Landkreis Freising:"Die Bürokratie ist unser allergrößtes Hindernis"

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Die Nachbarschaftshilfe Neufahrn organisierte 2022 jeden Montag ein Austauschtreffen für ukrainische Flüchtlingsfamilien. (Foto: Marco Einfeldt)

Etwa 2500 Geflüchtete aus 48 Nationen befinden sich aktuell im Landkreis Freising. Die ehrenamtlichen Helfer stoßen an ihre Grenzen. Viele Behördengänge, komplizierte Formulare und zu wenig Personal in den Ämtern sorgen für lange Wartezeiten, zusätzliche Herausforderungen und Frustration.

Von Lena Meyer, Freising

Aktuell befinden sich im Landkreis Freising ungefähr 2500 Geflüchtete aus 48 Nationen, wie der Pressesprecher des Landratsamts, Robert Stangl, auf Anfrage mitteilte. Diese Zahl könnte in Zukunft noch weiter steigen: Aufgrund der anhaltenden Krisen auf der ganzen Welt und des Klimawandels rechnen Helfende aus den Gemeinden im Landkreis Freising mit einem weiteren Zuwachs an Schutzsuchenden. Die ehrenamtlichen Helfer selber befinden sich jedoch teilweise inzwischen an ihrer Belastungsgrenze. Ihr größtes Hindernis: Die Bürokratie.

"Wir als Helfer sind bereit, jede Herausforderung zu übernehmen", sagt Stephan Griebel, ehrenamtlicher Helfer aus Zolling. Das Problem, das viele Helfende jedoch frustriere, sei die komplizierte Bürokratie und die Tatsache, dass viele Behördengänge nicht richtig funktionierten. Zu wenig Personal in den Ämtern sorge für lange Wartezeiten, zusätzliche Herausforderungen und Frustration. Es gebe "unendlich viele Formulare", die "immer wieder neu" ausgefüllt werden müssten, moniert Helferin Angelika Sagerer, ebenfalls aus Zolling. Ein Zeit- und Energiefresser für die Helfenden. Eine intensive Betreuung der Geflüchteten sei so überhaupt nicht möglich. "Die Bürokratie ist unser allergrößtes Hindernis", sagt Sagerer daher. Seit 2016 habe sich auf Behördenseite wenig verbessert, kritisiert die Helferin. Sie ist überzeugt: "Wenn sich dort etwas ändern würde, könnten wir mehr Betroffenen helfen."

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Aufgrund der langen Wartezeiten, die sich durch bürokratische Hürden ergeben, seien Geflüchtete teilweise zum Warten und Nichtstun verurteilt, sagt Heiner Barth aus der Gemeinde Au. Das betreffe gerade Menschen, die nicht aus der Ukraine stammen. "Sie sitzen rum und werden dafür angefeindet, weil sie nichts tun können. Aber sie können ja nichts tun, weil sie warten müssen." Diesen Teufelskreis beschreibt Heiner Barth als "Wasser auf die Mühlen" für rechtskonservative Parteien.

"Wir müssen uns von der Erwartung verabschieden, dass das Helfen ein Ende finden wird."

Sie wünsche sich daher, dass auch in den Behörden das Personal aufgestockt werde, sagt Helferin Beate Frommhold-Buhl aus Neufahrn. Stellen, die in den Jahren 2015 bis 2017 geschaffen wurden, um Geflüchtete zu unterstützen, müssten erneut aufgebaut werden. "Auf jeden Fall" würden weitere Menschen aus unterschiedlichen Ländern nach Deutschland kommen, da ist sie sich sicher. Kriege, Naturkatastrophen und der Klimawandel sorge dafür, dass sie ihre Heimat verlassen müssten, um Schutz in der Fremde zu suchen. "Wir müssen uns von der Erwartung verabschieden, dass das Helfen ein Ende finden wird", sagt Stephan Griebel. Stattdessen gestalte es sich aufgrund der Weltsituation zu einer "Daueraufgabe". Dementsprechend müsse bei den Behörden nachjustiert und aufgestockt werden.

Der angespannte Wohnungsmarktes gestalte es zudem schwer, eine Unterkunft für Geflüchteten zu finden. "Der Wohnungsmarkt war schon immer ein großes Problem", sagt Beate Frommhold-Buhl. Das Problem habe sich allerdings verschärft. Während ukrainische Flüchtlinge in privaten Unterkünften untergebracht wurden, sei das für Menschen, die aus anderen Kontinenten stammten schwieriger. Vorurteile und Stereotypen sorge dafür, dass auch Frauen und Kinder aus anderen Nationen nicht privat aufgenommen würden, sagt Helferin Sandra Smolka aus Zolling. Teilweise würden solche Vorurteile noch von Politikern geschürt, die am rechten Rand fischten, so Stephan Griebel. Das sei alles andere als hilfreich, ja sogar unmöglich, moniert er. "Niemand kommt nach Deutschland, um sich die Zähne machen zu lassen. Die Leute kommen hierher, weil sie in Not sind."

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