Eine Satzung soll es richten:Bäume für eine lebenswerte Stadt

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Charlotte Reitsam will in Freising Abholzungsaktionen erschweren. Die Grünen-Stadträtin wirbt erfolgreich um Unterstützer.

Von Kerstin Vogel, Freising

Wenn Grünen-Stadträtin Charlotte Reitsam über die städtebauliche Bedeutung von Bäumen spricht, gerät sie schnell ins Schwärmen. Große, alte Bäume würden ein grünes Dach bilden, Volumen in versteinerte Städte bringen und für Schatten, Feuchtigkeit und Verdunstung sorgen. Für die Vogelwelt seien sie "durch nichts zu ersetzen" - und weil all das auch mit Blick auf den Klimaschutz von so enormer Bedeutung ist, unternehmen Reitsam und die Grünen im Freisinger Stadtrat nun erneut einen Anlauf, eine Baumschutzverordnung für die Domstadt durchzusetzen.

Knapp zusammengefasst würde diese Satzung besagen, dass Bäume ab einem Stammesumfang von 60 Zentimetern in einem Meter Höhe nicht ohne Genehmigung gefällt werden dürfen. Diese kann man jedoch beantragen und dann wird geprüft, ob es eine Alternative zu der Maßnahme gibt. Ist das nicht der Fall, darf gefällt werden, es muss aber eine entsprechende Ersatzpflanzung vorgenommen werden, wie Reitsam schildert. Wichtig sei das nicht etwa für Neubaugebiete, denn da könne die Stadt über den Bebauungsplan vieles regeln. So, wie im Steinpark, wo viele der alten Bäume erhalten werden mussten und nun eine "irre Atmosphäre" schaffen, wie Reitsam findet. Die Satzung brauche man vielmehr für die zahlreichen Bauvorhaben, die mit der Nachverdichtung in Freising einhergehen.

Vor allem, wenn Erbengemeinschaften auf einem ererbten Grundstück ein zweites Haus bauen wollten, sei die alte Buche oder Eiche schnell verschwunden, hat die Grünen-Stadträtin festgestellt. Umweltreferent Manfred Drobny will die Satzung auch, um Bäume im öffentlichen Raum schützen zu können: "Mit so einer Regelung kann man dann auch einen Baum an Straßen oder Plätzen nicht mehr einfach fällen, nur weil er irgendwen stört oder jemand ihn zu alt findet." Zu viele Verluste habe die Stadt da in der Vergangenheit schon hinnehmen müssen, ergänzt Reitsam, eine ganze Liste schöner alter Stadtbäume hat sie, die verschwunden sind und Lücken hinterlassen haben - zuletzt an der Aribostraße, weil dort Sozialwohnungen gebaut werden und niemand auf die Bäume schaute.

Seit Anfang der 90er Jahre haben die Grünen das Thema Baumschutzsatzung auf der Agenda. Reitsam saß damals schon ein erstes Mal für die noch recht junge Umweltpartei im Stadtrat und musste erleben, wie eine große Mehrheit der Kollegen einen per Satzung geregelten Baumschutz in Bausch und Bogen ablehnte. Inzwischen aber hätten sich die Verhältnisse geändert, sagt Reitsam. Im Stadtrat säßen auch bei den anderen Fraktionen jüngere Leute, denen eine lebenswerte Stadt mit einem gesunden Klima wichtiger sei als möglichst viel von Natur befreiter Baugrund.

Deshalb war Reitsam auch schon politisch aktiv. Hat die Argumente für eine Baumschutzverordnung Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher vorgetragen, hat sich vergewissert, dass der Stadtgärtner auf ihrer Seite ist und hat sich eigens mit dem Planungsreferenten der Freisinger Mitte, Franz Bernack, zusammengesetzt, um ihn für den Antrag der Grünen zu gewinnen.

Und weil Bernack signalisiert hat, dass wohl eine Mehrheit seiner Fraktion zustimmen wird, ist Reitsam nun guter Dinge, dass man dieses Mal Erfolg haben könnte. Rechtlich ermögliche Paragraf 29 des Bundesnaturschutzgesetzes eine solche Satzung, sagt sie - und dass das nicht zwingend eine parteipolitische Entscheidung sein müsse, zeige sich an den Beispielen von Ober- und Unterhaching, wo unter Bürgermeistern von CSU und SPD geregelter Baumschutz betrieben werde.

"Eine parteiübergreifende Mehrheit wäre auch in Freising schön", wünscht sich Reitsam - und schwärmt schon wieder: "So ein alter Baum, das Leben da drin, das bietet eine wunderbare Gegenwelt zu all der hektischen Betriebsamkeit in unseren Wohngebieten."

© SZ vom 09.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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