Wohnimmobilienkreditrichtlinie:Banken drehen den Geldhahn zu

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Der Traum vom Eigenheim zerplatzt für viele junge Familien mit der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie. Auch für Sanierungen bekommen viele kein Geld mehr, denn mit der Richtlinie wird die Kreditvergabe neu geregelt. (Foto: Marco Einfeldt)

Seit März gibt es eine neue Richtlinie zur Gewährung von Krediten für Immobilien. Eigentlich soll sie Menschen vor Überschuldung schützen. Doch führt sie dazu, dass manche keine Mittel für Hauskauf oder Renovierung erhalten.

Von Eva Zimmerhof, Freising

Wer einen Kredit für einen Immobilienkauf oder eine Haussanierung braucht, könnte künftig Pech haben. Seit der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie der Europäischen Union gibt es bei der Gewährung von Krediten drastische Einschränkungen: Einige Kunden, die bis zum 20. März 2016 kreditwürdig waren, seien es seit dem 21. März nicht mehr, fasst es Reinhard Schwaiger, Vorstandsvorsitzender der Freisinger Bank, zusammen. "Um Rechtsrisiken zu vermeiden, müssen die Banken nun konservativer vorgehen und im Zweifelsfall Kredite zurückhalten."

Mit der neuen Richtlinie muss die Rückzahlung eines Kredits über dessen Laufzeit wahrscheinlich sein. Der Kreditnehmer unterschreibt, dass er um die Risiken wie Krankheit, Scheidung oder Berufsunfähigkeit weiß. Wenn die Zahlungen ausbleiben - das ist im Gesetzestext formuliert - ist die Bank in der Haftung. Der Kunde könnte gegen sie klagen, wenn es ihm unmöglich wird, Zinsen und Raten zu zahlen.

Berufsunfähigkeitsversicherung als Empfehlung

Die Kreditkonditionen würden sich dadurch verschlechtern, dass sich die Banken absichern müssten, sagt Schwaiger. "Damit wird der Hauskauf oder der Umbau gerade für Menschen mit kleineren Einkommen erschwert." Eine Versicherung, deren Ausschüttung so hoch ist, dass der Kunde im Falle einer Berufsunfähigkeit die Kredite bedienen kann, sei dennoch keine Voraussetzung dafür, dass er diesen gewähre, sagt Horst Maier von der Finanzierungsabteilung der Sparkasse Freising. "Allgemein empfehlen wir unseren Kunden aber den Abschluss, ins besondere, wenn nur ein geringes Eigenkapital vorhanden ist."

Andrea Stommel von der Freisinger Bank sieht die Berufsunfähigkeitsversicherung ebenfalls nicht als Bedingung, sondern als Empfehlung für einige Kunden. "Jede Kreditberatung ist individuell - und jetzt noch individueller geworden. Man muss mittlerweile nach Tod und Teufel fragen. Einen 58-Jährigen muss man zum Beispiel nach seinem Einkommen fragen, das er hat, wenn er in Rente geht."

Bei der Prüfung der Kreditwürdigkeit werden die Lebenshaltungskosten mitgerechnet. Befürchtungen, dass diese Werte mit der Richtlinie bereits angehoben wurden, bestätigen sich weder bei der Freisinger Bank noch bei der Sparkasse. "Bei einem Ehepaar berechnet man für die Lebenshaltungskosten pro Kopf etwa 600 Euro, für eine Familie mit zwei Kindern etwa 1800 Euro", sagt Maier, "Allerdings sind diese Werte variabel, da sie einkommens- und altersabhängig sind." Auch seien die Tilgungsraten der Kredite mit der Richtlinie bisher nicht gestiegen, versichern Stommel und Maier.

Leidtragende sind junge Familien und ältere Menschen mit wenig Eigenkapital

Nicht nur für junge Familien mit geringem Eigenkapital wird es schwerer. Bei älteren Menschen, die renovieren oder ihr Haus barrierefrei gestalten wollten, würden sich die Banken künftig in vielen Fällen zurückhalten, sagt Schwaiger. Dann etwa, wenn es sich um ein Ehepaar mit bescheidener Rente handle, die den Kapitaldienst allenfalls knapp übersteigt. "Früher hätten sie die Renovierung in der Regel finanziert, da das Darlehen durch den Grundbesitz besichert gewesen wäre." Doch mit der neuen Richtlinie ist bei der Kreditwürdigkeitsprüfung das hauptsächliche Abstellen auf den Wert des Grundstücks unzulässig.

Dieser Fakt kann auch Landwirte treffen, denen landwirtschaftliche Flächen gehören, deren Liquiditätslage aber aufgrund der gesunkenen Preise für Agrarerzeugnisse angespannt ist. Früher hätten sie noch ein Darlehen etwa für einen neuen Dachstuhl erhalten, da der Wert der mit Grundschulden belasteten Grundstücke den Darlehensbetrag überstieg, so Schwaiger. "Das ist jetzt nicht mehr erlaubt."

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Im Gegenteil: Sie erschwert die Finanzierung eines Eigenheims für genau diejenigen, die es besonders nötig hätten. Gute Regulierung geht anders.

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Kommt eine "Wohnungsbau-Bremse"?

Der Grundgedanke der Richtlinie, Menschen vor Überschuldung zu schützen, ist nicht schlecht", sagt Maier. In ihrer Umsetzung sei sie aber nachbesserungswürdig. Einen "Eingriff in die persönliche Freiheit", den der Gesetzgeber korrigieren müsse, nennt sie gar der Vorstandsvorsitzende der Freisinger Bank.

Eine "Wohnungsbau-Bremse" für den Landkreis fürchtet die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt. Zu einschneidend werde sich die Richtlinie auswirken, sagt Michael Müller von der IG Bau Oberbayern. 158,1 Millionen Euro wollen Bauherren und Investoren laut Gewerkschaft zwar in den Neubau von Wohnungen im Landkreis investieren. Im ersten Halbjahr 2016 gab es Genehmigungen für 507 Neubauwohnungen (2015 waren es 369). Der zugedrehte Kredithahn werde aber zu einem starken Rückgang führen. Ebenso denkt Schwaiger: "Perspektivisch leidet auch die Baubranche. Schließlich führen weniger Kredite dazu, dass weniger gebaut und renoviert wird." "Die Nachfrage ist unverändert hoch", hält Johann Schwarz vom Sparkassen-Immobiliencenter dagegen, räumt aber ein: "Es gibt schon Kunden, die bei uns Immobilien kaufen wollen, aber keinen Kredit mehr bekommen."

© SZ vom 27.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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