Eching:CSU-Bürgermeister mit einem Faible für SPD-Kanzler

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Bei der Bürgermeisterwahl am Sonntag möchte Amtsinhaber Josef Riemensberger den Chefsessel im Rathaus verteidigen. Sich selbst sieht er als Realpolitiker.

Caroline Ischinger

Ein großes Foto von einem Feldweg im Nebel hängt über seinem Schreibtisch im Rathaus. Wenn der amtierende Echinger Bürgermeister, Josef Riemensberger (CSU), das Bild betrachtet, denkt er daran, wie während seiner Jugend manchmal wochenlang Wolkenschwaden tief über der Landschaft hingen. Der Nebel im Herbst sei um ein Vielfaches weniger geworden, klagt er.

Echings Bürgermeister Josef Riemensberger hat sogar ein Profil bei Facebook. (Foto: Ulla Baumgart)

Das Aus für solche stimmungsvollen Bilder hängt mit der Eröffnung des Flughafens zusammen. Der Grundwasserspiegel wurde massiv abgesenkt, um die Ansiedlung des Airports im Erdinger Moos zu ermöglichen. Auch die zunehmende Motorisierung habe in der Region das "Kleinklima" verändert - davon ist Riemensberger überzeugt: "Im Grunde genommen haben wir Entwicklungsgrenzen erreicht." Man müsse die Geschwindigkeit der Veränderungen drosseln.

Freilich, sagt der Bürgermeister, dürfe die Wirtschaft trotzdem nicht still stehen. Riemensberger, der seit mittlerweile zwölf Jahren das Echinger Rathaus leitet, denkt konservativ: Er will nicht immer neue Gewerbegebiete ausweisen, sondern die alten besser nutzen. Auf seine Liste der wichtigsten Tugenden setzt er - neben Verlässlichkeit und Berechenbarkeit - auch den Versuch, auf der Höhe der Zeit zu sein.

Mit seinen vier Kindern diskutiert der 52-Jährige gerne darüber, wie die Zukunft aussehen könnte oder sollte. Er nennt das seine "Rückkopplung zur Jugend". Seine Söhne haben dem Bürgermeister eine eigene Webseite gestaltet, auch ein Profil bei Facebook hat er angelegt - wenn auch mit Vorsicht. Denn aus seiner Sicht lauert im weltweiten Netz große Gefahr: Man könne dort "viele Dinge nicht mehr zurückholen".

Riemensberger wirkt so, als ob er sich nicht gerne überraschen lässt. Kalkulieren, planen - das sind seine Stärken. Nach der Volksschule besuchte Riemensberger eine Realschule mit Fachrichtung Wirtschaft und kaufmännisches Rechnen, die er mit der Mittleren Reife abschloss. Wenn er erzählt, wie er sich den ersten Taschenrechner gekauft hat, fängt er an zu kichern wie ein kleiner Junge. Nach Abschluss der Ausbildung zum staatlich geprüften Wirtschafter übernahm Riemensberger mit Anfang 20 den elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb, der seit 2005 von einem seiner Söhne geführt wird.

"Ich war lange selbständiger Unternehmer. Das prägt auch meine Herangehensweise in der Politik", sagt Riemensberger. Er wäge auch mit dem Blick der Privatperson ab, "vor allem, was die wirtschaftlichen Auswirkungen betrifft". Als besonderes Lob empfand er den Kommentar eines Abteilungsleiters: "Sie haben uns das Kalkulieren gelehrt." Wenn die Finanzen nicht stimmten, sagt Riemensberger, könne man so viele Ideen haben wie man wolle. Der CSU-Politiker sieht die Aufgabe des Bürgermeister nicht darin, nur Ideen zu entwickeln, sondern sie zur "Umsetzungsreife" zu bringen.

Was er von Visionen hält? "Sehr viel. Visionen verstehe ich so, dass ich über alles nachdenken und auch fantasieren kann, und dass ich dann Schritt für Schritt schaue, welche Teile dieser Vision bei näherem Betrachten umsetzbar sind." Da dürfe man ruhig ganz weit ausholen. Die Therme am Hollerner See, die diskutiert, aber abgelehnt wurde, sei so eine Vision gewesen. Aber Riemensberger wäre ein naiver Politiker, wenn er nicht über Alternativen nachgedacht hätte, betont er.

Riemensberger sieht sich als Realpolitiker. Und er hat als Christsozialer in dieser Hinsicht ein überraschendes Vorbild: Helmut Schmidt. Von dem sozialdemokratischen Altkanzler hat er gleich mehrere Bücher gelesen. Politik im Allgemeinen hat Riemensberger "schon immer interessiert". Noch bevor er 1990 in den Echinger Gemeinderat gewählt wurde, nahm er an Sitzungen teil. Als Jugendlicher hat er außerdem regelmäßig Nachrichten geschaut und täglich den Wirtschaftsteil der Zeitung gelesen.

Doch Riemensberger hat auch die Schattenseiten des Politiker-Daseins erlebt, etwa das magere Ergebnis von 14,1 Prozent als CSU-Kandidat bei der Landratswahl im März 2008. "Natürlich war ich da nicht erfreut", sagt er im Rückblick. Aber für ihn sei damit klar gewesen, dass seine Aufgabe im Echinger Rathaus liege: "Man hat hier schon sehr viele Gestaltungsmöglichkeiten", schwärmt er. Seiner Verantwortung als Bürgermeister, gerade bei hohen Investitionssummen, ist er sich bewusst. Auch wenn er die Entscheidungen nicht alleine treffe: "Der, der die Verträge unterschreibt, trägt ein Stück mehr Verantwortung", sagt er. Diese "anspruchsvolle Aufgabe" würde er auch künftig gerne übernehmen.

Wenn es ihm mal zu bunt wird, steigt Riemensberger am liebsten auf sein Rad. Er bietet auch Führungen an, bei denen er Neugierigen die Veränderungen der Echinger Landschaft zeigt - im Rahmen eines einmal pro Jahr stattfindenden VHS-Kurses oder nach persönlicher Termin-Absprache. Das Verschwinden des Echinger Nebels spricht er bei diesen Spaziergängen natürlich an.

© SZ vom 29.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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