Freising:Abkehr vom Betreuungsgeld

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So wie es aussieht, werden die Karlsruher Richter den umstrittenen Zuschuss für verfassungswidrig erklären. Das freut die Kritiker, die es für weitaus sinnvoller halten, mit dem Geld den Kita-Ausbau zu fördern

Von Gudrun Regelein, Freising

Ein Urteil wird zwar erst im Sommer verkündet. Doch bereits jetzt zeichnet sich ab, dass das Betreuungsgeld wohl vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gekippt wird. Das deutete sich nach einer ersten mündlichen Verhandlung im April an. Die Richter ließen massive Zweifel am Betreuungsgeld erkennen - es hieß, der Bund sei für diese Leistung womöglich gar nicht zuständig.

Marina Freudenstein, Geschäftsführerin des Katholischen Kreisbildungswerks in Freising, zumindest würde eine Abschaffung des Betreuungsgeldes "sehr begrüßen", denn: "Jeder Cent der Bundesmittel wird dringend in der Investitionsförderung benötigt." In den Kommunen sei die Kinderbetreuung ein "Wahnsinns-Kostenfaktor", Geld werde dringend benötigt. Beispielsweise für den Ausbau der Kindertagespflege oder für die Schaffung neuer Krippenplätze. Sie habe das Betreuungsgeld immer kritisch gesehen, sagt Freudenstein. "Ich folge denjenigen, die argumentieren, dass Bürger, die beispielsweise Museen oder die Oper nicht besuchen, ja auch keine Gutscheine erhalten, um sich dann mit CDs oder Büchern kulturell weiterbilden zu können." Weshalb also sollte dann eine Familie, die ihr Kind nicht in einer Kita oder bei einer Tagesmutter betreuen lasse, dafür Geld bekommen, fragt sie.

Auch Sabine Bock, pädagogische Leiterin des Zentrums der Familie in Freising, fände es gut, wenn es das Betreuungsgeld nicht mehr gäbe. "Ich glaube nicht, dass es tatsächlich etwas gebracht hat", sagt sie. Für eine Mutter oder einen Vater seien die 150 Euro sicher kein Anreiz, zu Hause zu bleiben, dafür sei das eine zu geringe Summe. Wolle der Staat aber damit die Leistung der Mütter honorieren, so seien dafür 150 Euro "definitiv viel zu wenig". Das werte die häusliche Betreuung in ihren Augen sogar ab. Bislang habe sie mit noch keinem Experten gesprochen, der das Betreuungsgeld für gut befunden habe, berichtet Bock.

Besonders für Kinder, die in prekären Verhältnissen leben müssten, sei der Besuch einer qualitativ hochwertigen Einrichtung besonders wichtig - auch hinsichtlich einer Sprachförderung. "Wenn ein Kind zu Hause nicht adäquat gefördert wird, ist es doch besser, wenn es eine Kita besucht", erklärt Bock. Gerade diese Familien aber würden durch das Betreuungsgeld davon abgehalten, ihr Kind dort anzumelden. Sabine Bock fände es besser, in Zukunft, statt Betreuungsgeld zu zahlen, mehr Geld in den Ausbau der Kitas zu stecken und deren Personalschlüssel zu erhöhen: "Das bringt den Familien letztendlich mehr", sagt sie.

Eingeführt wurde das Betreuungsgeld im August 2013. Wer sein Kind daheim betreut und bis zu dessen drittem Lebensjahr weder einen Kitaplatz noch eine Tagesmutter in Anspruch nimmt, bekam zunächst 100 Euro monatlich - seit August 2014 sind es 150 Euro. Das Betreuungsgeld, das unabhängig davon gezahlt wird, ob die Eltern erwerbstätig sind, wird bei Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe und Kinderzuschlag angerechnet. Väter und Mütter können die Förderung allerdings nicht parallel zum Elterngeld bekommen - nur nacheinander. Das heißt, dass die 150 Euro normalerweise vom 15. Lebensmonat des Kindes an ausbezahlt werden.

Die Herdprämie ist umstritten. Sollte sie abgeschafft werden, trauert ihr in Freising kaum jemand nach. (Foto: Jan Woitas/dpa)

Das Betreuungsgeld stand von Anfang an in der Kritik. Von vielen wird es als "Herdprämie" bezeichnet, mit der junge Mütter von der Rückkehr ins Arbeitsleben abgehalten werden sollen. Andere dagegen hielten es für sinnvoller, die dafür ausgegebenen Beträge in den Ausbau der Kita-Einrichtungen oder in die Verbesserung von deren Qualität zu investieren. Zudem wird moniert, dass Eltern, die ihre Kinder vom Besuch einer frühkindlichen Bildungseinrichtung abhalten, dafür Steuergeld bekommen.

Doch trotz aller Kritik wird das Betreuungsgeld von vielen Eltern angenommen: Im vierten Quartal 2014 bezogen laut Statistischem Bundesamt bundesweit bereits 386 483 Familien diese Form der Unterstützung. Im zweiten Quartal 2014 waren es noch etwa 224 400 gewesen.

© SZ vom 02.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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