Glaubensgemeinschaften im Landkreis:"Die Sehnsucht nach einer heilen Welt ist derzeit sehr groß"

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An keinem anderen Tag im Jahr kehren für gewöhnlich mehr Personen in christliche Gotteshäuser, wie dem Freisinger Mariendom, ein als am "Heiligen Abend". (Foto: Marco Einfeldt)

Die "Weihnacht" dient seit langer Zeit als Ankerpunkt in schwierigen Zeiten. Neben der Festlichkeit spielt die Besinnung eine wichtige Rolle. Wenn man sich in unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften umhört, wird deutlich, dass die Weihnacht in diesem Jahr zum richtigen Zeitpunkt kommt.

Von Tobias Merk, Freising

"Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht dessen, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht" (Hebräer 11:1). Hoffnung ist ein zentraler Leitgedanke christlichen Glaubens. In schwierigen Zeiten vermag diese seit jeher Menschen Halt zu verleihen. Gleichwohl insbesondere an Ostern christlicher Hoffnung bedacht wird, sieht der noch amtierende Freisinger Weihbischof Bernhard Haßlberger im diesjährigen Weihnachtsfest aufgrund der von Corona geprägten Vorjahre und des gegenwärtigen Krieges in Osteuropa ein "großes Signal der Hoffnung" ausgehen.

Der Bischofsvikar, dessen altersbedingtes Rücktrittsgesuch im vergangenen Jahr von Papst Franziskus angenommen wurde, erkennt nicht nur in der aktuellen Weihnachtszeit ein wieder größer gewordenes Bedürfnis "Gemeinschaft zu erleben und den Gemeinsinn zu schärfen". Generell würden einige Menschen sich aufgrund des "Bündels von Ereignissen, die Angst machen" auf christliche Werte rückbesinnen, um "Frieden im Herzen" zu suchen. Die Funktion der Kirche sei es dabei, zu versuchen, "Ängste zu nehmen". Die anstehende Feier der Geburt des Heilands sei der ideale Zeitpunkt, "Momente des Innehaltens" zuzulassen.

Das Weihnachtsfest stellt seit jeher einen Ankerpunkt im Leben dar. Selbst in schlimmsten zivilisatorischen Momenten, wie beim Gemetzel des Ersten Weltkrieges, ging von der Weihnacht ein Funken Hoffnung aus. So ist zum Beispiel überliefert, dass einige Deutsche und Engländer, die sich noch Stunden zuvor in erbitterter Gegnerschaft an der Westfront schwerst bewaffnet gegenübergestanden waren, das Weihnachtsfest 1914 gemeinsam verbrachten.

Das einzigartige Signal, das vom "Fest der Liebe" ausgeht, wird auch in protestantischen Kreisen betont. Besonders in der jetzigen Zeit sei es sehr wertvoll, gemeinsam "eine schöne Weihnachtsmesse" feiern zu können, sagt der Dekan der evangelischen Gemeinde in Freising, Christian Weigl. Die vergangenen beiden Jahre, die von Zugangsbeschränkungen und digitalen Ersatzangeboten geprägt waren, hätten auch in seiner Kirche bei vielen Gläubigen den Wunsch nach mehr "Miteinander und Geselligkeit" geweckt. Insgesamt seien die Veranstaltungen in letzter Zeit "sehr gut besucht" gewesen, worin Christian Weigl nach dem großen "Besuchereinbruch während der Pandemie" ein gutes Zeichen erkennt.

Auch wenn Weihnachten nicht das wichtigste Fest im Kirchenjahr darstellt, so ist es zumindest das beliebteste. An keinem anderen Tag im Jahr kehren für gewöhnlich mehr Personen in christliche Gotteshäuser ein als am "Heiligen Abend". Erhebungen aus den Vorjahren der Pandemie gehen von etwa einem Fünftel der Bundesbürger aus, die es zu Weihnachten in eine Kirche zieht. Für den Festgottesdienst in diesem Jahr geht Christian Weigl "ganz sicher" wieder von vielen Teilnehmern und Teilnehmerinnen aus. "Ich denke, die Sehnsucht nach einer heilen Welt ist derzeit sehr groß", sagt der seit 2018 in Freising amtierende Dekan. Diese könne beim Weihnachtsfest genährt werden, was wichtig sei, denn durch "den Krieg und die allgemeine Weltlage" seien die Sorgen der Menschen zuletzt "auf jeden Fall nicht kleiner geworden".

