Fachkräftemangel im Handwerk:"Die Jungen fragen sich, wofür sie das überhaupt tun sollen"

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Das Bäcker-Handwerk sucht Nachwuchs und Personal. So auch die Bäckerei Schweller in Freising. (Foto: Johannes Simon)

Den Bäckern fehlt der Nachwuchs, der Personalmangel ist groß. Viele offene Stellen bleiben unbesetzt. Die Folgen: Filialen müssen schließen und Öffnungszeiten werden verkürzt.

Von Gudrun Regelein, Freising / Erding

Dem Handwerk fehlt der Nachwuchs, auch die Bäcker haben mit großem Personalmangel zu kämpfen. 2022 gab es laut Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks bundesweit um die 10 700 Auszubildende, sieben Jahre zuvor waren es mit 18 800 noch deutlich mehr gewesen. Das hat Folgen: Immer mehr Bäckereien müssen eine Filiale schließen oder verkürzen ihre Öffnungszeiten.

"Das Handwerk hat derzeit keine leichte Zeit", sagt Elisabeth Schweller, eine der beiden Geschäftsführerinnen der Bäckerei Schweller in Freising. Personal zu finden sei kaum möglich, der Mangel mache sich bemerkbar. Vor Kurzem habe man sich deshalb entschieden, die Filiale an der Krumbachstraße zu schließen. "Das ist uns sehr schwergefallen", sagt Schweller. Aber eine andere Lösung habe man nicht gefunden, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die man habe, könne man nicht noch mehr zumuten. Derzeit sei man auf der Suche nach Konditoren, einem Konditorgesellen, Verkäuferinnen oder Verkäufern und einem Fahrer. "Wir sind aber nicht die einzigen mit diesem Problem. Jammern hilft nichts", sagt Schweller.

Dass man in diesem Jahr nicht mit einem Breznstand beim Altstadtfest war, was bei vielen Freisingerinnen und Freisingern zu Irritationen geführt hatte, habe aber verschiedene Gründe gehabt. "Mit nicht wollen hatte das sicher nichts zu tun", sagt Schweller. Der Personalmangel spiele eine Rolle, über die anderen Gründe will sie dann aber nichts mehr sagen, nur: "Es ist sehr schade, dass wir in diesem Jahr nicht dabei waren wie in all den Jahren zuvor." Wie und ob es beim Altstadtfest weitergehe, wisse sie derzeit nicht. Beim Volksfest aber werden die Besucher den Breznstand wieder finden. Sie sei zwar schon auf ein mögliches Fehlen angesprochen worden, aber das seien nur Gerüchte, versichert die Geschäftsführerin.

Christine Gruber von der Bäckerei Gruber sagt, dass Ausbildungsberufe generell nicht mehr so gefragt seien. (Foto: Renate Schmidt)
Frische Brezn auf dem Freisinger Altstadtfest hat in diesem Jahr die Bäckerei Geisenhofer geliefert. Den Stand der Bäckerei Schweller suchten die Besucherinnen und Besucher in diesem Jahr vergebens. (Foto: Marco Einfeldt)

Ein flexibles Arbeitszeitmodell hilft beim Finden von Personal

Bei der Freisinger Bäckerei & Konditorei Geisenhofer ist derzeit noch "alles im grünen Bereich", wie Geschäftsleiterin Stephanie Geisenhofer sagt. Eine Filialschließung zumindest drohe nicht. Derzeit aber gebe es viele Krankheitsfälle, dazu sei gerade Urlaubszeit: Dass eine Filiale nachmittags dann einmal geschlossen bleibt, mag Geisenhofer nicht ausschließen.

Auch hier gibt es noch offene Stellen: ein Konditor, Mitarbeiter in der Snackabteilung und im Verkauf und Azubis für September werden gesucht. Ein Grund, weshalb der Bäckerberuf nicht besonders beliebt sei, seien vielleicht tatsächlich die Arbeitszeiten, sagt Geisenhofer. "Wir bieten deshalb unseren Bäckern und Konditoren auch ein relativ flexibles Modell an." Die späteste Schicht beginne um 18 Uhr, die früheste um sechs Uhr morgens. Um neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden, lasse man sich einiges einfallen. "Wir sind viel auf Social Media unterwegs", berichtet Geisenhofer. Daneben gebe es die Aktion "Mitarbeiter werben Mitarbeiter", 500 Euro Prämie bekommt derjenige, der eine neue Kraft vermittelt.

