Freising:"Mandarina Bavaria" ist der Renner

Lesezeit: 2 min

Die Craft-Brewer-Szene aus den USA führt zur Züchtung von neuen Hopfensorten im Hüller Institut

Von Petra Schnirch, Freising

Der Abwärtstrend ist erst einmal gestoppt. In den vergangenen Jahren war die Zahl der Hopfenpflanzer stetig zurückgegangen. Doch derzeit werde, zumindest aus marktpolitischen Gründen, kein Hopfengarten mehr stillgelegt, sagt Peter Doleschel, Leiter des Instituts für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung an der Landesanstalt für Landwirtschaft(LFL) in Freising. Die Craft-Brewer-Szene aus den USA - kleine experimentierfreudige Brauereien - hat einen Trend gesetzt, der auch in Deutschland immer mehr Anhänger findet. Dies fordert die Züchter, denn die Aromen dürfen nun eigenwilliger und charaktervoller sein.

Am Hopfenforschungsinstitut Hüll, das zur Landesanstalt gehört, werden mitten in der Hallertau seit 2006 neue Sorten gezüchtet, sogenannte Special-Flavor-Hops. Drei davon mit für Hopfen eher ungewöhnlichen zitrusartigen und exotischen Aromen sind bereits auf dem Markt und stehen in zahlreichen Hopfengärten der Region. Sie haben so klingende Namen wie etwa "Mandarina Bavaria" - ein "richtiger Renner" - oder "Hüll Melon". Zwei ganz neue Sorten könnten demnächst dazukommen. Doleschel hofft, dass sie registriert werden, doch das letzte Wort hat die Gesellschaft für Hopfenforschung. Eine der beiden - noch tragen sie nur Nummern, keine Namen - bringt Grapefruit-, Cassis-, Stachelbeer-, Zitronen- und Vanille-Aromen ins Bier ein, wie Sudversuche gezeigt haben. Die zweite verleiht dem Gerstensaft Maracuja-, Grapefruit-, Pfirsich-, Stachelbeer- und Pinien-Noten.

Zwölf Jahre dauert es nach der Kreuzung normalerweise, bis eine neue Sorte auf den Markt kommt, Großflächenversuchsanbau inklusive, denn nicht nur die Aromen sollen überzeugen. Die Pflanzen müssen Resistenzen gegen typische Hopfen-Krankheiten und Schädlinge zeigen, sie sollen sich gut an Rankgerüsten ziehen lassen und die Dolden müssen gleichmäßig verteilt sein, um nur einige der Anforderungen zu nennen. "Wir haben einen eher nachhaltigen Ansatz", sagt Doleschel. Die Nachfrage aus der Brau-Branche aber sei gewaltig. Zumindest die ersten drei Spezial-Sorten der Landesanstalt schafften es dank guter Eigenschaften schneller als üblich bis zur Marktreife.

Die Landesanstalt für Landwirtschaft ist der einzige institutionelle Hopfenzüchter in Deutschland. Ziel sei es, die Rahmenbedingungen für die hiesige Landwirtschaft zu verbessern, erklärt Doleschel. In den USA machten Pflanzer mittlerweile ein richtig gutes Geschäft mit dem Flavor-Hopfen. Doch die Landwirte hierzulande könnten nicht so einfach expandieren, sowohl was den Kapital- als auch den Flächenbedarf angeht. Während die Höfe in den deutschen Anbaugebieten meist über Generationen vererbt werden, sind es in den USA oft Personengesellschaften, die in das Geschäft einsteigen.

In Hüll werden jedoch nicht nur extravagante Hopfensorten entwickelt. Auch neue Technik testen die Mitarbeiter, beispielsweise eine sensorgesteuerte Spritzanlage. Sie wird direkt an den einzelnen Stöcken aktiviert, nicht aber dazwischen. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln lässt sich so deutlich verringern. Ein weiteres großes Thema ist die Bewässerung - und das nicht erst seit dem Hitze-Sommer 2015.

Angesichts dieser Aufgabenfülle hält Doleschel die Kritik des Obersten Bayerischen Rechnungshofs für nicht gerechtfertigt. Der hatte moniert, dass sich der Freistaat ein eigenes Institut für die Hopfenforschung leiste. Doch Hüll sei unverzichtbar, sagt Doleschel. Das sei "volkswirtschaftlich extrem gut investiertes Geld", zumal es in Deutschland keine universitäre und keine private Hopfenforschung gebe. Der Sorten-Nachschub würde ohne die Arbeit in Hüll "zum Erliegen kommen". Ausländische Züchtungen hätten sich hierzulande wegen der schwierigeren klimatischen Bedingungen nur selten bewährt.

© SZ vom 24.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: