Freising:"Slacklinen bedeutet die ständige Suche nach Balance"

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Für Lukas Irmler ist Slacklinen das beste Medium, Erfolg zu haben, seine Grenzen zu verschieben, scheinbar Unmögliches möglich werden zu lassen. (Foto: Marco Einfeldt)

Der Freisinger Lukas Irmler betreibt seit 2011 diesen Sport professionell und verdient Geld bei Shows, mit Vorträgen und Workshops. Lebensmüde ist er aber nicht. Es geht ihm darum, sich immer wieder neue Ziele zu setzen, immer wieder seine eigenen Grenzen zu verschieben

Interview von Gudrun Regelein, Freising

Fast einen halben Kilometer lang - exakt 470 Meter - ist die derzeitige Weltrekordlänge im Highlinen, also im Slacklinen in großer Höhe. Kürzlich hat der Freisinger Lukas Irmler gemeinsam mit Freunden ein Band in dieser Länge in Frankreich aufgebaut - und hat es mit nur wenigen Stürzen überquert. "Cool, zu sehen, dass das machbar ist", sagt Irmler. Es gehe ihm darum, sich immer wieder neue Ziele zu setzen, immer wieder seine eigenen Grenzen zu verschieben. Im Gespräch mit der SZ Freising erzählt der Profi-Slackliner, was ihn an diesem Sport fasziniert, wie man davon leben kann - und weshalb er Madonna einen Korb gab.

SZ: "Sind Sie lebensmüde, Herr Irmler?" titelte die Bild-Zeitung im vergangenen Jahr, nachdem Sie die Victoria-Wasserfälle überquert hatten. Sind Sie es?

Lukas Irmler: Absolut nicht. Das, was ich mache, das Slacklinen, macht mein Leben aus. Aber deshalb bringe ich mein Leben nicht leichtsinnig in Gefahr. Meine Freundin, meine Familie, meine Freunde und die Uni sind auch Teil meines Lebens. Es gibt Sportler, die sagen "Slacklife or no life", der Typ bin ich aber nicht. Das ist für mich nicht die richtige Balance.

Wie groß ist denn die Verletzungsgefahr in so ausgesetzten Höhen?

Das Risiko, sich zu verletzen, ist sehr vielschichtig. Beim Highlinen beispielsweise, wenn man in den Bergen über Schluchten läuft, sind Stürze nicht sonderlich gefährlich, wenn man das richtige Material verwendet und mit Erfahrung und Verstand an den Aufbau herangeht. Man kann sich an der Leine oder am Sicherungsseil verletzen, aber das ist mir noch nicht passiert. Gefährlicher an sich ist es, wenn man in den Bergen rumkraxelt, um die Line aufzubauen. Oft hat man keine Sicherungspunkte und ist abseits von bestehenden Routen an Orten, wo man eigentlich nicht sein sollte.

Sie sind seit 2011 professioneller Slackliner. Kann man davon leben?

Ja, kann man. Ich habe Sponsoren, die meine Reisen finanzieren. Daneben gibt es Events, die ich organisiere oder mitorganisiere. Ja, und dann verdiene ich Geld bei Shows, mit Vorträgen und Workshops. Auf dem großen Feld der Selbstvermarktung fungiere ich als kleiner Unternehmer - einen wirklichen Manager habe ich nicht.

Bedeutet das aber nicht, dass Sie nach dem Motto "schneller, höher, weiter" für Ihre Sponsoren immer auf der Jagd nach neuen Rekorden letztendlich sein müssen?

Das ist natürlich ein wesentlicher Faktor - und auch ein Druckfaktor. Ich muss mir immer etwas Neues ausdenken, neue Herausforderungen finden. Um Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, habe ich für mich das Slacklinen an ungewöhnlichen Orten entdeckt. Das sind teilweise Locations, die schwierig zu erreichen sind, wie beim Höhen-Weltrekord in Peru auf 5200 Metern. Als Nächstes werde ich bei einem großen Event in Polen zwischen den Masten eines Schiffes meine Slackline aufbauen. So etwas weckt Aufmerksamkeit.

Slacklinen ist für Sie eine Obsession, sagten Sie einmal. Was fasziniert Sie daran so besonders?

Vielleicht ist es eine Suche nach ständiger Verbesserung. Für mich ist Slacklinen das beste Medium, Erfolg zu haben, meine Grenzen zu verschieben. Scheinbar Unmögliches in kurzer Zeit möglich werden zu lassen. Es ist cool zu sehen, es ist ja doch machbar. Wenn ich auf der Slackline stehe, reduziert sich alles auf die Länge, die ich vor mir habe. Es hat eine meditative Komponente, aber auch eine physische. Slacklinen bedeutet die ständige Suche nach Balance: Jeder Moment birgt Unsicherheit, jederzeit könnte man abstürzen. Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht, das ist das Spannende an der Sportart

Der "Tanz auf schmalem Band" schaut so mühelos aus. Ist er aber nicht: Wie trainieren Sie?

Ich trainiere hauptsächlich auf der Slackline selbst. Bei sehr langen Highlines arbeite ich mich schrittweise an das Ziel heran. Daneben habe ich auch mit einem Ausgleichstraining begonnen und werde durch einen Physiotherapeuten betreut, der mir hilft, an meinen Schwächen zu arbeiten.

Und mental? Wie wichtig ist der Kopf bei Ihren Rekordversuchen?

Es ist sicherlich eine meditative Tätigkeit, eine lange Slackline zu laufen. Man muss sich fokussieren, muss sich sehr lange konzentrieren. Gefühlt kommt man nicht vom Fleck. Es ist sehr wichtig, den Kopf frei zu bekommen und Selbstbewusstsein zu haben. In dem Sinne, dass man weiß, dass man es schaffen kann. Deshalb taste ich mich in der Vorbereitung schrittweise an mein Ziel heran. Und setze mir auch bei einem Rekordversuch kurze, machbare Ziele. Also beispielsweise die nächsten 50 Schritte zu gehen, dann wieder die nächsten 50. Niemals nur das Ende als Ziel zu haben, das ist wichtig.

Sie sind als Profi viel unterwegs: Vor Kurzem waren Sie in Frankreich, jetzt geht es nach Polen. Genießen Sie Ihr Vagabundenleben?

Reisen ist für mich ein wichtiger Bestandteil meines Lebens. Nur in Parks zu gehen und auf einer Line Tricks zu üben, würde mir nicht mehr reichen. Mich reizt es, mit meiner Slackline an unbekannte Orte zu gehen. Ich bin aber meistens im Sommer unterwegs, im Winter bin ich oft über eine lange Phase in Freising und das ist mir auch wichtig. Mir ist aber auch bewusst, dass ich irgendwann einen Schlussstrich unter meine professionelle Karriere ziehen muss, dann, wenn Slacklinen auf diesem Niveau keinen Sinn mehr macht. Das ist auch eine Altersfrage.

Als Sie Madonna einen Korb gaben, waren Sie allerdings noch sehr jung . . . was ist damals passiert?

Madonna hat 2012 für ihre Welttournee einen Slackliner gesucht, der in ihrer Show auftreten sollte. Ich wurde gefragt. Natürlich war es eine große Chance, aber ein Jahr Tournee hätte bedeutet, meine Träume und Projekte aufschieben zu müssen und meine Familie und Freunde zurücklassen zu müssen. Das wollte ich nicht.

© SZ vom 06.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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