Freising:Verhängnisvoller Volksfestbesuch

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Notwehr oder nicht? Ein 22-Jähriger Mann hat während des Freisinger Volksfests einen Kontrahenten mit Steinen beworfen. Jetzt muss er ins Gefängnis.

Peter Becker

In Notwehr will ein 22-jähriger Münchner gehandelt haben, als er einen im September des vergangenen Jahres einen Mann mit Schottersteinen bewarf, von dem er sich verfolgt fühlte. Vorausgegangen war ein Streit mit einem weiteren Besucher des Freisinger Volksfests.

Beim diesjährigen Freisinger Volksfest (auf dem Foto der Festzug) hat ein 22 Jahre alter Mann einen Kontrahenten mit Steinen beworfen. Jetzt muss er ins Gefängnis. (Foto: Marco Einfeldt)

Richterin Claudia Saponjic wertet den Vorgang aber nicht als Notwehr, sondern als gefährliche Körperverletzung. Das besondere Pech für den einschlägig Vorbestraften besteht darin, dass er zwei offene Bewährungen hat. Es gehe nicht mit dem Rechtsempfinden der Bevölkerung konform, dass er auf freiem Fuße bleibe, erläutert die Richterin. Sie verurteilt den ihn zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten.

Der 22-Jährige sagt über sich selbst, dass "es in ihm leicht hochkocht". Er in seinem wie er selbst zugibt "chaotischen Leben" Probleme mit Alkohol und seinen Aggressionen. "Deshalb hätte ich nie aufs Freisinger Volksfest fahren dürfen", bedauert er rückblickend. Das Verhängnis nahm offenbar seinen Lauf, als er zusammen mit einem Freund eine Maß Bier trank. Anschließend ging die Gruppe zur Tankstelle an der Ottostraße, um weiteren Alkohol zu kaufen. Auf den Hinweis der Verkäuferin, nach zwei Uhr verkaufe sie kein Bier mehr, rastete der junge Mann aus. "Er beleidigte die Frau auf tiefstem Niveau", sagt Claudia Saponjic in der Urteilsverkündung.

Zurück auf der Straße gab es Streit mit einem Besucher des Freisinger Volksfest. Der war nach eigenen Angaben ziemlich betrunken. Es gab Streit um eine Zigarette. Wer den vom Zaun gebrochen hat, steht nicht einwandfrei fest. Während der Mann aufgrund von Erinnerungslücken nicht ausschließt, dass er angefangen habe, beschreiben ihn zwei Zeuginnen als "voll nett". Er sei von ihrem Begleiter angepöbelt worden, sagen sie vor Gericht.

Ebenso ungeklärt bleiben die Ereignisse, die sich anschließend in der Bahnunterführung zwischen Otto- und Parkstraße zugetragen haben. Als der Mann jedenfalls wieder auf der B11-Seite aus dem Tunnel auftaucht, ist sein Gesicht von Schlägen gezeichnet. Weil Richterin Claudia Saponjic keine eindeutigen Zeugenaussagen zu dem Vorfall vorliegen, spricht sie den Angeklagten zu diesem Vorfall frei. Vom wem der erste Schlag ausging, bleibt ungeklärt.

Fest steht jedoch, dass eine weitere Gruppe Volksfestbesucher auf den Mann aufmerksam wurde, der am Straßenrand saß und sein Gesicht betastete. Nachdem er sagte, er sei geschlagen worden, machte sich ein 23-jähriger Attenkirchener zur Verfolgung auf. Er sah den mutmaßlichen Schläger auf den Bahndamm flüchten und lief hinterher. Der Beschuldigte merkte, dass er verfolgt wurde, und begann den ihm folgenden Mann mit Steinen aus dem Gleisbett zu bewerfen. "Er geriet in Panik", interpretiert Rechtsanwalt Matthias Trepesch das Verhalten seines Mandanten. Er habe ja nicht wissen können, wer da hinter ihm herlaufe. Sein Mandant habe glauben müssen, es sei ein Freund des Mannes, mit dem er gerade gestritten habe. Der Attenkirchener Zeuge sagt vor Gericht, er sei von zwei Steinen am Kinn getroffen worden und zeigt die Narben. Er habe aus Zivilcourage gehandelt. "Es geht doch nicht, dass jemand einem die Nase bricht und wegläuft", sagt er entrüstet.

Auch seine Freundin holt sich noch eine blutige Nase. Als der Attenkirchener den Münchner schließlich eingeholt und auf dem Bahndamm "fixiert" hatte, gab dieser klein bei. Er sagte, er wolle mit zur Polizei gehen, nutzte aber dann eine Gelegenheit zur Flucht. Dabei versetzte er der Frau einen Schlag auf die Nase. "Unabsichtlich" wie er sagt. Richterin Claudia Saponjic glaubt ihm dies ebenso wenig wie die Notwehr-Situation. Er hätte sich einfach losreißen können, sagt sie. Er habe nicht einfach den ihn verfolgenden Mann mit Steinen bewerfen dürfen. Obwohl der Münchner laut seiner Bewährungshelferin auf einem guten Weg ist, seine Probleme in den Griff zu kriegen, bleibt Richterin Claudia Saponjic nichts anderes übrig als eine Freiheitsstrafe auszusprechen. "Wer gibt mir die Garantie, dass Sie das Versprechen, keine Straftaten mehr zu begehen, auch halten?, fragt sie.

© SZ vom 26.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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