Freising:Mal hier, mal dort

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Die Grenzen zwischen Fiktion und Realität sind fließend - das demonstriert Alexis Dworsky bei einer Performance im Schafhof

Von Katharina Aurich, Freising

Der Freisinger Künstler Alexis Dworsky bewegt sich an der Grenze zwischen Realität und Fiktion. Wie fließend diese Grenzen sind, dokumentierte er mit einer Performance im Europäischen Künstlerhaus Schafhof und stellte dabei auch sein neues Buch "Weiße Kaninchen, rote Pillen" vor. Die wichtigste Frage ist für Dworsky stets: "Wie echt ist die Wirklichkeit?".

Zunächst las der 1976 geborene Künstler, der an der TU München Landschaftsarchitektur studierte, dann an die Akademie für Bildende Künste in München ging und über die Kulturgeschichte des Dinosauriers promovierte, einige Passagen aus seinem Buch vor. Etwa 40 Gäste waren in das Tonnengewölbe des Schafhofs gekommen, um den zum Teil ziemlich schrägen Ausführungen zu lauschen.

Sie erfuhren Details aus dem Alltag des Künstlers, etwa wie er einen Schmalzpfropfen in seinem Ohr entfernen ließ. Sie sahen ein Foto von Stalaktiten aus fest geklebten Kaugummis unter einer Schulbank. Natürlich durfte auch das Foto eines Saurier ähnlichen Skeletts nicht fehlen, das Dworsky aus den Resten eines Hasenbratens konstruiert hatte. Seine Ideen entstünden aus dem Nichts, ganz von selbst, erläuterte er dem Publikum.

Der Künstler hatte den Bildschirm seines Laptops auf eine Leinwand vergrößert, sodass die Zuschauer anhand von Bildern und Filmen mitverfolgen konnten, wovon er erzählte.

Weiter ging die virtuelle und erzählte Reise in das Baskenland, wo Dworsky auf dem Jakobsweg unterwegs war. Die nächste Station war Indien, auch von dort berichtete Dworsky in seinem Buch sehr bildhaft und sparte unappetitliche Details nicht aus - wie "Detonationen" aus flüssigem Kot nach einer Lebensmittelvergiftung und Blutegel zwischen den Zehen und im Schritt. Bei seiner Rückkehr nach Freising habe er sich dann gefragt, ob seine Familie, die ihn natürlich freudig erwartete, echt sei oder eine Kopie.

Er habe gelernt, mit der Situation, der Unsicherheit, zu leben, ließ er sein Publikum wissen. Dworsky's Leidenschaft ist das Reisen, denn man sieht die Welt nach der Rückkehr auch zu Hause ganz anders. Aber man müsse gar nicht mehr wegfahren, sondern könne auch digital, zum Beispiel mit Google Street View, verreisen, meinte der Künstler.

2011 erhielt er für das Vorhaben "Mit Google Street View um die Welt reisen" das Projektstipendium Junge Kunst/Neue Medien der Stadt München. Am Bildschirm, auf dem ein gelbes Männchen und ein grüner Pfeil zu sehen waren, demonstrierte Dworsky diese Reise. Der Künstler zog sich dazu einen gelben Anzug an und fuhr mit einem grünen Skateboard lautstark über die Holzdielen des Tonnengewölbes. In seinem nächsten Film nahm Dworsky PC-Spiele, zum Beispiel eines, das im Venedig vergangener Zeiten spielte, als Vorlage, um sich dann selbst mit einem Kostüm wie im PC-Spiel bekleidet, beim Fassadenklettern und Gondelfahren in Venedig zu filmen.

Damit wolle er die fließenden Grenzen zwischen Realität und Fiktion verdeutlichen, er selbst habe nach langer Zeit am Bildschirm Mühe gehabt, diese Grenze zu ziehen, sagte der Freisinger Künstler. Der Unterschied zwischen einer digitalen Reise und einer realen sei dennoch gewaltig: Am PC sei man oft recht einsam, unterwegs könne man dagegen soziale Kontakte knüpfen.

Alexis Dworsky's Projekte und Texte sind auch in seinem neuen Buch "Weiße Kaninchen, rote Pillen" - ein sinnfreier Titel, wie der Künstler auf Nachfrage sagte, dokumentiert.

© SZ vom 28.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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