Besondere Einrichtung im Echinger ASZ:Möbel aus Zeitungen und Kartons

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Die deutsche Staatsbürgerin Nguyen Thi Nu ist im Echinger ASZ gestrandet. Aus Kartons und Zeitungspapier gestaltet sie dort Möbel. (Foto: Johannes Simon)

Wie Nguyen Thi Nu in der früheren Heimat gestrandet ist und was es mit ihrer "Corona-Lifestyleline" auf sich hat.

Von Klaus Bachhuber, Eching

Auf dem größten Schubfach im Regal segnet der Papst den leeren Petersplatz, eingerahmt von Grafiken der Pandemie-Entwicklung. Fotos zur Illustration der Wochen im Ausnahmezustand zieren alle Elemente der Inneneinrichtung im Appartement von Nguyen Thi Nu im Echinger ASZ. "Meine neue Lifestyleline 'Corona'", scherzt die 48-Jährige, "das kann man auch einmal für ein Corona-Museum verwenden".

Ihre Geschichte taugt da auch für eine Illustration der Absonderlichkeiten in dieser Krise. Die deutsche Staatsbürgerin Nu hatte zuletzt ein Jahr in ihrem Geburtsland Vietnam verbracht. Zu einem Besuch bei Freunden in Deutschland landete sie am Flughafen München - einen Tag vor der Verhängung des Lockdowns. Ihr Rückflug wurde gestrichen, Vietnam ließ keine Ausländer mehr ins Land.

Erst kam sie bei Freunden unter, dann im ASZ

In Deutschland aber herrschte Kontaktsperre. Es war kein Besuch bei Freunden möglich, dazu musste der Aufenthalt dauerhaft organisiert werden, ein Ende der Situation ist ja weiterhin nicht absehbar; also hieß es, eine Wohnung finden, Arbeit suchen oder eher sich arbeitslos melden. "Tränen sind geflossen", sagt Nu knapp. Nach erster provisorischer Unterkunft bei Freunden gelang es ihr, eine frei werdende Wohnung im Betreuten Wohnen des Vereins "Älter werden in Eching" im ASZ zu bekommen. Dort hatte sie früher bereits gelebt und daher dort angeklopft. Nu ist auf den Rollstuhl angewiesen, die ASZ-Wohnungen sind barrierefrei.

"Die Zeit im Lockdown wollte ich sinnvoll nutzen", erzählte sie und begann mit dem am leichtesten und regelmäßig verfügbaren Material zu basteln: Mit Zeitungspapier der SZ. In Vietnam war das schon ein Hobby von ihr geworden, jetzt setzte sie es in größerem Stil um. Anfangs bastelte sie einen Korb, ein Tablett. Dann hatte sie die Idee, das zu kreieren, was sie gerade am Nötigsten brauchte: Möbelstücke für die neue Wohnung.

Aus Kartons und Zeitungspapier gestaltete sie ein Regal, "geschmückt mit Artikeln und Fotos aus der Zeitung in der Corona-Zeit". Es folgten ein Regalschrank und weitere Accessoires. Nach fast fünf Wochen Lockdown ist die Wohnung gut ausgestattet. "Sehr empfehlenswert", schildert Nu, "da sehr nachhaltig und kostengünstig".

Nguyen Thi Nu verlor ihre Eltern im Vietnamkrieg

Nguyen Thi Nu hat mit drei Jahren im Vietnamkrieg der USA ihre Eltern verloren und wurde selbst so schwer verletzt, dass sie seither im Rollstuhl sitzt. Über eine Hilfsorganisation kam sie nach Deutschland und wuchs hier auf, machte ihr Abitur. Im Rollstuhlbasketball brachte sie es zur Nationalspielerin, die für Deutschland sogar bei den Paralympics startete.

Nach Aufenthalten in den Niederlanden und in Australien siedelte sie sich 2011 als Financial Analyst in Bayern an. Im März 2019 kündigte sie und ging nach Vietnam in ihr Heimatdorf, wo sie mit dem "Friedensdorf", das sie vor fast 50 Jahren aufgenommen hatte, ein Projekt zur Englisch-Ausbildung für Kinder initiierte. "Ich wollte den vietnamesischen Kindern in meinem Dorf etwas zurückgeben", sagt sie, "leider ist es jetzt wegen der Corona-Krise zum Stillstand gekommen." Stattdessen entwickelt sie nun im ASZ aus SZ-Seiten Corona-Möbel. Gerade kreiert sie das nächste notwendige Möbelstück: "Ich hab noch kein Bett..." Dieser Artikel ist die Grundlage.

© SZ vom 02.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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