Freisinger Amtsgericht:Allzu vage Täterbeschreibung

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Eine helle Jacke und eine dunkle Hose: Ein Angeklagter wird freigesprochen - da die von einer Zeugin beschriebenen Ähnlichkeiten mit einem Exhibitionisten zu vage waren.

Peter Becker

Eine helle Jacke und eine dunkle Hose - das sind die einzigen Merkmale, die einen 50-jährigen Mann als Exhibitionisten überführen könnten. "Das ist an Vagheit kaum zu überbieten", betonte Richter Jakob Wanderer. Er sprach den Angeklagten deshalb frei.

Die Täterbeschreibung, die eine Frau vor einem guten Jahr bei der Polizei abgegeben hat, stimmte bis auf die Kleidung in keinem Punkt mit der Person des Beschuldigten überein. Die Hauptbelastungszeugin beharrte dennoch während ihrer Aussage am Freisinger Amtsgericht, dass der Angeklagte der Täter gewesen sei.

Der 50-Jährige war offenbar zum verkehrten Zeitpunkt am verkehrten Ort. Ein Zivilfahnder sagte, an jenem Abend sei um 21.08 Uhr ein Funkspruch eingegangen, dass ein "Exer" eine Frau am Freisinger Bahnhof belästigt habe. Er und sein Kollege hätten sich gerade auf der Saarstraße befunden und seien zum Tatort geeilt. Vier Minuten später glaubten sie den Täter bereits geschnappt zu haben. Ein mit heller Jacke und dunkler Hose bekleideter Mann "mit lichtem Haar" befand sich in der Nähe der Fahrradständer. Er war die einzige Person weit und breit. Weil er keine Ausweispapiere bei sich hatte, brachten ihn die Fahnder zur Polizeiinspektion.

Der Beschuldigte bestritt den Vorwurf, er habe eine Frau in einer der Unterführungen des Bahnhofs belästigt. Vor Gericht wiederholt er seine damalige Aussage. "Ich war am Bahnhof, um nach dem Fahrrad meiner Schwester zu sehen." Das habe diese dort angestellt, bevor sie zu ihrem Lebensgefährten nach Bremen gefahren sei. Außerdem habe er nach seiner Tochter sehen wollen. Diese habe zu einer Gruppe von Jugendlichen gehört, die sich ständig bis spät in die Nacht am Bahnhofseingang aufgehalten habe. Der Polizist, der damals die Vernehmung leitete, kam schon damals zu dem Schluss, dass der Beschuldigte nicht der Täter sein könne. "Er wollte seine Schwester und seine Sozialbetreuerin dabei haben", sagt der Ermittler vor Gericht. So verhalte sich seiner Erfahrung nach kein Exhibitionist.

Die Hauptbelastungszeugin beharrte dennoch darauf, dass "der Mann auf der Anklagebank" auch der Täter sei. Sie lässt sich darin auch nicht durch Richter Wanderer beirren, der ihr ihre Aussage vorhält, die sie bei der Polizei gemacht hat. Sie habe damals den Täter als Mann ohne Brille und Bart mit kroatischem oder albanischem Aussehen beschrieben. Der Beschuldigte ist aber Brillenträger und trug seinerzeit, wie auf Fotos zu sehen ist, einen beträchtlichen Bart. "Er schaut aus wie ein Bayer, wie halt die Leute bei uns ausschauen", stellte Richter Jakob Wanderer fest. Weil ihm eine helle Jacke und dunkle Hose zu wenig Anhaltspunkte für eine profunde Verurteilung sind, sprach er den Beschuldigten frei.

Eine kuriose Beobachtung hat indes der Zivilfahnder gemacht. Ihm lief am Bahnhof tatsächlich ein Mann über den Weg, auf den die Beschreibung der Zeugin passt. Er überprüfte dessen Personalien und stellte fest, dass dieser tatsächlich schon als Exhibitionist aufgetreten sei.

© SZ vom 12.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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