Freising:Zusammen ist man weniger allein

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Gemeinschaftliches Wohnen ist wie ein soziales Netzwerk unter einem Dach. Eine Freisingerin wurde in Landshut fündig

Von Gudrun Regelein, Freising

Es sei ein mühsamer Prozess, sagt Rositta Schaffarczyk. "Man braucht Geduld, jeder hat eine andere Vorstellung." Dennoch ist sie als eine von vier Freisingern dabei, ein generationsübergreifendes Wohnprojekt zu realisieren. In Landshut wird sie in gut zwei Jahren gemeinsam mit vielen anderen Menschen unter einem Dach - aber in einer eigenen Wohnung - leben. Gemeinschaftliches Wohnen, das erscheint der 65-jährigen Freisingerin, die sich ein Leben in einer Wohngemeinschaft nicht vorstellen kann, die für sie passende Wohnform zu sein. Das bedeute für sie, für sich, aber dennoch nicht alleine zu sein.

Vor 16 Jahren, nach ihrer Scheidung, begab sie sich auf die Suche. Sie wollte auf Dauer nicht alleine wohnen, erzählt Rositta Schaffarczyk. "Es erschien mir vernünftig, mit anderen Menschen zusammenzuleben." Die Möglichkeit zu haben, sich gegenseitig ein bisschen helfen zu können. "Beispielsweise wenn jemand krank ist, für diesen einkaufen zu gehen." Im Internet entdeckte sie schließlich verschiedene Projekte gemeinschaftlichen Wohnens, bei dem sie sich als "Mieterin im eigenem Haus" auf ein lebenslanges Wohnrecht und auf günstige Mieten verlassen könne, wie sie sagt. In den vergangenen Jahren war sie viel unterwegs, schaute sich viele verschiedene Projekte an, beispielsweise auch am Ammersee und in Regensburg. Aber so richtig gefallen habe ihr das nicht, am Ammersee beispielsweise wollten lauter ehemalige Bankdirektoren ein gemeinsames Wohnen realisieren. "Das war mir zu abgehoben." Am liebsten wäre sie eigentlich in Freising geblieben, sagt Rositta Schaffarczyk. Aber hier sei das offensichtlich nicht machbar: "Knapper Grund und viel zu hohe Preise." Tatsächlich sei der Bauraum in Freising "sehr knapp", sagt Freisings Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher. Grundsätzlich aber sei auch hier ein gemeinschaftliches Wohnen möglich. Im Steinpark beispielsweise sei bereits eine Bauherrengemeinschaft zu finden. "Wenn sich mehrere Interessierte zusammentun, dann können sie auch hier in Freising gemeinsam etwas entwickeln", sagt Eschenbacher.

Rositta Schaffarczyk aber entdeckte vor etwa eineinhalb Jahren das Gemeinschaftsprojekt der Landshuter Wohnprojektgruppe GeWoSchoen und war sofort sehr angetan: Von der idyllischen Lage an der Isar, von der überschaubaren Größe - und von den für sie erschwinglichen Preisen. Die Teilnehmer müssen eine Einlage leisten, das sind 850 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche bei den frei finanzierten Wohnungen. Später müsse sie 8,50 Euro Miete zahlen. Beim Landshuter Projekt seien bereits die Hälfte der Wohnungen vergeben - vor allem ältere Menschen, aber auch jüngere, wie eine 22-jährige sehbehinderte Frau, oder Familien mit Kindern zeigten Interesse, berichtet Rositta Schaffarczyk.

Die Nachfrage nach neuen, nachbarschaftlich orientierten Wohnformen steige, sagt Maria Bruckbauer von der Landshuter Wohnprojektgruppe GeWoSchoen. Junge Familien und zunehmend ältere Menschen, deren Kinder ausgezogen sind, suchten nach einem selbstbestimmten Lebensumfeld und einem sozialen Netz außerhalb der normalen Familienbande. In Landshut sei bereits ein Grundstück im Osten der Stadt direkt an der Isar reserviert worden. Dort werden unter dem Dach einer Regensburger Baugenossenschaft etwa 25 Wohneinheiten im Geschosswohnungsbau entstehen. Als Einzugstermin ist der Herbst 2017 geplant. Die zukünftigen Bewohner gestalten gemeinsam mit dem beauftragten Architekturbüro ihre Wohnungen sowie die Garten-, Gemeinschafts- und Begegnungsflächen. Das gesamte Projekt ist Gemeinschaftseigentum und wird selbstverwaltet, erklärt Maria Bruckbauer.

"Das gibt noch endlose Diskussionen und ordentlich Zoff", sagt Rositta Schaffarczyk und lacht. Es sei klar, dass die gegenseitige Hilfe immer freiwillig sein müsse. Eine Pflege unter den Mitbewohnern aber sei beispielsweise ausgeschlossen - auch wenn viele alleinstehende ältere Menschen dort einzögen. "Wer sich beteiligt, weiß, was auf ihn zukommt", sagt sie.

© SZ vom 28.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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