Die Schwierigkeiten der letzten Zeit gingen aber auch an anderen Glaubensgemeinschaften nicht spurlos vorbei. Der Leiter der Al-Mahdi Moschee in Neufahrn, Malik Usman Naveed, zum Beispiel berichtet davon, dass die aktuelle Situation in der Gemeinde nicht vergleichbar mit den 2010er Jahren sei. Pandemiebedingte Veränderungen hätten bei der muslimischen Gemeinde zu einer "gewissen Trägheit" geführt, wodurch einige Glaubensschwestern und Glaubensbrüder derzeit Probleme hätten, "ihre Komfortzone zu verlassen". Ein Rückzug ins Private ist dabei nichts Ungewöhnliches. Menschen neigen in Krisen verstärkt dazu.

Unter den Gläubigen herrscht ein großer "Wunsch nach Gesellschaft"

Der bekannte Psychologe Stephan Grünewald etwa erkennt gegenwärtig "eine Tendenz zum Rückzug ins eigene Schneckenhaus". Weihbischof Haßlberger sieht angesichts dieser Situation die Kirche dazu in der Lage, "den Menschen Halt zu geben" und ist glücklich, nach Zeiten coronabedingter "Sozialer Distanz" wieder einen größeren "Wunsch nach Gesellschaft" wahrnehmen zu können. Der öffentliche Raum sei Dank der Christkindlmärkte in diesem Jahr wieder "toll gestaltet und gut besucht" gewesen. Einige Katholiken hätten ihm gegenüber ihre große Vorfreude auf die anstehende Christmette kundgetan.

Auch die islamische Gemeinde in Neufahrn freut sich auf die Feiertage. Obwohl Muslime bekanntlich keine besondere Verbindung zum Weihnachtsfest haben, seien viele von ihnen den damit einhergehenden christlichen Ritualen "nicht abgeneigt". "Jesus wird von uns als Prophet sehr respektiert und wir mögen die besondere Atmosphäre, die rund um das Fest entsteht", sagt Malik Usman Naveed. Besonders der "schöne weihnachtliche Lichterglanz" hat es dabei dem Iman der Gemeinde angetan. Aber auch der mit Weihnachten einhergehenden christlichen Botschaft kann dieser etwas abgewinnen, wobei er festhält: "Wir lieben Jesus".

Die Mönche des buddhistischen Tempels "Buddhadhamma" kommen auch nicht am christlichen Weihnachtsfest vorbei

Neben diesen Glaubensgemeinschaften kommen auch die Mönche des buddhistischen Tempels "Buddhadhamma" im Freisinger Ortsteil Dürneck nicht am christlichen Weihnachtsfest vorbei. "Wir feiern halt mit und genießen die einzigartige Zeit zusammen mit unserer Familie ", sagt der Thailänder Theewarangkorn Phauk-on. Man pflege "intensive Beziehungen zu einheimischen Christinnen und Christen", wodurch man sich "über die schöne Zeit" mitfreuen könne. Der Verein blickt dabei ebenfalls auf komplizierte und schwierige Zeiten zurück. "Die Personenbegrenzungen während Corona waren auch für uns mit Einschränkungen im Vereinsleben verbunden", gibt der buddhistische Mönch Einblick in die zurückliegende Zeit.

Er zeigt sich zufrieden, dass man mit der Pandemie ordentlich zurechtgekommen sei. Auch die jetzigen kriegsbedingten Einschränkungen akzeptieren die buddhistischen Mönche in ureigener Gelassenheit: "Bei uns im Verein hat sich nicht viel geändert. Wir sparen halt jetzt vermehrt Wasser, Heizung und Strom ein." In der militärischen Eskalation in Osteuropa sieht man derweil ohnehin nichts Außergewöhnliches. "Ich bin der Meinung, dass für diese Welt Krieg normal ist", sagt Theewarangkorn Phauk-on. Eine derartige Normalisierung des Schrecklichen will Freisings Weihbischof Bernhard Haßlberger dagegen keineswegs hinnehmen. In schwierigen Zeiten, wie den jetzigen, würden sich Menschen vermehrt die Frage stellen, "Was hält und trägt uns?". Das christliche Anliegen sei es dabei, ganz nach Jesus' Vorbild, "Hoffnung zu vermitteln und Menschen Positives ans Herz zu legen".

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