Kurse zum Älterwerden:Hippe Opas braucht es nicht

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"Besser ein heiterer Lebenskünstler als ein erstarrter Held", findet Ernst Würschinger. Der Pastoralrefernt bietet Kurse für alternde Männer an. Denn nur echte Helden wie bei den Schweizern Wilhelm Tell (Statue) bleiben in ihren Geschichten auf ewig jung. (Foto: imago/alimdi)

Auch "Alphamänner" müssen keine Angst vor dem Alter haben, sagt Ernst Würschinger. Der Seelsorger der Erzdiözese München-Freising hilft Männern aus der Sinnkrise. Sich immerfort aufzumotzen, findet er "peinlich".

Von Christian Gschwendtner, Freising

Auf der Zielgeraden des Berufslebens ist die Angst der Männer am größten, glaubt Pastoralreferent Ernst Würschinger. Der traditionelle Mann definiere sich nun mal stark über seinen Job. Ist mit dem Arbeitsleben aber Schluss, schwinden die Kräfte, dann sei die Sinnkrise programmiert. Gut, dass es da jemanden wie Würschinger gibt. Seit beinahe zehn Jahren leitet er die katholische Männerseelsorge der Erzdiözese München-Freising.

Der richtige Umgang mit dem Älterwerden ist seither so etwas wie sein Lebensthema geworden. Würschinger, 58, will zweifelgeplagten Alphamännern die Angst nehmen.

Das Publikum, das sich in Würschingers Kursen einfindet, reicht vom Chefarzt bis zum Landwirt

Da trifft es sich besonders gut, dass Würschinger selbst auf das Ende seiner Karriere zusteuert. Vom kommenden November an will auch er kürzer treten, nur noch 30 Stunden pro Woche arbeiten. Dafür stellt der Fachbereich Männerseelsorge in Freising einen neuen Jungkollegen ein, der sich dann schwerpunktmäßig um das Vater-Kind-Angebot kümmern soll. Würschinger will sich hingegen ganz aufs Altwerden konzentrieren.

Bereits jetzt bietet er entsprechende Seminare in der Benediktinerabtei in Niederaltaich an. Es geht um den "Abschied vom Beruf", "die neuen Rollen, die ,mann' jetzt in der Familie spielen darf". Mit Entspannungsübungen, Textimpulsen und einem solidarischen Austausch will Würschinger die Männer fit fürs Alter machen. Inhaltsbedingt ist die Zielgruppe solcher Seminare natürlich klar definiert: Zu Würschinger kommen in der Regel Männer zwischen 65 und 75 Jahren. Ansonsten ist das Publikum, das sich dort einfindet, bunt gemischt - es reicht vom Chefarzt bis zum Landwirt. Einig verbunden sind sie alle in ihrer Suche nach einem Patentrezept für den richtigen Umgang mit körperlichem Niedergang.

"Seit ich das gelesen habe, fühle ich mich wieder viel jünger"

Ernst Würschinger ist genau ihr Mann. Ein Espresso im Büro des Männerseelsorgers reicht aus, um ganz sicher zu sein. Der Pastoralreferent sitzt auf einem Schreibtischstuhl mit dem Habitus eines Intellektuellen: schwarzer Pullover, schwarze Cordhose. Gegenüber stapelt sich die einschlägige Fachliteratur auf dem Ikea-Beistelltisch. Gibt es ein neues Buch übers Älterwerden, Würschinger hat es höchstwahrscheinlich schon gelesen. Sehr zu empfehlen sei beispielsweise Hajo Schumachers Leitfaden für "ein gutes, lustiges und bezahlbares Leben im Alter", sagt er. Das Buch trägt den sehr unmissverständlichen Titel Restlaufzeit und liegt weit oben auf Würschingers Bücherturm. "Seit ich das gelesen habe, fühle ich mich wieder viel jünger", sagt er.

Bei allem theoretischem Überbau, Ernst Würschinger ist ein Mann der Praxis. Vor seiner Tätigkeit als Seelsorger war er 20 Jahre als Eheberater unterwegs, eine psychologische Zusatzausbildung hat er obendrein absolviert. "Der Mensch hat mich immer interessiert", sagt der Pastoralreferent.

Ernst Würschinger hilft dem alternden Mann in der Sinnkrise. (Foto: privat)

Und was sich Würschinger so über die Jahre angeeignet hat, das kann er in knackige Ein-Satz-Botschaften zum Großthema Älterwerden verpacken: "Besser ein heiterer Lebenskünstler als ein erstarrter Held", oder: "Wir sind nicht mehr so schnell, aber wir kennen die Abkürzungen." Überhaupt gibt es nach Meinung des Katholiken Würschinger nichts Peinlicheres, als sich immerfort aufzumotzen und so zu tun, als würde man nicht altern.

Damit diese Message auch bei den Kursteilnehmern ankommt, hat er einen Punkteplan ausgeheckt. Es geht um die fünf Säulen der Identität, die es ins Rentnerdasein hinüberzuretten gilt. Würschinger will die "alten Männer" dabei begleiten.

© SZ vom 05.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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