Trauerbegleitung für Demenzkranke:"Der Kopf vergisst, aber das Herz nicht"

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Der Tod gehört zum Kreislauf des Lebens. Bestatter unterstützen die Hinterbliebenen beim Umgang mit der Trauer. (Foto: Johannes Simon)

Bestatterin Isabella Forster hat einen speziellen Kurs besucht, um an Demenz leidende Menschen bei Todesfällen besser unterstützen zu können. Sie wünscht sich generell einen offeneren Umgang der Gesellschaft mit dieser Thematik.

Von Lena Meyer, Freising

In der Gesellschaft gibt es wohl kaum ein Thema, das so tabuisiert ist wie der Tod. Darüber zu sprechen, stellt viele Menschen vor große Schwierigkeiten - die richtigen Worte wollen ihnen nicht einfallen, hinzu kommt die Angst vor dem Unbekannten. Isabella Forster, die als Bestatterin bei Karl Albert Denk in Freising arbeitet, ist das nur allzu vertraut. "Tod bedeutet Kontrollverlust", sagt sie. Dennoch gehöre er zum Kreislauf des Lebens, betreffe jeden einzelnen auf dieser Welt und sei daher als genauso normal wie die Ankunft neuen Lebens anzusehen. "Bei einer Geburt sind alle glücklich. Der Tod gehört aber genauso dazu", so Forster.

Ihr ist es ein Anliegen, Verstorbenen einen würdevollen letzten Weg zu bereiten - und dabei auch den Hinterbliebenen beizustehen und diese zu unterstützen. Problematisch kann das jedoch werden, wenn Angehörige an Demenz erkrankt sind. Diese Erkrankung sei ein "Angstthema", genauso tabuisiert wie auch der Tod, bedauert Forster, und: "Es kommt meist sehr schnell die Frage auf, ob man den an Demenz Erkrankten von einem Todesfall erzählt oder nicht", erklärt sie. Aufgrund der Krankheit könne es tatsächlich zu Nachfragen oder Unruhe kommen; je nach Stadium der Demenz ließen zudem die kognitiven Fähigkeiten nach.

Aus Sorge oder Überforderung komme es daher immer wieder vor, dass Demenzerkrankte nicht in die Planungen für Trauerfeiern einbezogen werden und diese dann auch nicht besuchten. "Damit glaubt man, Demenzerkrankte schonen zu können", spekuliert Forster. Ein Irrglaube.

Bestatterin Isabella Forster hat sich auf den Umgang mit an Demenz erkrankten Hinterbliebenen spezialisiert. (Foto: Johannes Simon)

Denn den Trauerfall zu verschweigen, sorge keineswegs dafür, es für an Demenz erkrankte Hinterbliebene einfacher zu gestalten. Im Gegenteil: Isabella Forster spricht von einer Doppelbelastung. "Menschen, die an Demenz erkrankt sind, werden mit dem Thema allein gelassen", sagt sie. Zudem falle die Möglichkeit weg, sich von dem Angehörigen zu verabschieden, was wiederum erhebliche psychische Folgen nach sich ziehen könne. "Der Verstorbene fehlt, aber die an Demenz erkrankte Person weiß nicht, was los ist. Das ist sehr schlimm", erklärt Forster. Daher habe sie einen Kurs besucht, um sich speziell mit dem grundsätzlichen Thema Trauer und Demenz befassen zu können.

Ein "Geheimrezept" bei der Beratung gebe es dabei nicht, so Forster. Wichtig sei es ihr, Trauer als Grundbedürfnis zu verstehen und zu akzeptieren. Wichtig sei es zudem, Bezugspersonen der Demenzerkrankten zu kontaktieren und einzubeziehen. Das wiederum erleichtere die Planungen und schaffe eine direkte Verbindung. Ein zentraler Aspekt sei es etwa, Erinnerungen zu schaffen, etwa durch das Aufstellen von Fotografien. Motive auf Hochzeitsbildern könnten von Demenzkranken etwa am ehesten erkannt werden, erklärt Forster, das Langzeitgedächtnis sei teilweise gut erhalten. "Der Kopf vergisst, aber das Herz nicht", sagt die Bestatterin.

Wichtig sei es zudem, auf die kognitiven Fähigkeiten der betroffenen Angehörigen einzugehen. Das bedeute also, Gegenstände oder Erinnerungen mit gewissem Wiedererkennungswert bereit zu halten, etwa Bilder oder Kleidungsstücke. Dadurch wiederum werde eine intime Situation kreiert, in welcher sich die Angehörigen mit Demenz in Ruhe von dem Verstorbenen verabschieden können.

Entscheidend ist ein respekt- und würdevoller Umgang

Pauschal lasse sich die Frage, was bei einer Trauerberatung mit an Demenz erkrankten Angehörigen erforderlich ist, also nicht beantworten. Doch die Bestatterin appelliert in jedem Fall, Personen mit Demenz stärker in die Planungen einzubeziehen. "Das kann man immer und gut machen, indem man etwa fragt, welche Fotos ihnen gefallen oder welches Lied sie spielen würden", so Forster. Entscheidend sei, dass es bei einem respektvollen und würdevollen Umgang bleibe. "Menschen, die an Demenz erkrankt sind, sollten auf gar keinen Fall wie Kinder behandelt werden", mahnt die Bestatterin.

Insgesamt wünsche sie sich, dass in der Gesellschaft offener mit Themen wie Tod und Demenz umgegangen werde. An Schulen werde sie zwar regelmäßig eingeladen, um im Ethik- oder Religionsunterricht über das Thema Tod zu sprechen. "Es ist aber auch schon vorgekommen, dass Schulen das ablehnten", sagt sie. Die Begründung: Das Thema könnte die Kinder verstören. Für Forster nicht nachvollziehbar. "Kinder gehen damit oftmals besser um, als Erwachsene." So halte sie auch wenig davon, Kindern zu erzählen, dass der Verstorbene nur schlafen würde. "Das sehe ich als große Gefahr. Die Kinder wollen dann selber nicht mehr schlafen oder fürchten sich davor." Angst und Unsicherheiten seien dann die Folgen. Auch deshalb appelliert die Bestatterin, mit den Themen Sterben und Tod in der Gesellschaft offener und aufgeschlossener umzugehen.

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