Jahreswechsel:Lautes Spektakel in der Silvesternacht

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Des einen Freud, des anderen Leid: Viele Menschen werden, wie auf diesem Bild, ein Feuerwerk zünden. Für die einen ist das ein großer Spaß. Andere wiederum ärgern sich über Lärm und eine hohe Feinstaubbelastung. (Foto: Renate Schmidt)

Das Jahr 2023 kann nach der Coronapause endlich wieder fröhlich böllernd begrüßt werden - zum Leidwesen mancher. Die Knallerei ist aber nicht überall erlaubt und Experten warnen vor der gesundheitsschädlichen Feinstaubentwicklung.

Von Tobias Merk, Freising

Feuerwerke als Neujahrsritual erzeugen unterschiedliche Gefühle: Während viele Menschen das beeindruckende Farbenspiel am Himmel genießen, bereitet diese Form der Jahresbegrüßung anderen wegen des Lärms und der Feinstaubentwicklung Unbehagen. Nachdem in den vergangenen beiden Jahren aufgrund der Coronapandemie der Übergang in das neue Jahr wesentlich ruhiger verlaufen ist, sind Silvestersausen dieses Mal wieder in altbekannter Weise möglich.

Die einzelnen Kommunen der Region haben daher in den vergangenen Wochen Handhabungen festgelegt, wobei das Zünden von Feuerwerkskörpern in Erding in dem Bereich, der von den Straßen Am Herzoggraben und Am Mühlgraben umgeben wird, erstmals untersagt ist. "Da durch das Verbot nur ein geringer Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit erfolgt, gilt das Abbrennverbot als angemessen und beschränkt die Besucher nicht unzumutbar in ihren Rechten", erklärt der Pressesprecher der Stadt, Christian Wanninger, dazu.

So wüst sah es 2010 auf dem Neufahrner Marktplatz aus. Der Boden war mit Resten des nächtlichen Feuerwerks bedeckt. Diese Zeiten sind vorbei. Der Marktplatz ist mittlerweile böller- und raketenfreie Zone. (Foto: Renate Schmidt)

In den umliegenden größeren Kommunen wie Moosburg oder Neufahrn gilt Ähnliches, wobei Moosburgs Innenstadt dieses Mal großräumig feuerwerklos bleiben muss, während in Neufahrn wie bereits vorpandemisch im Areal um den Marktplatztreff sowie am Rathausvorplatz das Abfeuern von Pyrotechnik untersagt bleibt.

Auch in Freising gibt es wieder stärkere Einschränkungen, wobei Feuerwerke erneut im gesamten Innenstadtbereich verboten sind. "Aufgrund einer maximalen Steighöhe von 100 Metern, wie sie in Deutschland zugelassene Feuerwerkskörper erreichen können, dürfen sich beim Zünden einer Silvesterrakete keine Kirchen, Krankenhäuser, Kinder- und Altenheime oder historische Gebäude in einem Umkreis von jenen 100 Metern befinden", heißt es vonseiten der Stadtverwaltung dazu. Grundlage für diese Maßnahmen liefert die bundesweite Verordnung zum Sprengstoffgesetz, die im Zuge eines Großbrandes auf dem Tübinger Marktplatz beim Jahreswechsel 2008/2009 deutlich verschärft wurde.

Feinstaub löst Entzündungen und Stress in Zellen aus

Neben potenziellen kurzfristigen Gefahren in Zusammenhang mit Feuerwerkskörpern birgt insbesondere auch der aus diesen resultierende Feinstaub Gesundheitsrisiken. "Feinstaubpartikel lösen Entzündungen und Stress in menschlichen Zellen aus. Hält dies über einen längeren Zeitraum an, kann es zu Erkrankungen führen", heißt es vom Umweltbundesamt dazu. Auch wenn die erhöhte Belastung nicht von langer Dauer ist, ist diese nicht gerade geringfügig. Für den Zusammenhang zwischen Pyrotechnik und Umweltauswirkungen gibt es allerdings bis dato nur eine überschaubare Anzahl an wissenschaftlichen Untersuchungen, wobei eine vom Verband der pyrotechnischen Industrie (VPI) in Auftrag gegebene unabhängige Erhebung 2020 erstmals zeigte, wie stark die Feinstaubbelastungen durch Feuerwerke zum Jahreswechsel konkret sind. Demnach würden in Deutschland in einer Silvesternacht etwa 2000 Tonnen Feinstaub freigesetzt werden, was etwa einem Prozent der jährlich insgesamt freigesetzten Menge entspricht.

