Frauen in der Politik:Mehr als eine Bereicherung

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Wieder ist eine große Chance vertan worden, die Kommunalpolitik im Landkreis weiblicher zu gestalten

 Kommentar von Francesca Polistina

Ein wichtiger Begriff der Statistik und der Marktforschung ist der der Repräsentativität. Um neue Produkte zu testen, werden in der Regel Stichproben gesammelt, die so repräsentativ wie möglich sein sollten. "Repräsentativ" bedeutet in diesem Fall, dass die Stichproben stellvertretend für die Gesamtheit mit allen ihren Merkmalen und Kombinationen stehen sollten, um daraus allgemeingültige Aussagen zu treffen.

Auch die politischen Gremien, egal auf welcher Ebene, sollten repräsentativ sein. Sie sollten nicht nur für die Gesamtheit sprechen und handeln, sondern die Gesamtheit in ihren Reihen widerspiegeln. Schaut man sich viele neugewählte Gemeinderäte im Landkreis an, dann fällt sofort etwas auf: von Repräsentativität ist hier häufig keine Spur. Denn wie könnte ein Gemeinderat für die Gesamtheit der Bevölkerung sprechen und handeln, wenn keine Frauen darin sitzen, wie es in Wang der Fall ist? Oder im neuen Kreistag, wenn lediglich 18 der 70 Mitglieder Frauen sind?

Wenn es um Gleichberechtigung der Frauen geht, wird häufig die Argumentation verwendet, Frauen seien für die Politik eine "Bereicherung", weil sie unterschiedliche Sichtweisen und Erfahrungen mitbringen. Das stimmt. Je vielfältiger ein Gremium ist, desto wahrscheinlicher wird es auch, dass gute Entscheidungen getroffen werden - und zwar im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger. Doch solange Frauen als "Bereicherung" gesehen werden, wird suggeriert, dass man auf sie verzichten kann. Frauen sollten nicht im Gemeinde- oder Stadtrat sitzen, weil sie eine "Bereicherung" sind, sondern, weil es richtig ist, dass sie dort sitzen. Hier geht es nicht um Qualität, sondern um Gerechtigkeit.

Die Stadt- und Gemeinderäte im Landkreis haben erneut eine gute Chance verpasst, sich paritätischer zu gestalten. Sie hätten mehr Frauen in ihren Listen aufstellen sollen, sie hätten die Rahmenbedingungen schaffen sollen, damit Frauen, die sich immer noch mehr als Männer um Haushalt und Kinderbetreuung kümmern, überhaupt die Zeit und Energie finden, um politisch aktiv zu sein. Sie hätten aktiv versuchen sollen, mehr Frauen anzuwerben - wie jeder Arbeitgeber versucht, die besten Mitarbeiter zu finden und für sich zu gewinnen. Natürlich gibt es in einigen Parteien Schritte nach vorne und Zeichen, dass die Macht langsam weiblicher wird.

Dass es nun schon drei Bürgermeisterinnen im Landkreis gibt, ist durchaus eine gute Nachricht. Aber reicht das, um sich freuen zu können? Alle Bürgerinnen und Bürger hätten hier mehr Mut und Entschlossenheit verdient.

© SZ vom 20.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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