"Aufgemuckt"-Sprecher Hartmut Binner tritt kürzer:Geschätzt und gefürchtet

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Eine Symbolfigur der Startbahngegner zieht sich in die zweite Reihe zurück. Im Gespräch mit der Freisinger SZ schildert der 78-jährige Hartmut Binner, wie er zum Revoluzzer für die Heimat wurde

Interview von Interview Johann Kirchberger, Freising

Bei seinem Rücktritt als Aufgemuckt-Sprecher Ende Oktober ist Hartmut Binner mit Lobeshymnen überschüttet worden. Er wurde als Ikone der Startbahngegner bezeichnet, als Herz des Widerstands. Darauf ist er ein wenig stolz, wie er gesteht. Dankbar ist er dafür, in einem demokratischen Freistaat leben zu dürfen, dem er als loyaler Beamter diente und gegen den er heute "vehement mit allen rechtlich legitimen Mitteln vorgehen kann", ohne irgendwelche Sanktionen befürchten zu müssen. Das sei für ihn alles andere als selbstverständlich, sagt Binner. Gesundheitliche Gründe zwingen den 78-Jährigen nun, kürzer zu treten. Mit "Wut und Leidenschaft" will er aber weiterhin gegen den Bau einer dritten Startbahn im Erdinger Moos kämpfen.

SZ: Als Sie 1999 in Pension gingen, haben Sie sich da gedacht, dass Ihr Ruhestand so unruhig, ja so aufregend werden wird?

Binner: Da war ich noch aktiver Leistungssportler und hatte viele Hobbys. 2004 wurde ich sogar noch einmal, nach früheren fünf Deutschen-Meister-Titeln und als Eurovisionssieger im "Spiel ohne Grenzen", Deutscher Turnfestmeister im Faustball. Ich hätte aber nie an das gedacht, was dann von 2005 an folgte. Aber ich bin dankbar, dass mir diese Rolle in den Schoß fiel.

Was hat Sie damals bewogen, derart leidenschaftlich gegen den Bau einer dritten Startbahn zu kämpfen?

Ich war mein Leben lang, sowohl als Polizist wie auch im Sport als internationaler Schiedsrichter, ein Kämpfer für absolute Gerechtigkeit. Als ich nach Bekanntwerden der Pläne für die Startbahn als ehemaliger loyaler Staatsdiener mit meinem Nachbarn einen hoffnungsvollen Brief an Ministerpräsident Stoiber sandte, wurden wir von dem radikal abgebürstet. Da wurde ich zum Revoluzzer für unsere Heimat.

Freisinger Köpfe
:"Bürgerwille zählt nur in Wahljahren"

Startbahngegner Hartmut Binner kämpft künftig in der zweiten Reihe

Von Johann Kirchberger

Sie sind als Sprecher von Aufgemuckt eine Art Symbolfigur der Startbahngegner geworden, von den eigenen Leuten hoch geschätzt, von der Gegenseite zumindest geachtet. Worauf führen Sie das zurück?

Als ehemaliger Schandi und ohne ein Parteibuch - parteilos, aber nicht farblos - genoss ich viel Vertrauen und Sympathie. Ich wollte und konnte ja nichts mehr werden. Meine Art, aus dem hohlen Bauch das zu sagen, was ich denke, kam sicher auch gut an. Als einziger Rentner im Sprecherrat war ich Tag und Nacht erreichbar. In den acht Monaten vor dem Münchner Bürgerentscheid gab ich fast 100 Interviews.

Sie haben unzählige Demonstrationen organisiert. Welche betrachten Sie als Ihren größten Erfolg?

Im Nachhinein glaube ich, dass die Großdemo in München am 29. Oktober 2011 als Start zum Münchner Bürgerbegehren und unsere dreitägige Zeltwache "Occupy Staatskanzlei" kurz vor dem Bürgerentscheid wesentlich zum großen Erfolg beitrugen. An diesen drei Tagen schwärmten ununterbrochen rund 200 unserer Leute in die Stadt aus, um Stimmen zu sammeln. Daneben erfreute ich mich an den fröhlichen Radlwallfahrten, der farbigen FMG-Demo 2009, den Busfahrten zu den Tagungen in Kreuth und den Aschermittwoch-Veranstaltungen in Passau und Vilshofen.

Im Kampf gegen die Startbahn haben Sie viele Gefolgsleute. Wie zufrieden waren Sie mit der Unterstützung durch die Bevölkerung und die örtlichen Politiker?

