Erwartungen erfüllt:Zuverlässig und ökologisch

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Vor einem Jahr ist das Windrad bei Kammerberg in Betrieb gegangen, seither hat es etwa 6,2 Millionen Kilowattstunden Strom erzeugt - in der Bürgerenergiegenossenschaft ist man sehr zufrieden damit

Von Johann Kirchberger, Fahrenzhausen

Ob sie zufrieden sind mit ihrem Windrad? Andreas Henze und Martin Hillebrand von der Bürgerenergiegenossenschaft (BEG) Freisinger Land nicken übereinstimmend. "Sehr zufrieden sogar", sagt Henze. Die Anlage in der Nähe von Kammerberg sei ein vom Hersteller speziell für Bayern entwickeltes Binnenwindrad und beweise, dass es auch hierzulande möglich ist, Windstrom zu erzeugen. Wie leistungsfähig die Anlage ist, veranschaulicht Henze anhand eines Beispiels: Mit einer einzigen Umdrehung können 3300 Handys aufgeladen oder 20 Kilometer mit einem Elektroauto zurückgelegt werden.

Vor einem Jahr, am 3. November, ist das Windrad in Betrieb gegangen. Die prognostizierten 6,2 Millionen Kilowattstunden seien seither fast exakt produziert worden, erklären die beiden. Dabei sei das Windrad während des Probebetriebs sogar rund vier Wochen gestanden. Das habe kurzfristig Besorgnis ausgelöst, im Nachhinein gesehen seien es aber kleinere Probleme gewesen, die zur Abschaltung geführt hätten. So habe ein Sensor immer wieder eine drohende Überlastung am Flügel angezeigt und damit die Anlage gestoppt. Erst nach genauer Untersuchung habe sich herausgestellt, dass die falschen Sensoren eingebaut worden waren. Das Problem sei rasch behoben worden. Aber auch künftig müsse das Windrad, das es in einem halben Jahr auf etwa 3500 Betriebsstunden bringe, zweimal im Jahr für Wartungsarbeiten stillgelegt werden. Dann werde jeweils drei Tage lang jede Schraube nachgezogen.

Fährt man durch Kammerberg, ist das Windrad schon von weitem zu sehen. Zu hören ist nichts. Auch nicht, wenn man unmittelbar davor steht und zu den Rotoren hinaufschaut. Bei einem Tag der offenen Tür fanden sich jüngst etwa 50 Interessenten ein, um auch mal in das Innere der Anlage zu schauen. Viel zu sehen gibt es nicht unbedingt. Viele dicke Kabel laufen von oben nach unten, eine Schaltanlage steht da, blinkt und zeigt an, wie viel Strom gerade produziert wird, und ein leises Summen ist zu hören. Fast eindrucksvoller ist es, vor der Tür zu stehen und steil nach oben zu sehen. Die Nabenhöhe beträgt 149 Meter, jeder der drei Flügel ist 57 Meter lang. Gekostet hat die Anlage 5,5 Millionen Euro. Die Finanzierung sei einfacher gewesen als gedacht, sagt Hillebrand. Innerhalb von drei Wochen hätten 250 Neu- und Altmitglieder der Genossenschaft 1,5 Millionen Euro eingezahlt. Der Rest sei durch Kredite und Eigenmittel aufgebracht worden. Spätestens in 17 Jahren wolle man schuldenfrei sein. Rendite werfe die Anlage freilich schon vorher ab. Der Hersteller habe 20 Jahre Garantie gewährt, alle Bauteile seien auf 25 Jahre zugelassen.

Nachdem die Gemeinde Fahrenzhausen 2011 entsprechende Konzentrationsflächen ausgewiesen hatte, brachten die Gebrüder Hinterseher die Pläne für ein Windrad auf einem Acker im Weißlinger Holz bis zur Genehmigung voran und überließen Bau und Betrieb dann der BEG. Die Genossenschaft war mit einer Fotovoltaikanlage auf dem Dach einer Echinger Schule gestartet und ist seit Anfang 2014 ein eingetragenes Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU), nicht anders als EON oder etwa die Stadtwerke. Ziel der BEG, bei der mittlerweile über 500 Bürger und 14 Gemeinden Mitglied sind, ist die komplette Energieversorgung im Landkreis durch erneuerbare Energien zu bewerkstelligen. Strom beziehen kann man von der BEG schon jetzt (www.BEG-FS.de).

Begonnen wurde mit dem Bau der Anlage im Mai 2015, im August wurde der Turm errichtet und am 3. November begann der Betrieb. Widerstände gab es natürlich auch, räumen Henze und Hillebrand ein. Es seien aber irrationale Ängste, sagen sie, von denen die Gegner getrieben würden. Dass die Anlage nicht laut sei, dass der Betrieb ihre Gesundheit nicht gefährde, dass die Emissionsrichtwerte alle eingehalten würden, das wollten sie einfach nicht glauben. Sie hätten deshalb auch das Landratsamt als Genehmigungsbehörde verklagt, seien aber in zwei Instanzen gescheitert.

Gerne würde die BEG noch weitere Windräder betreiben, sagt Henze, aber die von Ministerpräsident Horst Seehofer durchgesetzte 10-H-Regelung erschwere dies enorm. 2000 Meter Abstand zur nächsten Bebauung, das könne in ganz Bayern fast an keiner Stelle eingehalten werden. Gleichwohl gebe es im Landkreis Pläne für zwei weitere Anlagen. In Gammelsdorf etwa wurden die Unterlagen vor Verabschiedung der 10-H-Regelung eingereicht, doch gerade da seien die Widerstände enorm. Ähnlich wie in Mauern, wo die Aufstellung eines Bebauungsplans nach dem 10-H-Gesetz die Errichtung eines Windrads ermöglichen würde. Ob irgendwo im Landkreis noch ein Windrad gebaut werde, könne er derzeit nicht sagen, so Hillebrand, klar sei aber, "ohne Bürgerbeteiligung läuft nichts". Um das Klimaabkommen von Paris einzuhalten und bis 2050 kein CO₂ mehr auszustoßen, sei der Bau weiterer Anlagen unverzichtbar, sagt Henze.

Diese Ziele seien ohne Wind und Sonne nicht erreichbar, ein Verstoß gegen das Abkommen wäre "ein Verbrechen gegenüber der Menschheit". Es müsse also rasch, aber nicht überstürzt gehandelt werden, so Henze und Hillebrand. Auf einen Schlag alle Braunkohle- und Atomkraftwerke abzuschalten, sei derzeit nicht möglich, "aber da müssen wir hinkommen". Sonne und Wind seien "die Säulen unseres Wohlstands", sagt Henze, sie könnten 80 Prozent des Stroms erzeugen.

© SZ vom 02.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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