Extreme Wartezeiten:Engpass bei Freisinger Kinderärzten

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Vor einigen Praxen stehen kleine Patienten derzeit Schlange, bis zu drei Stunden betragen die Wartezeiten. Manche Eltern warten mit ihren Kindern bereits im Auto, um nicht statt nur Salbe auch noch Streptokokken mit nach Hause zu nehmen.

Von Eva Zimmerhof und Gudrun Regelein, Freising

Scharlach, Streptokokken, Darmgrippe, Läuse: Im Wartezimmer des Kinderarztes tummeln sich zwischen Bilderbüchern und Bauklötzen nicht nur die lieben Kleinen, sondern auch zahlreiche Keime. Je länger die Wartezeit, desto größer der Pool der Ansteckungsmöglichkeiten. Bei Freisinger Kinderärzten sei derzeit die Hölle los, heißt es im Internet. In überfüllten Räumen quengeln erschöpfte Kinder, die erschöpften Eltern sind ratlos.

Drei Stunden Wartezeit solle ihr Kind in der Praxis des Kinderarztes Jürgen Ratay in Kauf nehmen, berichtet eine Mutter in der Facebook-Gruppe "Treffpunkt Freising". Viel zu lang, findet sie. Für ihre einjährige Tochter mit Nagelbettentzündung sucht sie nach einer Alternative und postet: "Ist denn die Kinderarztsituation in dieser Stadt so unglaublich schlecht?"

Kinderarzt Jürgen Ratay arbeitet an einer Lösung

Jürgen Ratay berichtet von seiner Praxis, dass "die Leute zum Teil bis ins Treppenhaus" stehen oder "wegen der Ansteckungsgefahr in ihren Autos" warten. "Das hängt damit zusammen, dass wir seid Januar noch die Patienten von Doktor Fenge haben, dass wir im Gegensatz zu anderen Ärzten keinen Aufnahmestopp haben und dass wir nur ein Wartezimmer nutzen können", sagt Ratay. "Terminpatienten warten bei uns normalweise eine Halbe- bis Dreiviertelstunde, bei Akutpatienten, die in die Sprechstunde kommen, kann es länger dauern. Sie kommen nach der Reihenfolge und oder Erkrankungsschwere dran." Doch Ratay arbeitet an einer Lösung, die Entlastung bringen soll. So möchte er demnächst einen beheizten Container als zusätzliches Wartezimmer aufstellen, um infektiöse Patienten von anderen zu trennen. Eine "vorläufige Lösung", denn Ratay hat bei der Stadt den Antrag gestellt, noch in diesem Jahr anbauen zu dürfen.

Die Antworten sind vielfältig, unzufrieden sind die User nicht mit den Ärzten, sondern mit den Wartebedingungen. Bei der Kinderärztin Karola Börzsönyi hätten sie eineinhalb Stunden warten müssen "und die Leute saßen bis vor die Anmeldung auf dem Boden", berichtet eine Mutter. Karola Börzsönyi war eine Stellungnahme wegen "laufender Sprechstunde" gestern nicht möglich. "Die Terminvergabe liegt in der Verantwortung des Arztes", sagt Birgit Grain von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB). "Einzige Vorgabe ist, dass Akut- und Schmerzpatienten dabei vorzuziehen sind."

"Wenn wir eine Scharlach-Welle haben, ist das Chaos programmiert", sagt Udo Rampf

Einen Aufnahmestopp - laut KVB ist er erlaubt - gibt es auch in der Praxis von Angela Lautner und Udo Rampf nicht, derzeit habe man aber bei den frühen Vorsorgeuntersuchungen, die in zeitlich sehr enger Abfolge stattfinden, die Kapazitätsgrenze erreicht. Familien, die nicht schon seit längerem in der Praxis bekannt sind, würden deshalb an andere Kinderärzte weitervermittelt, sagt Rampf. Die Gemeinschaftspraxis sei eine Akutpraxis, etwa die Hälfte der Patienten komme mit einer Erkrankung, die sofort behandelt werden müsse. "Wenn wir beispielsweise eine Scharlach-Welle haben, müssen wir die erkrankten Kinder natürlich vorziehen. Dann ist das Chaos an diesem Tag programmiert", so Rampf. Mit den meisten anderen Patienten sei der Kontakt aber eng, die hätten Verständnis.

"Ohne Not muss aber niemand bei uns warten", betont Rampf. Patienten, die wegen einer Impfung oder eines Ultraschalls kommen, schlage man vor, den Termin zu verschieben oder später wiederzukommen. Die Wartezeiten seien meist erträglich: "Ich habe zumindest nicht den Eindruck, dass unsere Patienten unzufrieden sind." Alle Kinderärzte in Freising - insgesamt gibt es drei Praxen sowie eine kinderpsychologische Praxis - hätten zwar viel zu tun, "aber im Großen und Ganzen funktioniert die Versorgung in Freising gut", sagt Rampf. Diese liegt im Landkreis bezogen auf das Verhältnis von Kinderärzten zu den Einwohnern, die unter 18 Jahre alt sind, laut KVB bei 113,6 Prozent. "Damit ist der Bereich für Neuzulassungen gesperrt", sagt Pressereferentin Birgit Grain. "Ab 110 Prozent spricht man statistisch von einer Überversorgung."

© SZ vom 25.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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