Freising:Absurditäten im öffentlichen Leben

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Birgit Kelle ist Journalistin und Publizistin. (Foto: Marco Einfeldt)

Die umstrittene Autorin Birgit Kelle spricht auf Einladung von Florian Herrmann über etwas, was sie "Gendergaga" nennt

Von Rebecca Seeberg, Freising

Man kennt sich hier in der Aula des Kardinal-Döpfner-Hauses, in der sich politische Kreise und ausgewählte Bürgerinnen und Bürger die Hände schütteln und plaudernd zu ihren Plätzen schlendern. An diesem Mittwoch findet zum siebten Mal der Politische Salon statt, mit dem Florian Herrmann, Mitglied des Landtags, die politische Gesprächskultur pflegen will. Als Referentin hat er die Journalistin und Publizistin Birgit Kelle eingeladen. Die aufgrund ihrer provozierend unterhaltenden Bücher und Artikel einerseits als "bestsellerverdächtig" gehypte Autorin, andererseits in Internetforen oft als Rassistin und homophob beschimpfte Frau ist vielen ein Begriff. Weniger bekannt ist ihr Thema: Gender-Mainstreaming.

Mit dem Begriff Gender, erklärt Kelle, sei das soziale Geschlecht gemeint. Im Unterschied zum biologischen Geschlecht bezeichne es die Rolle, in der die Menschen sich selber sehen. So laufen unter der Bezeichnung Gender mehr Geschlechter als nur männlich oder weiblich - auch die sexuelle Orientierung wird hier oft mit eingefasst. Gender-Mainstreaming bedeutet also die Berücksichtigung des sozialen Geschlechtes in allen gesellschaftlichen Bereichen, ob nun in der Kindererziehung, im Wohnungsbau oder in der Politik.

Für Kelle umfasst der Begriff viel mehr als nur die Geschlechtergerechtigkeit zwischen Mann und Frau. Gender-Mainstreaming sei wie "ein Topf", in den alles, ob Feminismus, Gleichstellungspolitik oder Lesben- und Schwulenbewegung, hineingeworfen werde. So verstehe die Sozialwissenschaftlerin Judith Butler unter dem Begriff Gender die Zuschreibung einer Rolle durch die Gesellschaft. Die These Butlers, so Kelle, spreche ihr damit das Recht ab, ein Wesen als Frau zu besitzen. Auch in der Pädagogik bediene man sich der Theorie der sozialen Konstruktion der Geschlechter mit dem Ziel, den Kindern keine Stereotypen aufzudrücken, sie also frei wählen zu lassen. Kelle nennt es anders: Man treibe "den Mädchen das Mädchensein aus".

Der Universalbegriff Gender-Mainstreaming durchdringe bereits die Gesellschaft, doch es sei darüber nie im Bundestag abgestimmt worden, es fehle also an demokratischer Legitimität, kritisiert die Autorin. Von UN-Ebene tröpfele es über EU und Nationalstaaten in die lokalen Belange hinein und betreffe damit Menschen, die nie darüber entschieden haben. Wer dahinterstehe? Das sei schwer zu beantworten, letztendlich sei Gender-Mainstreaming ein "Institutionalisieren von Lesben- und Schwulen-Lobbyarbeit", sagt Kelle. So führe der Wille Weniger zu Absurditäten im öffentlichen Leben - vor allem im Sprachgebrauch. Gendersensibles Schreiben nennt man das nun, wo der Bäcker nicht mehr Bäcker heißt, sondern "Bäcker*Innen". "Lächerlich", murmelt ein Zuhörer in das Ohr seiner Nebendame. Darüber sind sich wohl alle einig und dennoch sei diese Ausdrucksweise mittlerweile bis zu Schulen und Universitäten vorgedrungen. Kelle vermutet, dass die Akzeptanz dieser Entwicklungen darin gründet, dass der Begriff "Gender-Mainstreaming" so vielschichtig wie undurchsichtig ist.

Ursprünglich aus dem Bereich der Familienpolitik kommend, sei sie am vorherrschenden "Gendergaga" nicht mehr vorbei gekommen. Besonders ärgere sie, dass dafür immens hohe Summen ausgegeben würden. Kelles These ist, dass Gender-Mainstreaming nichts anderes als eine Industrie sei, die sich immer neue Probleme erschaffe, um damit möglichst viel Geld zu scheffeln. Studien zum Thema Gender seien teilweise so lächerlich, dass man berechtigt nach deren Sinn frage. Gleichwohl räumt die Publizistin am Ende ein, dass bezüglich des Genderthemas "bei weitem nicht alles schlecht ist".

In seinen abschließenden Worten fasst Florian Hermann die Thematik knapp zusammen: "Was fehlt ist eine differenzierte Betrachtung. Der Gewinn des Ganzen für die Gesellschaft ist fraglich."

© SZ vom 26.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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