Ehrgeiziges Vorhaben:Viele Mosaiksteine

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Beim Ökumene-Projekt "Neufahrner Bibel" schreiben Bürger aller Generationen das komplette Neue Testament ab

Von Birgit Grundner, Neufahrn

Erst vor kurzem kam wieder ein Brief. Fünftklässler des Oskar-Maria-Graf-Gymnasiums hatten ihn geschickt. Im Umschlag war ihre ganz persönliche Abschrift von 29 Versen aus dem Matthäus-Evangelium. "Betreff: Neufahrner Bibel" hatten sie darüber geschrieben. Es ist ein weiterer Mosaikstein für ein ehrgeiziges Ökumene-Projekt zum Reformationsjahr 2017. Ziel ist es, die vier Evangelien des Neuen Testaments komplett abzuschreiben. Momentan ist vor allem das Markus-Evangelium in Arbeit.

Wer mitmachen will, kann sich im Internet eine Passage aussuchen. Bis November soll das Werk fertig sein. Aber noch ist nicht ganz sicher, ob der Zeitplan wirklich eingehalten werden kann. "Wir haben noch ganz viel zu tun", weiß Pastoralreferentin Christina Brandl-Bommer, "und wir müssen noch mal richtig Gas geben". Deshalb wird am Sonntag, 25. Juni, auch eine Schreibwerkstatt eingerichtet: Zwischen elf und 16 Uhr kann jeder in den kleinen Saal des katholischen Pfarrzentrums kommen und selbst eine DIN-A 4-Seite gestalten. Das Material wird gestellt, der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.

In ihrem Büro blättert Christina Brandl-Bommer in einem dicken Ordner mit bereits abgeschriebenen Bibel-Passagen. "Wir haben richtige Künstler", stellt sie begeistert fest. Eine Familienmutter zum Beispiel hat ihren Text vom Einzug in Jerusalem mit einer Zeichnung biblischen Szene verziert. Ein Mann hat das letzte Abendmahl aufwendig gestaltet. Das Original hängt bei ihm daheim an der Wand, ein Foto soll in die "Neufahrner Bibel" kommen.

Eine Kinder-Gruppe hat passend zu ihrer Passage einen Baum gemalt, die Vögel darauf sind ihre bunten Fingerabdrücke. Die ausländischen Mitbürger, mit denen die Pastoralreferentin jedes Jahr den "Gottesdienst der Nationen" gestaltet, haben Verse in verschiedene Sprachen übersetzt und in Schönschrift niedergeschrieben - auf Spanisch, Rumänisch, Polnisch, Ungarisch, Aramäisch und auch Arabisch.

Die Idee für das ungewöhnliche Projekt hatten Elke Majstorovic und Gabi Neubauer, die in der Pfarrei St. Franziskus und in der evangelischen Kirchengemeinde gleich Unterstützung dafür fanden. Gestartet wurde es dann beim ökumenischen Kinderbibel-Wochenende in den Herbstferien. 200 Schüler hatten sich damals spielerisch, musikalisch und kreativ mit dem Leben und Wirken von Martin Luther beschäftigt. Vor 500 Jahren hat er seine Thesen gegen den Ablasshandel der katholischen Kirche an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg geschlagen hat. Und er hat die Bibel einst in volkstümliches Deutsch übersetzt und sie den Menschen damit nähergebracht. Das Reformationsjahr ist für Christina Brandl-Bommer ein perfekter Zeitpunkt für die "Rückbesinnung auf den Ursprung des Christentums" und eine erneute Auseinandersetzung mit der Bibel, und die "Neufahrner Bibel" soll eine generationenübergreifende Gelegenheit dazu bieten.

In der Schreibwerkstatt können alle gemeinsam arbeiten. Die "Neufahrner Bibel" soll nach der Fertigstellung gedruckt und gebunden und auch zum Verkauf angeboten werden.

© SZ vom 24.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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