Zunehmende Erkenntnisse wecken dabei kritische Stimmen. So heißt es beispielsweise vonseiten des Bürgerverein Freising (BV), der sich seit Ende 2016, insbesondere mit Blick auf die Diskussionen um eine dritte Start- und Landebahn am Flughafen im Erdinger Moos, kritisch mit Feinstaubbelastungen auseinandersetzt: "Unbestritten bereiten das bunte Funkeln und Glitzern des Silvesterfeuerwerks Freude und Hoffnung zu Beginn des neuen Jahres. Unbestritten sind aber auch die umwelt- und gesundheitsschädlichen Emissionen, die beim Abfeuern des Feuerwerks entstehen. Wie Messungen des BV Freising gezeigt haben, führt das Abfeuern zu sehr hohen Konzentrationen ultrafeiner Partikel in der Atemluft". Die Vorsitzende des Vereins, Katrin Stockheim, hält daher "zum Schutz der Gesundheit" ein generelles Verbot für "angebracht". Bis dahin wäre aus ihrer Sicht "ein Verzicht oder zumindest eine drastische Einschränkung wünschenswert".

Tiere leiden in der Folge von Feuerwerken unter Todesangst

Auch für die Fauna stellt das pyrotechnische Ritual nach Ansicht der Leiterin des Freisinger Tierheims, Nicole Gruber, eine "absolute Katastrophe" dar. Tiere würden in Folge von Feuerwerken unter "Todesangst" leiden. Keineswegs plädiert der Tierschutzverein dafür, "alles zu verbieten", aber "stärkere Begrenzungen" würde man definitiv begrüßen. Weit reichende Verbote scheinen ohnehin einen Zeitgeist zu treffen. Eine repräsentative Umfrage der Verbraucherzentrale Brandenburg kam jüngst zu dem Ergebnis, dass 53 Prozent der Bundesbürger tatsächlich zumindest ein Verbot des privaten Abfeuerns befürworten würden.

Dies deckt sich dabei so gar nicht mit den derzeitigen Erfahrungen von Florian Wessel, einem Anbieter von pyrotechnischen Produkten aus der Region. Bei seinem Unternehmen "Pyro Rabitt" würde man gegenwärtig nach den beiden pandemiebedingten Flautejahren eine unvergleichliche Nachfrage erleben. Bereits vor Weihnachten seien bei ihm fünfmal so viele Vorbestellungen eingegangen wie in Vorjahren. Auch das Klinikum in Erding erwartet "einen Nachholeffekt", wie Chefarzt Jörg Theisen auf Nachfrage mitteilt. Auf diesen sei man allerdings auch "relativ gut vorbereitet" und könnte gegebenenfalls "mehr Verletzte" versorgen.

Ein solcher Effekt wird im Freisinger Klinikum dagegen nicht erwartet. Wenn überhaupt, würden Notaufnahmen im Zusammenhang mit neujahrsbedingten Alkoholexzessen Sorgen bereiten, erklärt Kliniksprecher Sascha Alexander. Bei Notfällen im Zusammenhang mit Pyrotechnik gehe man von "keinem speziellen Problem" aus und erwarte folglich auch keine "signifikanten Mehreinweisungen". Der Chefarzt der Notaufnahme, Martin Kawald, kommt mit Blick auf das derzeitig generell hohe Patientenaufkommen und einem gleichzeitig bestehenden Personalmangel ohnehin zu dem Schluss: "Bei uns ist jeden Tag Silvester."

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