Am liebsten waren mir stets die, die man einbremsen musste, und davon gab es zum Glück sehr viele. Aber wir schafften es auch, Unentschlossene mit unseren Argumenten zu überzeugen. Am meisten freute ich mich über die 2000 Teilnehmer beim Besuch des Ministerpräsidenten in Attaching an einem Werktag-Mittag. Allerdings fürchte ich, dass viele Menschen in Freising noch gar nicht ahnen, wie sehr sie gesundheitlich von der Startbahn betroffen wären. Wir konnten viele örtliche Politiker von der Unsinnigkeit dieses Ausbauvorhabens überzeugen, mit Ausnahme von FDP und CSU. Vonseiten der CSU-Mandatsträger erfuhren wir keinerlei echte Unterstützung oder gar gelebten Widerstand. Darüber bin ich noch heute sehr enttäuscht.

In den elf Jahren mussten Sie auch Niederlagen hinnehmen. Der Planfeststellungsbeschluss konnte nicht verhindert werden, Prozesse gingen verloren. Worüber waren Sie am meisten enttäuscht?

Am meisten enttäuscht war ich über die knallharte Abschmetterung aller guten Einwendungen durch den VGH und über die menschenverachtende Art, wie dies Richter Allesch begründet hat. Ich habe noch nie so zornig und aus voller Brust irgendwo die bayerische Nationalhymne angestimmt wie in diesem Gerichtssaal. Darauf bin ich noch heute stolz.

Der Münchner Bürgerentscheid 2012 hätte auch schiefgehen können. Waren Sie seinerzeit über den Vorstoß der Münchner Grünen erschrocken oder erfreut?

Wir berieten damals eine halbe Nacht lang den überraschenden Vorschlag des Münchner Bündnisses. Wir glaubten nie, dass wir gewinnen könnten. Aber wir wollten unseren Widerstand öffentlich zeigen.

Nach Seehofers Besuch in Attaching war die Euphorie groß. Viele dachten, das Ende der Startbahn sei nah. Sie auch?

Auch ich dachte damals an ein baldiges Ende. Der Umkehrschwung des Ministerpräsidenten war für mich die nächste große Enttäuschung. Er wollte wohl wieder Ruhe in seine CSU bringen, um sich auf ihm wichtigere Aufgaben konzentrieren zu können. Bürgerwille zählt nur in Wahljahren! Bei vielen Startbahnbefürwortern in der CSU, allen voran Geisterfahrer Huber, aber auch Kreuzer und Söder, denke ich an unseren alten Bannerspruch: "Lockt das Geld der Lobbyisten, werden Politiker Statisten!"

Wenn man sieht, mit welchen finanziellen Mitteln die FMG den Bau der Startbahn forciert, sehen Sie sich da manchmal als David im Kampf gegen Goliath?

Das Gefühl hatten wir ja schon beim Münchner Bürgerentscheid. Aber wir schwemmten damals die Millionen der FMG mit unserem Herzblut ganz einfach weg. Persönlicher Einsatz aus Überzeugung ist nicht mit Geld aufzuwiegen. Daher werden wir auch einen eventuellen neuen Bürgerentscheid gewinnen.

Sie wollen weiter gegen die Startbahn kämpfen, nur nicht mehr in der ersten Reihe. Wie wird Ihr Engagement aussehen?

Ich werde weiterhin als Berater und Aufklärer zur Verfügung stehen und bei einem neuerlichen Münchner Bürgerentscheid wieder mein "Gesicht" zur Verfügung stellen. Wie sehr die Befürworter derzeit fürchten, dass gar keine Startbahn mehr gebaut wird, wenn nicht sofort, zeigt mir, dass wir auf einem guten Weg sind. Wir werden sie endgültig verhindern, das glaube ich mehr denn je.

Was geben Sie Ihren Nachfolgern mit auf den Weg?

Ich empfehle Geduld, Ausdauer und langen Atem. Nicht provozieren lassen und nicht aus der Rolle fallen. Mit allen, aber nicht mehr mit der CSU reden. Bei Demos gegen CSU-Entscheidungsträger nur noch eine Person mit dem Banner "Ihr seid es uns nicht mehr wert zu demonstrieren!" abstellen. Vor allem aber immer mehr Münchner überzeugen, dass sie auch in 20 Jahren noch leicht von zwei Startbahnen aus in den Urlaub fliegen können.

© SZ vom 12.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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