Freising:"Mitten aus dem Leben gerissen"

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Nach einem Schlaganfall ist für Betroffene und Angehörige nichts mehr wie vorher. Der Verein Phoenix unterstützt Menschen mit erworbenen Hirnschäden und plant mit einer neuen Begegnungsstätte ein Projekt, das vorbildhaft für ganz Bayern sein könnte.

Von Pauline Held, Freising

Seit 2004 unterstützt der Freisinger Verein Phoenix Menschen mit erworbenen Hirnschäden, etwa nach einem Schlaganfall. Jetzt plant der Verein ein neues Projekt, das ein Vorreiter für ganz Bayern sein könnte: Mit der "Phoenix-Oase" will er eine Begegnungsstätte für Betroffene schaffen, in der sie von Fachkräften gepflegt und betreut werden. Schirmherren, Pflegepersonal und ein fertiges Konzept gibt es schon. Nun sucht der Verein händeringend nach passenden Räumlichkeiten, damit das Projekt im Juli kommenden Jahres starten kann.

"Als man mir damals sagte, ich soll meinen 44-jährigen Mann nach seinem Schlaganfall in ein Altenheim stecken, war ich fassungslos", sagt Inge Thaler, Vorsitzende des Vereins. Wie ihrer Familie gehe es vielen Betroffenen in Deutschland, die in jungen Jahren einen Schlaganfall erleiden. Es fehlt an geeigneten Betreuungseinrichtungen, Angehörige stehen unter einer Dauerbelastung. Der Verein "Phoenix" will das ändern und einen Raum schaffen, in dem sich die Betroffenen tagsüber austauschen können, sich verstanden fühlen und gleichzeitig von Fachpersonal und ehrenamtlichen Helfern betreut werden. So müssten sie nicht direkt in ein Altenheim, Pflegekassen und betroffene Familien werden entlastet.

Familien können der Dauerbelastung nicht standhalten

"Es ist keine Tagespflege, sondern eine Begegnungsstätte", betont Thaler. "Unsere Betroffenen wurden mitten aus dem Leben gerissen und hatten noch viel vor. Wir müssen ihnen das Gefühl geben, dass sie wertvoll sind." Vereinsmitglied Selma Beck ist Krankenschwester. Sie weiß, wie sich Patienten mit Schlaganfall fühlen: "Irgendwann sind die Patienten zuhause und dann müssen die Familien damit umgehen. Es ist nichts mehr, wie es war." Die Betroffenen resignieren, fühlen sich ohnmächtig. Manche Familien könnten der Dauerbelastung nicht standhalten. Für viele sei im Moment der letzte Ausweg die Tagespflege eines Altenheims. Selma Beck ist aufgebracht: "Ich kann doch keinen 38-Jährigen in ein Seniorenheim stecken!"

Die "Phoenix-Oase" soll den Betroffenen neue Möglichkeiten eröffnen und Entlastung schaffen. "Es ist ein Licht am Ende des Tunnels", sagt Evangelos Skordou. Der Projektleiter präsentierte das Konzept am Donnerstag im Landratsamt. Am ersten Juli 2023 wollen sie die Oase eröffnen und zunächst bis zu fünf Betreuungsplätze pro Tag anbieten. Später wollen sie sich auf zehn Plätze steigern. Je nachdem, wie oft ein Betroffener im Monat die Oase besucht, könnte der Verein zwischen 50 und 200 Menschen aus Freising und Umgebung aufnehmen. In der Oase startet der Tag mit einem gemeinsamen Frühstück, es folgen verschiedene Angebote wie zusammen einkaufen, kochen oder entspannen. Nach dem Mittagessen können die Betroffenen basteln, singen, spazieren gehen oder Gesellschaftsspiele spielen. Am späten Nachmittag geht es für sie zurück nach Hause. "Die Menschen sehen etwas anderes, knüpfen neue Kontakte. Das führt zu einer erhöhten Lebensqualität", erklärt der Projektleiter.

"Das Leben ist für mich gelaufen"

Evangelos Skordou ist im September vergangenen Jahres zu dem Verein gestoßen, als sein 60-jähriger Freund einen Schlaganfall hatte. "Er hat sich zurückgezogen und sagte Sätze wie: Das Leben ist für mich gelaufen, vergesst mich, es wird nie wieder sein, wie es war." Skordou konnte das nur schwer aushalten.

Gemeinsam mit Inge Thaler sucht er in Freising und Umgebung seit Wochen nach geeigneten Räumlichkeiten für die "Phoenix-Oase". Rund 200 Quadratmeter groß, idealerweise im Erdgeschoss und barrierefrei sollen die Räumlichkeiten sein. Zudem müssten sie auch mit den behindertengerechten Fahrzeugen angesteuert werden können. "Ein kleiner Garten wäre wunderbar", meint Inge Thaler.

Wer passende Räumlichkeiten vermieten oder zur Verfügung stellen kann, erreicht den Verein unter info@phoenix-freising.de oder unter 08161/67666.

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