Nach dem deutschlandweit ersten Fall eines Coronavirus-Patienten im Landkreis Starnberg warnen Behörden und Ärzte vor übertriebener Hysterie. Das Virus sei "gar nicht mal so ansteckend" im Vergleich etwa zum Influenzavirus, so der Hygienebeauftragte des Freisinger Klinikums, Dr. Christian Fiedler. Auch beim BRK Freising würden keine "besonderen Maßnahmen" ergriffen, sagte Sprecher Andreas Dörner. Die zwölf bayernweit stationierten Schnelleinsatzgruppen für hochinfektiöse Patienten - die nächsten in Landshut und München - seien eine "Vorsichtsmaßnahme". Am Flughafen ist eine "Task-Force" auf den Ausbruch einer Epidemie vorbereitet. In China operierende Unternehmen im Landkreis Freising reagieren vorsichtig, ergreifen aber erste Maßnahmen.
Das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) bestätigte am Dienstag den Fall in Stockdorf. Ein Mitarbeiter eines Automobilzulieferers hatte sich danach bei einer Kollegin aus Shanghai angesteckt, die für eine Schulung zu Besuch war; die hatte zuvor Besuch aus der besonders betroffenen chinesischen Region Wuhan bekommen. Der 33-jährige Landsberger befinde sich im Klinikum Schwabing, sei "fieberfrei, hat auch derzeit keine Atemwegssymptomatik", so LGL-Präsident Andreas Zapf in München. Besonders an dem Fall ist, dass es einer von bisher erst drei bekannten Nachweisen weltweit ist, bei denen die Ansteckung außerhalb Chinas geschah.
Weil das Virus neu sei, müsse man Krankheitsfälle an das LGL melden, sagte Fiedler. Erkranke im Landkreis Freising jemand am Coronavirus, würde aber wie bei anderen Viruskrankheiten vorgegangen: Der Patient käme in ein Isolationszimmer, würde vom restlichen Betrieb getrennt und nur unter Tragen von Kittel, Haube und Mundschutz untersucht. Er bekäme viel Flüssigkeit verabreicht und eine Schmerzbehandlung, ansonsten müsse man weitere Folgen abwarten.
Das neuartige Coronavirus 2019-nCoV kann eine Lungenkrankheit auslösen, an der im Hauptverbreitungsland China bereits über 100 Menschen gestorben sind - zumeist ältere Patienten mit schweren Vorerkrankungen. Weltweit sind inzwischen mehr als 4500 Erkrankungen bekannt.
Für Fiedler aber kein Grund zur Hysterie, angesichts von jährlich rund 25 000 Grippetoten allein in Deutschland. "Die fahren halt jetzt hoch", sagte er mit Verweis auf den Umgang des Bayerischen Gesundheitsministeriums mit dem Starnberg-Fall. "Politisch ist es schwierig, sich da zurückzulehnen." Und: In München werde ja im Bereich Infektiologie geforscht, dahingehend bestehe auch ein Interesse.
Den "Mundschutz-Run", also dass sämtliche Vorräte in den Apotheken leergekauft würden, kann Fiedler nicht verstehen. "Wenn ich furchtbar herum huste und herum rotze, dann ist das für mich als Patient sinnvoll", sagte er - mit Verweis auf die Grippe. "Aber das hält nicht die Viren ab, die über die Luft übertragen werden."
Zuletzt hieß es aus München, der Mundschutz sei stadtweit ausverkauft. Aus den Freisinger Apotheken hört man ähnliches: In den vergangenen Tagen bekomme man immer mal wieder ein paar rein, direkt im Internet bestellt. "Aber die sind sofort alle wieder weg, weil wir so viele Vorbestellungen haben", sagte Antigone Gashi von der Hof-Apotheke. Auch in der Kloster- und der Stadtapotheke ist der Mundschutz aus. Am Montag komme Nachschub, hieß es in der Stadtapotheke. "Wir haben gerade sehr viele Anfragen", sagte Stefanie Wolfertstetter, Filialleiterin der Sonnenapotheke. Sie glaubt, dass in ein bis zwei Wochen alle Bestände weg sind, bei Großhändlern wie im Internet.
Der Technologie-Konzern Texas Instruments, der seine Europazentrale in Freising hat, reagierte auf den Vorfall: "Als Vorsichtsmaßnahme haben wir Reisen nach China begrenzt", so eine Sprecherin. Beim Technologie-Riesen Yaskawa, mit Europazentrale in Allershausen, wartet man dagegen ab. In der Niederlassung in China seien "aus Europa so gut wie keine Leute", so der Sprecher der Robotics Division Richard Tontsch. "Wir sehen die Gefährdung da gerade nicht in unserem Fall." Beide Firmen gaben an, die Entwicklungen aufmerksam zu beobachten. Der Starnberger Autozulieferer hatte nach Bekanntwerden des Falls sowohl Dienstreisen nach China als auch innerhalb Chinas ausgesetzt, wie eine Sprecherin am Dienstag sagte. In der Zentrale in Stockdorf ist den dort 1000 Beschäftigten freigestellt, zu Hause zu arbeiten.
Unabhängig vom Firmenkontext sind Menschen chinesischer Abstammung im Landkreis Freising besorgt ob der Ausbreitung des Virus. "Viele Leute haben Sorgen nach dem Fall in Starnberg", sagte Hao Sun vom Chinesischen Kulturverein Freising. "Ich persönlich finde das aber ein bisschen zu viel Aufregung. Wir versuchen, die Leute zu beruhigen."
Zur Aufklärung über mögliche Gefahren des Coronavirus schaltet die DAK Bayern am Freitag von 8 bis 20 Uhr eine kostenlose Beratungshotline für Kunden aller Krankenkassen (08 00-1 11 18 41 ).