Evangelische Jugend beim Zamma:Sie wollen das Drehkreuz nicht tragen

Lesezeit: 2 min

Die Ausstellung "Eindruck braucht Ausdruck" ist noch bis Samstag im Freisinger "Haus der Vereine" zu sehen. (Foto: Marco Einfeldt)

Eine Ausstellung befasst sich mit jungem Protest gegen die dritte Startbahn, mit diffusen Ängsten und Widerstandsgeist.

Von Christoph Dorner, Freising

Sie stehen fast da wie eine Rockband für das Pressefoto für ein neues Album, die fünf Jugendlichen im Weizenfeld, die Münder mit Geldscheinen zugeklebt. Über ihnen hängt ein bedeutungsvoll bewölkter Himmel. Es ist nur ein Foto, das den Titel "Mundtot" trägt, in dem aber mehr als nur eine Botschaft steckt: Die Sprachlosigkeit einer Jugend, die nicht fassen kann, wie Geld die Welt regiert. Die stille Wut über die Auswirkungen eines Infrastrukturprojekts für ihre Heimat, die Natur, die Gesundheit.

"Eindruck braucht Ausdruck" heißt eine kleine, sehenswerte Fotoausstellung im Freisinger "Haus der Vereine", die beim Zamma-Festival noch bis zum Samstag, täglich von 12 bis 18 Uhr, zu sehen ist. Entstanden sind die 24 Fotos, die einen "jungen" Protest gegen den Ausbau des Münchner Flughafens ausdrücken sollen, bereits im Sommer 2008 bei der Zehnjahresfeier der Evangelischen Jugend. Danach war die Ausstellung im Dekanat auf Wanderschaft. Jetzt ist sie noch einmal in Freising zu sehen. Die Thematik ist weiterhin aktuell, nur sind aus den Jugendlichen von einst mittlerweile junge Erwachsene geworden.

Was sofort auffällt: Die Fotos kommen ganz ohne die Agenda von "Aufgemuckt" aus, also ohne das Tremolo aus harten Zahlen und Argumenten gegen eine dritte Startbahn. Vielmehr ist es gelungen, die diffusen Ängste und den Widerstandsgeist der Jugendlichen festzuhalten, ehe sie selbst davongeflogen sind: Zum Studium in eine andere Stadt, zum Urlaub in weit entfernte Länder. Viele der Jugendlichen, die damals bei dem Fotoshooting mitgemacht hätten, seien heute nicht mehr in Freising, sagt Diakonin Angela Senft. Ihr ist wichtig, dass die Jugendlichen damals nicht indoktriniert wurden, dass sie in Rollenspielen gelernt hatten, Argumente für und wider ein Großprojekt wie die dritte Startbahn auszutauschen. Die Richtung ist trotzdem klar. Der Arbeitskreis gegen die Startbahn hat mittlerweile Nachwuchs gefunden.

Eine, die auf vielen Fotos von damals zu sehen ist, ist Elena Jung. Sie wirft mit einer Freundin etwa Geld zum Fenster hinaus oder sitzt lächelnd auf einem Ast, der gerade abgesägt wird. Auf einem Foto überreicht sie versteinert einem streng dreinblickenden Mann in Schwarz, der wohl stellvertretend für das Großkapital stehen soll, ein Herz. Das soll freilich alles symbolisch sein. Elena hat mittlerweile im belgischen Maastricht ihren Bachelor in European Studies abgeschlossen und denkt aktuell zu Hause in Freising über den nächsten Schritt in ihrem Leben nach.

Der Protest gegen die dritte Startbahn habe sie damals durchaus zu einem politisch denkenden Menschen gemacht, erzählt sie. Heute leitet sie als ehrenamtliche Betreuerin für das evangelische Jugendwerk auch Seminare mit politischen Themen. Und fliegt, wenn es gar nicht anders geht. "Wir haben uns alle zu offen denkenden Menschen entwickelt", sagt Elena. Nicht jedes der 24 Fotos der Ausstellung, die teilweise der junge Kommunikationsdesigner Daniel Zellfelder aufwendig überarbeitet hat, ist im engeren Sinne künstlerisch wertvoll. Manches ist eher plakativ oder etwas pathetisch. Da werden Rote Karten in die Kamera gezeigt oder demonstrativ Ohren und Nasen zugehalten. Aber so sind Jugendliche nun einmal. Daneben spielen sie auch mit christlicher Symbolik. Ein Jugendlicher mit Dornenkrone schultert ein Holzkreuz.

Der Titel des Bildes ist wohl eine rhetorische Frage: "Können wir das Drehkreuz stemmen."

© SZ vom 08.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: