesentlich langsamer, erklärt Patrizia Oppenrieder. Deswegen seien Gruften auch so viel teurer: Werden sie einmal aufgegeben, müssten die Särge mit den Überresten wieder herausgeräumt werden.

Den Friedhof Sankt Georg gibt es schon lange, im 16. Jahrhundert ist er an den jetzigen Standort an der Prinz-Ludwig-Straße angelegt worden. Ursprünglich seien dort nur Pesttote und Menschen mit anderen Krankheiten bestattet worden, die anderen dagegen auf einem Friedhof weiter im Stadtzentrum. Anders als damals, gibt es heute nicht mehr nur die klassische Erdbestattung.

Der Trend geht Oliver Wolfhard zufolge Richtung Feuerbestattung, Baum- und Waldbestattungen seien ebenfalls im Kommen. Seine Firma bietet darüber hinaus auch eine Diamantenbestattung an, bei der wird aus den Haaren eines Menschen ein Diamant hergestellt. Die Nachfrage in Freising sei aber kaum nennenswert, im Gegensatz zur klassischen Erdbestattung - der mit dem Grabstein unter den Ästen eines gelben Ahorns.

© SZ vom 31.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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