Ereignisreiche Historie:Besondere Verbundenheit

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Die Michaelskirche am heutigen Friedhof, außerhalb des Stadtzentrums gelegen, war wahrscheinlich die erste Kirche mit einer Moosburger Gemeinde. (Foto: Marco Einfeldt)

Die Moosburger haben sich im Laufe der Jahrhunderte stark mit ihren Gotteshäusern identifiziert und nach der Säkularisation sogar den Abriss der Johanneskirche verhindert - Dominik Reither erforscht ihre Geschichte

Von Clara Lipkowski, Moosburg

Zwar ist die wohl bekannteste Kirche in der Stadt das Münster St. Kastulus. Die erste Kirche mit einer Moosburger Gemeinde war aber aller Wahrscheinlichkeit nach die Michaelskirche. Das hat der Historiker und Buchautor Dominik Reither erforscht. Reither beschäftigt sich intensiv mit der Moosburger Stadtgeschichte und informiert interessierte Bürger regelmäßig in Vorträgen.

Auf der höchsten Stelle des Stadtbergs der heutigen Michaeli-Vorstadt, nahe der gleichnamigen Kirche, war laut Reither im frühen Mittelalter ein strategisch wichtiger Punkt: Dort trafen zwei Handelsstraßen aufeinander. Es entstand ein herzoglicher Hof, Bedienstete ließen sich nieder, es entstand eine Siedlung. Für die Bewohner wurde bald eine Kirche gebaut, wahrscheinlich im achten oder neunten Jahrhundert, meint Reither. Diese Siedlung lag außerhalb des eigentlichen Zentrums von Moosburg: Das zeigt der Verlauf der Stadtmauer am Anfang der Münchner Straße im hohen und späten Mittelalter.

Die Michaelskirche sei mehr ein "Seelsorgezentrum" gewesen, in dem die Gläubigen Taufe und Eucharistie empfingen, auch Begräbnisse fanden statt, so der Historiker. Das Kirchenzentrum war noch keine Pfarrei im heutigen Sinn, die richtigen Pfarreien im Bistum Freising gab es erst viel später, um das Jahr 1000. So wie die Kirche heute steht, wurde sie wohl im zwölften Jahrhundert gebaut. In ihrer Größe ist sie unverändert, lediglich der Dachstuhl wurde 1675 erhöht. Die Kirche blieb Nebenkirche, was auch daran deutlich wird, dass auf dem sie umgebenden Friedhof nur Menschen begraben wurden, die außerhalb der Stadtmauer wohnten.

Die Gegend im heutigen Zentrum "Am Plan" war vermutlich ein weiterer Siedlungskern. Dort war in den 750er Jahren ein Benediktinerkloster gebaut worden, später das Münster St. Kastulus und in direkter Nachbarschaft eine Vorgängerkirche der Johanneskirche. Die Gegend prosperierte über die Jahrhunderte, ein Marktplatz und das Rathaus entstanden. In der frühen Neuzeit war vor allem das Stift St. Kastulus auch überregional bekannt, in Besitz von Land und somit für die Stadt bedeutender Bauherr und Arbeitgeber. Außerdem übernahm das Stift wichtige Aufgaben in der Armenfürsorge.

Entsprechend massiv war der Protest, als das Stift St. Kastulus 1598 auf Anordnung des Papstes nach Landshut verlegt wurde. So wurde St. Kastulus zu einer Pfarrkirche und St. Johannes nur noch Filialkirche. Auch das passte der Bevölkerung nicht: Sie bestreikte daraufhin die dortigen Gottesdienste und bestand auf dem Pfarrrecht der Johanneskirche.

Einen gewissen Ersatz bot von 1699 an das Kapuzinerhospiz. Ein Brauer, fand Reither heraus, hatte ein Grundstück zur Verfügung gestellt und so konnte dort ein Gebäude errichtet werden, das vor allem seelsorgerischen Zwecken diente. In der frühen Neuzeit engagierten sich immer mehr Moosburger in ihrer Gemeinde, sie organisierten Prozessionen und bildeten Bruderschaften. Später, im 19. Jahrhundert, schwächte die Säkularisation allerdings die Dominanz der katholischen Kirche. Das Kollegiatstift wurde aufgehoben, das Kapuzinerkloster ebenso und fortan wurde die Baulast für die Kirchen auf die Gemeinde übertragen. Das bedeutete für die Kirche einen hohen Verlust an Grundbesitz und Geld. Sie war nun auf Zuschüsse angewiesen. Die Stadt kaufte die Johanneskirche, wollte sie abreißen und später zu einem Finanzamt umbauen. Das aber verhinderten die Moosburger Bürger laut Historiker Reither.

Dass die Moosburger "ihrer" Kirche nahestanden zeigt sich auch in der Mitte des 19. Jahrhunderts: St. Kastulus wurde umfassend umgebaut und renoviert und das fast ausschließlich von Spenden der rund 2500 Moosburger.

Eine neue Situation ergab sich im 20. Jahrhundert mit der Industrialisierung. Es siedelten sich immer mehr Industriearbeiter an, die wenig von der Kirche geprägt und für den Pfarrer nicht erreichbar waren. Mitte des Jahrhunderts lebten bereits 1755 Nichtkatholiken und 5600 Katholiken in Moosburg, 1933 waren es noch 78 Protestanten gewesen und knapp 4700 Katholiken. Es gab Mischehen und auch zahlreiche Atheisten.

"Von da an war der Pfarrer nicht mehr alleinige moralische Instanz", meint Reither. Und musste sich der Konkurrenz anderer Konfessionen und Weltanschauungen stellen.

© SZ vom 24.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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