Abschied  vom alten Freisinger Stadt:Fast ein Drama

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Abstand halten ist die Devise. Die letzte Sitzung des alten Freisinger Stadtrats in der Luitpoldhalle muss ohne freundschaftliche Gesten der menschlichen Nähe vonstatten gehen. Niemand hätte sich das vor ein paar Wochen vorstellen können.

Von Kerstin Vogel, Freising

Eine nüchterne Halle, große Mindestabstände zwischen den Tischen, keine Handshakes oder andere freundschaftliche Gesten der menschlichen Nähe - nein, so hatte sich noch vor wenigen Wochen wohl niemand die letzte Sitzung des alten Freisinger Stadtrats vorgestellt. 15 der insgesamt 40 bisherigen Stadträtinnen und Stadträte werden in der neuen Amtsperiode nicht mehr in dem Gremium vertreten sein - und Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher wurde bei der Verabschiedung am Donnerstag nicht müde zu betonen, dass man sich wahrlich einen würdevolleren Rahmen für diesen Anlass gewünscht hätte. Er empfinde es fast als "Drama, dass dieser Abschied heute Abend hier mit der Corona-gebotenen Distanz und ohne persönlichen Händedruck erfolgen muss".

Man sei gleichwohl ein gutes Team gewesen in den vergangenen Jahren, man habe viel auf den Weg gebracht und in den richtigen Bahnen gehalten, sagte Eschenbacher rückblickend und zitierte den geschichtsträchtigen Spruch, der im Sitzungssaal des Rathauses eine Wand ziert: "In notwendigen Dingen Einheit, in zweifelhaften Freiheit, in allen Duldung." Zwar habe es harte Diskussionen gegeben, das sei richtig in einer Demokratie und in einem Kommunalparlament, aber "keine Ausrutscher, die uns am Ende der gemeinsamen Zeit beschämen müssten".

Das sei wichtig für die Erfolgsbilanz, die er dem Stadtrat ausdrücklich bescheinigen wolle, betonte der Oberbürgermeister - und listete die "großen, wegweisenden Projekte" auf, die man gemeinsam auf den Weg oder vorangebracht habe: Die Neugestaltung der Innenstadt, die Asam-Sanierung, den Neubau der Westtangente, die Steinpark-Schulen, die Wohngebiete an der Angerstraße und den Seilerbrücklwiesen, die künftige Feuerwache 2 in Lerchenfeld oder die Umsetzung des Sportentwicklungsplans. All das werde die Stadt nun unter dem neuen Stadtrat abschließen können - "hoffentlich", so Eschenbacher mit Blick auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie.

In nackten Zahlen hat der aktuelle Freisinger Stadtrat insgesamt 53 Sitzungen abgehalten, hat dafür um die 133 Stunden gebraucht und insgesamt 588 Beschlüsse gefasst - die zahlreichen Ausschusssitzungen nicht eingerechnet. Man habe sich zu Unpopulärem durchringen müssen, wie beispielsweise zuletzt den Verzicht auf den Kauf der Kultkneipe "Abseits", aber man habe auch Dinge auf den Weg gebracht wie das städtische Mehrgenerationenwohnen an der Katharina-Mair-Straße oder das kooperative Baulandmodell zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums. Ob Kita Wetterstein, Eishalle, das Kombibad "Fresch", die ersten Bauabschnitte der modernisierten Innenstadt oder der Isarsteg-Nord: Man habe gemeinsam Bleibendes ermöglicht und geschaffen, sagte Eschenbacher an die Adresse der scheidenden Stadtratsmitglieder: "Das wird nachhaltig auch Ihre Handschrift tragen."

Zu den Geschenken, die hygienisch korrekt auf den Tischen der 15 Ausscheider aufgebaut worden waren, gehörte unter anderem eine Erinnerungsmedaille, die von Sonja Seibold gestaltet wurde und auf der Vorderseite die Innenstadt-Neugestaltung und die Asam-Sanierung aufgreift. Die Rose auf der Rückseite stehe "für unser sympathisches Image als Rosenstadt", sagte Eschenbacher, "meint aber auch unsere weiteren Soft Skills als zukunftsorientierte Stadt, die ihre Menschen nie zurückgelassen hat". Mit ein wenig Wehmut lobte auch Bürgermeisterin Eva Bönig die konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit im bisherigen Stadtrat - "auch wenn die Positionen natürlich nicht immer identisch waren". Der Rückblick aber falle weitgehend positiv aus, sagte Bönig: "Das gibt Energie, weiterhin mit vollem Einsatz für Freising zu arbeiten."

Nicht mehr dabei sein werden dann Franz Bernack, Christian Dobler, Peter Geiger, Susanne Nerb, Thomas Ottowa und Katrin Stockheim, die alle nach einer ersten Wahlperiode ausgeschieden sind. Neben persönlichen Würdigungen bescheinigte Oberbürgermeister Eschenbacher ihnen, "sich teilweise noch in sehr jungen Jahren politisch engagiert, sich der Wählergunst gestellt und sich mit vielen neuen Ideen und Sichtweisen und ganz individuellen Ansätzen eingebracht zu haben".

Für ihre jeweils zwölfjährige Zugehörigkeit zum Stadtrat dankte der Oberbürgermeister Monika Hobmair, Jürgen Maguhn und Ricarda Schindler, nach 17 Jahren ist Waltraud Heinlein-Zischgl ausgeschieden, nach 18 Jahren Rosemarie Eberhard. 24 Jahre hat Eckhardt Kaiser im Freisinger Stadtrat mitgearbeitet, für 30 Jahre konnte Eschenbacher Heidi Kammler und Anna-Maria Sahlmüller ehren - und für unglaubliche 48 Jahre zeichnete er Helmut Weinzierl aus, als "Grandseigneur der Freisinger Kommunalpolitik", als "unerreichtes Beispiel bürgerlichen Engagements im Ehrenamt". Für dieses "kommunalpolitische Lebenswerk", gab es am Ende Standing Ovations von den Stadtratskollegen - eine Ehrbezeugung, die auch die Corona-Regeln nicht verbieten.

© SZ vom 02.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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