Elsa von Durant, das Jahr 1918 und Judenverfolgung:Geschichten aus der Stadt Freising

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Die Sammlerin und Malerin Elsa Tischner-von Durant lebte einst in Freising und Moosburg und besaß Werke von Van Gogh, Cézanne und Gauguin. (Foto: oh)

Der Historische Verein gibt sein 44. Sammelblatt mit 216 Seiten und vielen Abbildungen heraus.

Von Johann Kirchberger, Freising

Sammelblatt ist eigentlich ganz schön tief gestapelt für so ein Buch mit 216 Seiten und vielen Abbildungen über die Geschichte der Stadt Freising. Aber Sammelblatt heißt dieses "Forum der Freisinger Geschichtsforschung", wie Günther Lehrmann, der Vorsitzende des Historischen Vereins sagte, schon seit 1894, und heuer hat Ulrike Götz bereits das 44. Sammelblatt herausgegeben. Zur "Geburtstagsfeier für das neue Buch" waren zahlreiche Interessenten gekommen, der große Rathaussaal war voll. Denn, so Götz, "Stadtgeschichte ist nicht nur eine Sache der Vergangenheit, sie passiert ständig und beginnt jeden Tag".

Drei Aufsätze bilden den Schwerpunkt des neuen Sammelblatts, das die Mitglieder des Historischen Vereins kostenlos bekommen, für 24 Euro aber auch gekauft werden kann. Unter dem Titel "Freising 1912 - Elsa von Durant und ihre Gemälde von van Gogh, Cézanne und Gauguin" beschäftigt sich Götz mit dem Leben einer Malerin, die von 1911 bis 1913 in Freising lebte, zur damaligen künstlerischen Avantgarde in Deutschland gehörte und einen unglaublichen Bilderbesitz ihr Eigen nannte. Götz erwähnte in diesem Zusammenhang Adolf Hengeler, einen Professor der Münchner Kunstakademie, von dem vier Bilder aus dem Jahr 1912 heute im Rathaussaal hängen.

Ein Arbeiter- und Soldatenrat wurde gebildet

Breiten Raum nimmt das Jahr 1918 ein. Das Geschehen in Freising, so Götz, habe sich damals nicht auf dem Domberg, sondern in den Wirtshäusern, im Rathaus und auf dem Marienplatz abgespielt, wo die Menschen nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und der Monarchie dicht gedrängt auf die neuesten Nachrichten von der Revolution warteten. Im Hof der Jägerkaserne, vor dem heutigen Major-Braun-Weg, sei damals die Ausrufung der Räterepublik für Freising nachvollzogen worden. Es sei ein Arbeiter- und Soldatenrat gebildet worden. Der Aufruhr sei zwar groß gewesen, schildert der Historiker Florian Lehrmann in seinem Aufsatz. Aber er sei schnell wieder vorbei gewesen, als der damalige Ministerpräsident Kurt Eisner Ende Februar 1919 ermordet wurde. Von den Ereignissen 1918/19 handelt auch das Titelblatt des Buches, das eine unglaubliche Menschenmenge auf dem Marienplatz zeigt.

Der dritte Aufsatz stammt von Guido Hoyer und beschäftigt sich mit den Vorgängen rund um die Reichspogromnacht 1938. Geschildert wird darin, wie jüdische Mitbürger schikaniert, ihre Geschäfte zerstört, sie in Konzentrationslager gesteckt und alle, die ihnen geholfen haben als Judenknechte misshandelt wurden. Einer davon war Rechtsanwalt Max Lehner, der durch die Stadt getrieben wurde und Freising verlassen musste. Zurück kam er erst 1948 wieder, kurz darauf wurde er zum Oberbürgermeister gewählt.

Ergänzt wird das Sammelblatt durch die Freisinger Stadtchronik der Jahre 2012 bis 2017, zusammengestellt von Stadtarchivar Florian Notter. Dazu kommen für den gleichen Zeitraum die Vereinschronik und Nachrufe, für die Günther Lehrmann verantwortlich ist und ein Mitgliederverzeichnis. Entstanden sei mit dem Sammelblatt das Bild eines Stadtraumes und einer Stadtlandschaft voller Erinnerungen, sagte Götz. Für sie ist Denkmalpflege nicht nur ein Bewahren historischer Bausubstanz und eines stimmigen Stadtbildes, sondern "ein Bewahren der Geschichte und der Geschichten, die sich an diesen Orten abgespielt haben".

© SZ vom 29.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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