Freisinger Musikgröße:Abschied von der Stimme des Doms

Lesezeit: 2 min

40 Jahre lang hat Wolfgang Kiechle in als Kirchenmusikdirektor auf dem Freisinger Domberg gearbeitet und gewirkt. Jetzt geht er in Ruhestand. (Foto: Marco Einfeldt)

Kirchenmusikdirektor Wolfgang Kiechle geht am 1. Mai in den Ruhestand. Nun dirigierte er zum letzten Mal "seinen" Chor - lächelte und weinte.

Von Maximilian Gerl, Freising

Wolfgang Kiechle wirkt lange, als wäre der Auftritt nichts besonderes: Er steht auf der Empore des Freisinger Doms, lächelt und dirigiert gewohnt souverän "seinen" Chor. Jetzt aber verdrückt Kiechle ein paar Tränen, die leicht bebenden Schultern verraten ihn. Er tupft sich mit dem Taschentuch sein Gesicht ab. Dann dreht er sich zum Chor um, lächelt wieder. Sein Blick wandert durch die Reihen: bereit für das nächste Lied? Bereit. Kiechle ist es auch.

40 Jahre lang hat Wolfgang Kiechle als Kirchenmusikdirektor auf dem Freisinger Domberg gearbeitet. Als er 1976 anfing, war der Domchor in schlechtem Zustand: Nur 18 Sänger standen ihm zur Verfügung.

An diesem Sonntag, zu seinem letzten Gottesdienst als Kirchenmusikdirektor, ist die Empore voll mit Sängern

Kiechle geht zum 1. Mai in den Ruhestand. Die Messe verläuft deshalb an diesem Sonntag anders als sonst. Es wird wenig gesprochen und gepredigt, dafür umso mehr musiziert. Der Dom ist fast bis auf den letzten Platz besetzt. Domrektor Monsignore Rainer Boeck hält eine Laudes auf seinen Kirchenmusiker, der "über Jahrzehnte die Stimme des Doms" gewesen sei, eine Stimme, bei der man sich wohlfühle. Es ist der einzige Moment, in dem Kiechle, der immer zu lächeln scheint, doch die Tränen übermannen.

Kiechle stammt aus Lindau am Bodensee, nach Freising verschlägt ihn damals die Musik. Nach seinem Abschluss an der Münchner Hochschule für Musik und Theater fängt er auf dem Domberg an - da ist er 26 Jahre alt. Zuerst baut er den Chor wieder auf und spielt an der Orgel, seinem Lieblingsinstrument. Später unterrichtet er selbst an der Münchner Musikhochschule und arbeitet als Orgelsachverständiger in der Diözese München und Freising. Außerdem kümmert er sich zusammen mit der Domorganistin Angelika Sutor um die Kinderkantorei, der Jugendabteilung des Domchors.

Nach der "Generation Kiechle" wird es für Nachfolger nicht leicht

Nach der Messe findet im roten Saal des Kardinal-Döpfner-Hauses ein Empfang für Kiechle statt. Der muss viele Hände schütteln, viele Menschen wollen sich bei ihm für seine Arbeit bedanken. Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher würdigt ihn als eine "leise, aber markante Persönlichkeit". Kiechles Konzerte und Musik seien eine Bereicherung für das Freisinger Kulturleben gewesen. Als Erinnerung daran schenkt ihm Eschenbacher eine kleine Statue, den Bär des Heiligen Korbinian. Auch Domrektor Boeck, ist voll des Lobes: "40 Jahre - bei Politikern oder Päpsten würde man sagen: Das war die Generation Kiechle." Die Sängerinnen der Kinderkantorei verkleiden sich als Köche und schicken Kiechle als Abschiedsständchen einen "deftigen Gruß aus der Küche".

Kiechles Nachfolger treten in große Fußstapfen. Ab Mai leitet Benedikt Celler kommissarisch den Domchor, er hat schon den Chor der Freisinger Wieskirche dirigiert. Ab August übernimmt der Südtiroler Matthias Egger das Amt des neuen Musikdirektors, Celler wird dann die Orgel spielen. Denn mit Kiechle geht auch die bisherige Organistin Sutor: Sie will die geplante Domsingschule weiter vorantreiben.

Bevor Kiechle seinen Ruhestand genießen darf, muss er eine Abschiedstournee geben. Am Donnerstag, den 21. Mai, will der Domchor mit ihm feiern und dafür auf die Proben verzichten. Am Sonntag, den 24. Mai, tritt Kiechle dann mit dem Domberg-Kammerorchester auf, vorerst zum letzten Mal. Aktiv will Kiechle auch im Ruhestand bleiben. Boeck merkt schon mal sicherheitshalber an: "So ein lieber Mensch bekommt weder Haus-noch Domverbot." Kiechles Comeback steht nichts im Wege.

© SZ vom 18.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: