Freising:Die Rückkehr der Krauterer

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Bei den Besuchern der Ausstellung "Im Kraut" im Freisinger Diözesanmuseum wurden am Freitag Erinnerungen an die Schuljahre im Knabenseminar wach. (Foto: Sebastian Widmann)

Im Freisinger Diözesanmuseum treffen sich 100 Männer, die dort bis 1972 das Knabenseminar besucht haben. Ihre Erinnerungen sind überwiegend positiv, weil die Schule viele Bildungsaufstiege ermöglichte

Von Gudrun Regelein, Freising

Viele alte Erinnerungen werden wieder wach, als sich am Freitag über 100 "Krauterer", ehemalige Schüler des Freisinger Knabenseminars, bei einem großen Klassentreffen wiedersehen. "Schauen Sie einmal, das da in der zweiten Reihe, das bin ich", ruft ein älterer Herr erfreut und zeigt auf eines der unzähligen Fotos, die das Leben im Knabenseminar in einer Ausstellung im Diözesanmuseum dokumentieren.

Die Aufnahme aus dem Jahre 1959 zeige seine Abschlussklasse, erzählt Norbert Regul. Sogar drei Damen sind darauf zu sehen, die damals - natürlich als Externe - gemeinsam mit den Buben ihr Abitur gemacht hatten. "Ich habe mich sehr auf das Wiedersehen gefreut", sagt Norbert Regul, pensionierter Volksschulrektor aus Dietramszell. Die Zeit im Knabenseminar sei sehr prägend gewesen, erzählt er, "ich habe sie sehr genossen und es nie bereut". Auch wenn es nicht nur schöne Erinnerungen gebe - einmal, als er während der geistlichen Lesung in seinem Karl May geschmökert habe, bekam er als Strafe eine riesige Watschn. "Hätte ich mal den Karl May besser versteckt", sagt Regul heute und lacht.

Etwa 180 Krauterer habe man angeschrieben und im Rahmen des Museumsfests "Zwischenspiel" zu einem Treffen eingeladen - über 100 seien gekommen, sagt Diözesanmuseums-Direktor Christoph Kürzeder bei der Begrüßung. Die Einladung habe eine "unglaublich hohe Akzeptanz" gefunden, die ehemaligen Schüler hätten das Seminar offensichtlich als "guten Lebensraum und nicht als Leidensraum" in Erinnerung. "Sie haben gerne hier gewohnt, denn Sie sind alle wiedergekommen", sagt Kürzeder zu den Gästen. Unter ihnen weilt auch der frühere bayerische Kultusminister Hans Zehetmair. Er sei als eines von sechs Kindern 1948 in das Knabenseminar gekommen, berichtet der 1936 in Langengeisling bei Erding geborene Zehetmair. "Ich habe große Erinnerungen an meine Zeit hier", sagt er. "Vieles haben wir mitgenommen, vieles hat mir geholfen."

Die Jahre im Knabenseminar werden bei den ehemaligen Bewohnern bei der anschließenden Führung durch das Haus wieder wach, das vor seinem mehrjährigen Umbau noch bis Sonntag geöffnet ist. Bis 1972 befand sich hier das Knabenseminar, nach zweijähriger Umgestaltung fand dann das Diözesanmuseum in dem Gebäude sein Zuhause. Im ehemaligen Studierzimmer des Knabenseminars ist derzeit die Ausstellung "Leben im Freisinger Kraut" untergebracht. "Kraut", so hieß das Seminar, da es wohl gerade in Kriegszeiten das billige Gemüse sehr häufig zu essen gab. 5495 Schüler besuchten von 1828 bis 1972 das Knabenseminar - über 1800 Absolventen wurden Priester oder Ordensleute. Fast alle der Krauterer stammten aus bildungsfernen Schichten - begabten Bauernsöhnen sollte durch den Besuch des Knabenseminars der Weg zum Priestertum geebnet werden.

"Man hatte die Chance, als armes Kind eine andere Bildung zu bekommen", sagt Leonhard Klaß. Er zählt zum letzten Jahrgang, lebte bis zur Schließung im Jahr 1972 in dem Knabenseminar. Insgesamt habe er positive Erinnerungen an diese Zeit, "aber das verklärt sich ja auch über die Jahre". "Ach ja, die Hausordnung", sagt ein anderer Krauterer und seufzt.

Dass die Schüler um 5 Uhr morgens aufstehen mussten, ist in eben jener Hausordnung von 1930 zu lesen. Der Abruf erfolgte um 5.20 Uhr, die Morgenstudien ab 5.30 Uhr - so ging der Tag getaktet weiter bis zum Nachtgebet und dem Bettgang um 20.45 Uhr. Jüngere Ausstellungsbesucher dürften sich da einen Moment über die Gnade der späten Geburt gefreut haben.

© SZ vom 16.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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