"Fleischatlas 2021" :Mehr Veganer, weniger Kühe

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Weil sich das Ernährungsverhalten der Menschen ändert, nehmen auch im Landkreis Freising die Rinderbestände ab

Von Teja Banzhaf (zds), Freising

Die Veganer werden immer mehr, Milchkühe, Mastrinder, Zuchttiere, Mutterkühe oder Kälbchen immer weniger: Etwa 11,3 Millionen Milchkühe, Mastrinder, Zuchttiere, Mutterkühe oder Kälbchen standen im November 2020 in den Ställen und auf der Weide von Flensburg bis Berchtesgaden. Das sind gut 338 000 weniger als ein Jahr vorher. Im Landkreis Freising geht die Rinderhaltung ebenfalls zurück: Aktuell werden hier 25 058 Tiere gehalten (Stichtag: 3. November 2020), 1788 weniger als vor einem Jahr.

Harten Klimaaktivisten ist das immer noch zu viel: Kühe werden als klimaschädlich eingestuft. "Alle wissen um die verheerende Klimabilanz der Fleischproduktion. 14 Prozent trägt der Sektor derzeit zu den klimaschädlichen Gasen bei", rechnet Barbara Unmüßig von der Heinrich-Böll-Stiftung vor, der parteinahen Stiftung von Bündnis 90/Die Grünen, die den "Fleischatlas 2021" herausgegeben hat. Dabei war in den vergangenen 15 000 Jahren mit Kühen im Haus und auf der Weide die Stimmung meist positiv, denn Kuh und Rind waren wichtig für's Überleben der Menschen.

Knapp 9,81 Kilo Rindfleisch aß der Mensch 2020 pro Kopf, sagen die Daten der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. Vegetarier und Veganer sind da eingeschlossen, da keiner ihre genaue Zahl kennt, werden die Schlachtungen auf die Gesamtbevölkerung umgerechnet. Dazu kommen weitere 4,5 Kilo Rind pro Kopf, die anderweitig verwendet werden. Beispielsweise als Gelatine für Gummibärchen, für Hundefutter, als Leder für Schuhe oder für Sofas, für Seife, Kerzen, Salben. Kurz: Das Rind ist nicht nur zum Essen da, es kann nach der Schlachtung komplett verwertet werden. Und es liefert schon vor der Schlachtung Nahrung: Milch; von den 25 058 Rindern im Landkreis Freising sind aktuell 6390 Milchkühe.

Kritiker wie die Heinrich-Böll-Stiftung oder die Deutsche Umwelthilfe nehmen zumeist die "Fleischindustrie" auf's Korn, nicht den Bauern an sich. Die Böll-Stiftung sieht Erfolge bei der Jugend, denn im Vergleich mit der Gesamtbevölkerung ernähren sich doppelt so viele 15- bis 29-Jährige vegetarisch oder vegan. Für viele junge Erwachsene ist der Verzicht auf Fleisch ein politisches Statement. Ob das lokal auf die Rinderbestände durchschlägt? Im Kreis Freising sah die der vergangenen fünf Jahre so aus: 2015 registrierten die Statistiker hier einen Bestand von 29 561 Rindern (Milchkühe: 7882). Zwölf Monate später waren es 28 651 Rinder (7526). Im Jahr darauf notierte die Statistik 27 929 Rinder (7234), zum Stichtag 2018 waren es 27 324 Rinder (6900), zum Stichtag 2019 dann 26 846 (6776) und im November 2020 nun 25 058 Rinder (6390).

Das mit der "Fleischindustrie" hat, wie fast alles, zwei Seiten: Wer als Landwirt mit Kuh und Rind seinen Lebensunterhalt verdienen will, hat im Grunde drei Möglichkeiten: Zuchtvieh, Milchvieh und Mastvieh. Gut koppeln lassen sich Milcherzeugung und Fleischproduktion. Die 6390 in der Rinderzahl enthaltenen Milchkühe in den Ställen im Landkreis machen dabei momentan etwa 25,5 Prozent des gesamten Rinderbestands aus (2015: 26,7 Prozent). Deutschlandweit kletterte dieser Anteil in den vergangenen fünf Jahren von 33,9 (2015) auf 34,7 Prozent (2020). Das heißt, auch kleine Bauern landen am Ende bei der Fleischindustrie, wenn sie Tiere bei Schlachthöfen schlachten lassen.

Ob das Steak auf dem Grill ein Auslaufmodell ist? Im Abschlussbericht der von der Bundesregierung eingesetzten Zukunftskommission Landwirtschaft steht: "Der verantwortungsvolle, abwechslungsreiche Genuss von Lebensmitteln ist Teil veränderter und stärker pflanzlich orientierter Ernährungsstile sowie einer modernen Kulinarik." Übersetzt: weniger Echt-Steak, mehr Schein-Fleisch aus Pflanzen. Und Fleisch von echten Rindern wird natürlich teurer. Wenn sich das durchsetzt.

© SZ vom 30.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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