Renate Neumaier leitet die Bäckerei Neumaier in Erding. (Foto: Renate Schmidt)
Personal dringend gesucht: Das Schaufenster der Bäckerei Neumaier, Erding. (Foto: Renate Schmidt)

Vor allem der Verkauf sei ein problematischer Bereich, es gebe kaum mehr Interesse, Bäckereifachverkäuferin oder -fachverkäufer zu werden. Deshalb nehme man auch gerne Quereinsteiger. "Für mich ist es am wichtigsten, dass eine neue Mitarbeiterin oder ein neuer Mitarbeiter zum Team passt. Wir haben einen guten Zusammenhalt, eine Hands-on-Mentalität, also jeder packt mit an."

In der Bäckerei Neumaier in Erding hängt ein Plakat, auf dem steht, dass ein Arbeitsbeginn auch mal erst um 4.30 Uhr möglich sei. "Ich habe damit geworben und das war erfolgreich", sagt Inhaberin Renate Neumaier. Inzwischen hat sie einen Konditor- und Bäckerlehrling und einen für den Verkauf gefunden. "Die junge Generation will nicht mehr so früh beginnen - also bin ich ihr entgegengekommen."

Sonntags bleibt die Bäckerei zu

Neues Personal zu bekommen sei aber schwierig, bestätigt auch Neumaier. Um das Geschäft halten zu können, müsse sie Abstriche machen. Seit einigen Monaten hat deshalb die Bäckerei sonntags geschlossen. Jeden Tag backen zu müssen, sei ihren Bäckern zu viel geworden, erklärt sie. "Ich muss auf meine Mitarbeiter schauen. Mir ist es wichtig, dass es für sie auch passt." Sie habe das Glück, sehr treue Fachkräfte zu haben - die wolle sie unbedingt behalten. Falls es nötig sei, würde sie die Ladenöffnungszeiten reduzieren, beispielsweise über Mittag schließen oder sogar noch einen ganzen Tag zusperren. "Aber so weit ist es gottseidank ja noch nicht."

Die Bäckerei Gruber in St. Wolfgang dagegen musste ihre Filiale mitten in Dorfen vor Kurzem schließen. Allerdings habe dabei der Personalmangel nur eine Nebenrolle gespielt, sagt Christine Gruber. Es seien gesundheitliche Gründe gewesen, weshalb das Familienunternehmen diese Entscheidung getroffen habe.

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Vom Personalmangel aber sei die Branche schon länger betroffen, sagt sie. "Wobei es da weniger ein Fachkräftemangel als ein Kräftemangel ist." Vor allem Hilfspersonal zu finden sei enorm schwierig, sagt auch sie. Wenn sie Glück habe, finde sie Studenten oder Schüler, die im Verkauf helfen - aber das sei nur für eine bestimmte Zeit. "Wenn jemand hört, dass es um vier Uhr morgens losgeht, höre ich oft, dass so früh nicht aufgestanden wird."

Ausbildungsberufe sind nicht mehr gefragt

Das habe vielleicht etwas mit der Work-Live-Balance zu tun, sagt Gruber. "Die Jungen fragen sich, wofür sie das überhaupt tun sollen." Ihre Generation habe noch ein Ziel gehabt, wollte beispielsweise für ein eigenes Haus sparen. "Die junge Generation weiß, dass das für sie kaum möglich sein wird. Die sieht keinen Sinn mehr darin, dass ihr Leben fast nur aus Arbeit besteht."

Ausbildungsberufe seien nicht mehr wirklich gefragt, sagt Gruber. Ein Wunder sei das nicht, verdiene man als Hilfsarbeiter doch mehr. Und das sei natürlich ein Argument. "Oder man macht, wenn man die Chance dazu hat, Abitur und studiert dann." Ihre Bäckerei sei ein Familienbetrieb mit etwa 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Im vergangenen Jahr sei ein Großteil vom langjährigen Stammpersonal in Rente gegangen, Nachfolger zu finden, sei nicht leicht gewesen. "Aktuell suchen wir niemanden, zum Glück." Wenn, dann wäre es aber sicher ein großes Problem.

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