Zamma-Kunst:Der Unendlichkeit näherkommen

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Die Lichtkünstler Georg Trenz und Detlef Hartung schaffen im Freisinger Dom und im Schafhof eine beeindruckende Lichtinstallation.

Von Rebecca Seeberg, Freising

Alles in einem, eines in Allem": So lautet der Text, der seit Sonntag, 5. Juli, in sich immer wieder abändernder Weise in das gewaltige Gewölbe des Doms projiziert wird. Erst nach und nach, wenn die vielen noch scheinbar unzusammenhängenden Buchstaben am Anfang der Lichinstallation zu einem ganzen Satz zusammenfinden, wird der Spruch verständlich.

Die international gefragten Künstler Georg Trenz und Detlef Hartung entwarfen diese Lichtinstallation mit dem Titel Coincidence für das Zamma-Festival. Zwei im Dom gegenüberliegende Beamer werfen das Schauspiel in schwarz-weiß an die sonst farbigen Wände. Es scheint fast, als würde der Dom atmen.

Um im Dunklen starten zu können begann die Vernissage um 21 Uhr. Davor wurde eine ähnliche Installation der beiden Künstler im Schafhof eröffnet, denn die Ausstellung ist zweiteilig. "Ähnlich und doch vollkommen anders", betont Eike Berg, der Chef des Europäischen Künstlerhauses. Schon seit geraumer Zeit habe er Dom und Schafhof mithilfe eines Kunstprojekts verbinden wollen. Denn da herrschen in vielerlei Hinsicht Gemeinsamkeiten, erklärt er.

Zunächst fällt einem beim Betrachten der Lichtinstallationen das Offensichtliche ins Auge, die räumliche Ähnlichkeit der zwei Tonnengewölbe. Doch nicht nur das verbindet die beiden Orte. "Die Kultur Freisings fand ihren Anfang am Domberg", sagt Monsignore Rainer Boeck. Kulturstätte der Stadt sei nun auch der Schafhof als Künstlerhaus.

Der Bogen zwischen der Licht-Text-Installation und der barocken Bildhauerei und Malerei im Dom schließe sich, wenn man auf das in beidem zu findende Element des Illusionistischen achtet. Trotzdem, so der Kunsthistoriker Thomas Rafft, erfordere es viel Mut eine moderne Installation in dem von bedeutenden Künstlern gestaltetem Dom zu machen. Das zentrale Thema sollte die Gleichzeitigkeit sein, durch die die zwei bedeutenden Orte Freisings miteinander verbunden werden, erklärt Hartung.

Beim Recherchieren seien die Künstler dann auf den Philosoph und Theologen Nikolaus von Kues gestoßen, der sie mit seiner Philosophie "Coincidentia oppositorum", also die Gleichzeitigkeit von Gegensätzen, beeindruckt habe. Thomas Rafft erklärt den Satz genauer: "Kues sagt also, dass unsere Welt voller Gegensätze ist und erst im Unendlichen Einen, theologisch gesprochen also in Gott aufgehoben wird." Dem Menschen werde das nicht gelingen.

Der in den Dom geworfene Satz "Alles in einem, eines in Allem" ist der Versuch, dieser Unendlichkeit näherzukommen, so Hartung. Im Schafhof dagegen wird das Wortspiel "Im Augenblick" und "Gerade" an die Holzdecke projiziert. Die Installationen lassen verschiedenste Deutungen zu. Der Raum werde zärtlich gestreichelt, meint Thomas Rafft über die pulsierenden Lichtstrahlen im Dom, Rainer Boeck spricht von einer lebendigen, den Blick verschiebenden Kirche - selbst Detlef Hartung scheint sich schwer zu tun die Ausstellung in Worte zu fassen.

"Kennen sie die Nebelkammer aus dem Physikunterricht", fragt er. "In der die kleinsten Teilchen sichtbar werden?" So verhalte es sich auch mit dem Dom. Die anfangs wie im Bienenschwarm hin und hier flitzenden Buchstaben bilden sich nach und nach zu Wörtern, dann zu ganzen Sätzen, zerfließen pulsierend und finden schließlich zu einem großen Ganzen zusammen, sodass die Schrift kaum mehr erkennbar und der Dom hell erleuchtet ist. Denn, so Rafft, "am Anfang war das Wort. Und das Wort wurde zum Kosmos."

"Coincidence" im Mariendom: Noch bis 10. Juli täglich von 21 bis 23 Uhr, im Schafhof ebenfalls bis 10. Juli täglich von 14 bis 21 Uhr.

© SZ vom 07.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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