Erschreckende Verkehrsmoral:An Tempolimits nicht interessiert

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Gerast wird überall auf den Straßen in den Ortsteilen Echings. Auch die Autofahrer, die Dietersheim durchqueren, verhalten sich nicht immer vorbildlich. (Foto: Lukas Barth)

Messungen zeigen, dass in Eching Raser nicht die Ausnahme, sondern die Regel sind. In Günzenhausen sind die Ergebnisse besonders auffällig: Nur neun Prozent der 9675 kontrollierte Autofahrer hielten sich an das Tempo 30

Von Klaus Bachhuber, Eching

Es lebt in Günzenhausen offenbar ein kleiner Bevölkerungsanteil, der sich von der Mehrheit der übrigen Dorfbewohner durch eine schier exotische Eigenschaft abhebt: Das kleine Häufchen hält sich an die Verkehrsregeln. Eine Messreihe hat im gesamten Echinger Gemeindegebiet ein fast flächendeckendes Desinteresse an Geschwindigkeitsbeschränkungen ermittelt, mit den extremsten Ausschlägen in Günzenhausen. "So was hab' ich noch nie gesehen", sagte Reinhard Spatz von der "Gemeinnützigen Gesellschaft für Kriminalprävention und Verkehrssicherheit" bei der Präsentation der Messergebnisse im Gemeinderat. Er kam aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr heraus. "Das ist wirklich dramatisch."

"Erschreckende Ergebnisse" bilanzierte Bürgermeister Sebastian Thaler. Einstimmig gab der Gemeinderat eine kommunale Überwachung auch des fließenden Verkehrs in Auftrag. Bislang kontrollieren "Park-Sheriffs" in der Gemeinde lediglich Parkverbote. Die Geschwindigkeitsüberwachung muss nun neu ausgeschrieben und vergeben werden. Vorgesehen sind rund 30 Kontrollstunden monatlich an etwa 15 verschiedenen Stellen. Um die Kosten werde man sich angesichts des Verkehrsverhaltens der Echinger keine Sorgen machen brauchen, versicherte Spatz und prophezeite für die Gemeindekasse in der Bilanz aus Kosten der Überwachung und Erträgen "eine dicke schwarze Null". Größere Präventionsbemühungen, wie sie die Gesellschaft anbietet, sah Thaler nicht als dringlich: "Die beste Prävention sind Bank- und Punktekonto."

Die gemeinnützige Gesellschaft hat in drei Wochen im Spätherbst an 17 Straßen anonym kontrolliert. Die krassesten Ergebnisse lieferte die Messstelle am Günzenhausener Wirtsberg. Lediglich neun Prozent der 9675 kontrollierten Autofahrer hielt sich dort an das vorgeschriebene Tempo 30, die Regelgeschwindigkeit war 51 Kilometer pro Stunde. In der Weinbergstraße in Günzenhausen übertraten 76 Prozent der Autos das 30-Stundenkilometer-Limit. Die meisten Autofahrer waren hier mit Tempo 52 unterwegs. In Deutenhausen in der Burgstraße sind trotz "Tempo 30-Schildern 58 Stundenkilometer üblich.

In Eching werden die Limits auf den Durchgangsstraßen noch regelmäßiger ignoriert als die Tempo-30-Zonen. In der Paul-Käsmeier-Straße, jenseits der S-Bahn-Brücke, haben 85 Prozent der Verkehrsteilnehmer das Limit von 50 Stundenkilometern übertreten, die meisten fuhren 78 Stundenkilometer. Durch die Obere Hauptstraße wird üblicherweise mit 62 Stundenkilometern gefahren, ein Auto wurde gar mit Tempo 109 gemessen. Die extremsten Raser in den drei Monaten waren ein Fahrer auf der Paul-Käsmeier-Straße mit 137 Stundenkilometer und eins in der Tempo-30-Zone der Garchinger Straße mit 90 Stundenkilometer.

In Dietersheim fuhren 16 580 der kontrollierten 30 500 Autos auf der Hauptstraße zu schnell. Auch ein sensibler Punkt wie in der Danziger Straße in Eching die unmittelbare Nähe zur Grund- und Mittelschule hat die Autofahrer nicht sonderlich zum Bremsen motiviert. Fast die Hälfte der immerhin 10 000 kontrollierten Fahrzeuge fuhr zu schnell, statt 30 km/h ist die Standardgeschwindigkeit vor der Schule 46 km/h.

Die größte Akzeptanz fand das Tempolimit unter den kontrollierten Stellen in der Nelkenstraße in Eching, wo sich 82 Prozent der Verkehrsteilnehmer an Tempo 30 hielten. Auch auf der Dietersheimer Straße auf Höhe des Bauhofs, wo 50 km/h vorgeschrieben ist, akzeptierten drei Viertel der Autofahrer dieses Limit.

Simon Schindelmayr stellte angesichts dieser Raser die Frage, "ob das Tempolimit überall vernünftig ist". Spatz konterte, dass bei dieser Logik jede Beschränkung in Eching unvernünftig wäre, "denn alle werden überschritten". Bernd Kneissl von der Polizeiinspektion Neufahrn versicherte, dass die Geschwindigkeitsbeschränkungen "penibel geplant und abgestimmt" würden, Limits ohne Notwendigkeit wies er von sich.

© SZ vom 02.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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