Nach einem Schlaganfall:Wieder ins Leben zurückfinden

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Wenn sich das eigene Leben immer nur um andere dreht, ist das schwer, kann aber auch erfüllend sein. (Foto: Markus Scholz/dpa-tmn)

Der Freisinger Verein "Phoenix" unterstützt Menschen mit erworbenen Hirnschäden und deren Angehörige. Nun soll eine eigene Begegnungsstätte geschaffen werden. Tageweise sollen sich Betroffene dort, in einem geschützten Raum, austauschen können, Abwechslung vom Alltag von zu Hause finden - und neuen Mut schöpfen.

Von Gudrun Regelein, Freising

"Phoenix-OASE": so heißt das Pilotprojekt des Freisinger Vereins "Phoenix". Dessen Ziel ist, Menschen, die nach einem Schlaganfall unter Folgeschäden leiden, und deren Familien zu stärken und zu unterstützen. Nun will der Verein mit Phoenix-OASE eine Begegnungsstätte für die betroffenen Menschen schaffen, es wird bayernweit die erste sein, berichtet Vorsitzende Inge Thaler. Tageweise sollen sich Menschen mit erworbenen Hirnschäden dort, in einem geschützten Raum, austauschen können, Abwechslung vom Alltag von zu Hause finden - und neuen Lebensmut schöpfen. Für die pflegenden Angehörigen dagegen werde das Angebot eine Entlastung sein, zumindest stundenweise.

"Eine Begegnungsstätte ist schon immer unser großer Wunsch gewesen. Ein adäquates Angebot im Landkreis nämlich fehlt bislang", betont Inge Thaler. Betroffene würden häufig nirgendwo aufgenommen, sie fallen durch die Raster für Reha-Therapien oder sich anschließende Maßnahmen. Oft bekomme man nur zu hören, man solle sich einen Pflegeplatz suchen. Inge Thaler weiß, wovon sie spricht, sie hat ihren Mann nach seinem Schlaganfall 18 Jahre lang bis zu dessen Tod begleitet. Es passierte im April 1994. Gerade hatten Inge Thaler und ihr Mann Reiner sich noch unterhalten - als sie wenige Minuten später wieder in den Garten kam, lag er reglos auf dem Boden. Schlaganfall. Von einem Moment zum anderen war die Familie aus ihrem vorherigen Leben katapultiert worden. Reiner Thaler konnte nicht mehr gehen, nicht mehr sprechen, musste alles mühsam neu lernen. Ein Jahr später folgte der zweite Schlaganfall, die Geschichte wiederholte sich, nur dass die Prognose diesmal "nicht-rehafähig" lautete. Für die Angehörigen bedeute das eine ungeheure Belastung.

Austausch in Selbsthilfegruppen

Sie habe sich in dieser Zeit sehr alleine gelassen gefühlt, sagt Inge Thaler. 2001 gründete sie schließlich mit einem anderen betroffenen Angehörigen eine Selbsthilfegruppe. Durch die Krankheit werde man völlig aus dem alten Leben gerissen, viele Freunde zögen sich allmählich zurück, es bestehe die Gefahr, sich abzukapseln. Das trifft auch auf die Betroffenen selbst zu. 2004 entstand dann aus dieser Gruppe der Verein "Phoenix". Der Verein möchte beraten, ein Netz aufspannen, wenn Betroffene und Angehörige das eigene und das gemeinsame Leben neu gestalten müssen. Viel ist seitdem bereits passiert: Neben dem Austausch der Angehörigen in einer eigenen Gruppe, gibt es seit 2012 auch eine für die Betroffenen. Diese wird von zwei Krankenschwestern betreut, die Unterstützung leisten.

Ein alltägliches Leben erfahren

Seit 2016 wurde zudem an vier Samstagen im Jahr eine strukturierte Freizeitbegleitung für die Betroffenen angeboten. Es wurde gemeinsam eingekauft und danach gekocht, die Eisdiele, das Kino oder ein Badeweiher besucht. "Es geht es darum, trotz aller Einschränkungen ein alltägliches Leben zu erfahren", erklärt Inge Thaler. Das helfe, wieder Lebensfreude zu finden, wieder einen Sinn im Leben zu erkennen. Das Angebot wurde 2019 schließlich auf insgesamt acht Samstage erweitert. "Corona hat dann aber alles lahmgelegt", sagt Thaler. Denn seit 2020 dürfe man die Räume der Tagesstätte der Arbeiterwohlfahrt (Awo) Freising, in denen früher alle Treffen stattfanden, nicht mehr nutzen. Zum Schutz der vulnerablen Senioren, die dort betreut werden. "Seitdem gab es Treffen auf privater Basis, im Biergarten beispielsweise", erzählt Thaler. Seit kurzer Zeit darf Phoenix nun das Begegnungscafé der Lebenshilfe an einigen Samstagen nutzen. "Wir sind sehr dankbar dafür", sagt sie.

Suche nach Sponsoren und Räumen

Das aber sei nur eine Überganglösung. Ziel sei eine eigene Begegnungsstätte. Ein Projektmanager, Mitglied im Verein, kümmere sich glücklicherweise ehrenamtlich um alles. Im nächsten Schritt sollen nun Sponsoren und Spender gesucht werden. "Wir brauchen unbedingt konkrete Zusagen für die Finanzierung." Und dann müsse der Verein, der mittlerweile 106 Mitglieder zählt, natürlich auch noch geeignete Räume finden. Freisings Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher und Landrat Helmut Petz, der die Schirmherrschaft für Phoenix-OASE übernehmen wird, haben zwar Unterstützung zugesichert, aber: "Räume können uns weder die Stadt noch das Landratsamt zur Verfügung stellen." Falls aber alles optimal laufe, könnte die neue Begegnungsstätte Anfang 2023 eröffnen. "Das zumindest wäre unser Wunsch."

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